Die Flutkatastrophen der letzten Woche haben viele Menschen direkt betroffen und auch jene, die nicht direkt betroffen sind, haben vielleicht Familie und Freunde, die betroffen sind. Ältere Kinder haben vielleicht aus den Medien davon erfahren, jüngere Kinder die Eltern darüber sprechen hören. Es ist ein Thema, das uns alle angeht und das wir auf die ein oder andere Weise verarbeiten müssen. Kinder und Jugendliche gehen allerdings mit Katastrophen anders um als Erwachsene und brauchen eine besondere Unterstützung, auch um Langzeitfolgen zu vermeiden.
Es ist schwer, als Eltern mit Kindern über Probleme, Krisen und Katastrophen zu sprechen: Wir wollen sie nicht verängstigen, zugleich aber auch nicht die Realität vollkommen von ihnen fernhalten. Wenn wir direkt betroffen sind, wünschen wir uns, gerade ihre Not abzumildern und ihnen zu helfen – auch wenn es schwer ist, weil wir selbst gerade emotional nicht stabil sind.
Mit Kindern über Katastrophen und Krisen sprechen
Auch wenn wir nicht direkt betroffen sind, ist es für größere Kinder sinnvoll, über die Ereignisse zu sprechen, über die sie vielleicht aus den Medien oder dem Bekanntenkreis erfahren. Damit diese Informationen gleich richtig eingeordnet und aufgearbeitet werden können, ist es sinnvoll, als Eltern die ersten Ansprechpartner*innen dafür zu sein. Informationen sollten aufklären, aber nicht verängstigen. Fehlen Eltern die Worte hierfür, können geeignete Medien für Kinder hinzugezogen werden, beispielsweise ein Beitrag der Sendung mit der Maus hier oder für größere Kinder ein aktueller Beitrag von ZDF logo! über Überschwemmungen. Mit größeren Kindern im Grundschulalter und darüber hinaus kann es auch sinnvoll sein, die Geschehnisse weiter einzubetten und mit ihnen über Ursachen und Möglichkeiten zu sprechen, um einem starken Gefühl der Klimaangst entgegenzuwirken, das durch aktuelle Meldungen aufkommen/verstärkt werden kann.
Wenn wir direkt betroffen sind – So unterstützen wir unsere Kinder
Wir können das Erlebte nicht ungeschehen machen, aber unsere Kinder auffangen und ihnen helfen, Erlebnisse zu verarbeiten und einzuordnen. Hierfür kann es notwendig sein, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Auswirkungen des Erlebens einer Notsituation können sich auch langfristig zeigen, beispielsweise in Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Aggressivität oder Zurückgezogenheit – sollten diese oder andere Veränderungen auftreten ist es gut, auch wenn bereits Zeit vergangen ist, eine Fachperson hinzu zu ziehen.
Jenseits einer solchen Hilfe können wir den Kindern als Ansprechpartner*in zur Verfügung stehen, damit sie ihr Erleben mitteilen können. Der Impuls des Erzählens geht dabei vom Kind aus und wir sollten als geduldige Zuhörer*in zur Verfügung stehen. Auch können wir das Erzählte des Kindes einordnen in einen Gesamtverlauf, der dem Kind vermittelt, dass es nun wieder in Sicherheit ist nach der beängstigenden Situation. Manche Kinder drücken die Erlebnisse auch gestalterisch aus im Spiel oder in Bildern – auch hier können wir aufmerksam sein und den Ausdruck begleiten und einordnen. Es gut, wenn wir die Situation/das Erlebte weder herunterspielen, noch Ängste verstärken durch die eigene Angst/Sorge. Als Eltern können und sollten wir auch über unsere Empfindungen sprechen und sie nicht verbergen, aber dabei darauf achten, dass hierdurch nicht noch mehr Angst und Unsicherheit entsteht. Gerade jetzt ist es wichtig, dass das Kind sich der Sicherheit der Bindungsbeziehung sicher sein kann und spürt, dass trotz aller Änderungen im Umfeld die nahen Bezugspersonen ein Anker im Durcheinander sind.
Soweit möglich, ist es für Kinder deswegen auch hilfreich, möglichst viel Sicherheit gebende Struktur anzubieten durch Nähe, Rituale und einen weitgehend geregelten Tagesablauf. Die Grundbedürfnisse des Kindes sollten erfüllt werden. Dies mag in Notsituationen schwierig sein, gerade wenn das gewohnte häusliche Umfeld fehlt, aber es ist hilfreich, im Rahmen der Möglichkeiten darauf zu achten, möglichst viel Struktur und Sicherheit zu vermitteln. Auch hier sollte dann, wenn dies nicht möglich ist, weitere Hilfe in Anspruch genommen werden. Es ist durchaus möglich, dass Eltern sich gerade in einer so schwierigen Situation befinden, dass es ihnen schwerfällt, das Kind selbst emotional aufzufangen. Hier braucht es dann Unterstützung durch Freunde, Familie oder andere qualifizierte (Fach-)Personen.
Gerade in Notsituationen erleben wir uns oft als hilflos und ausgeliefert – so geht es auch unseren Kindern. Wichtig ist daher, ihnen das Gefühl von Selbstwirksamkeit soweit möglich zurückzugeben: sie in Aufgaben altersangemessen einzubinden, ihnen Handlungsspielraum zu geben und das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können und aktiv zu sein. Auch im Spiel können sie diese Selbstwirksamkeit erfahren und Eigenständigkeit ausleben. Durch das Gefühl der Selbstwirksamkeit kann ihre psychische Widerstandsfähigkeiten (Resilienz) gestärkt werden.
Eine Zusammenfassung der psychischen Ersten Hilfe für Kinder im Hochwassergebiet findet sich in dem „SEEBAER“ Konzept von Prof. Dr. Harald Karutz
Es gibt mittlerweile verschiedene Spendenaufrufe. Auf Nachfrage hat der Caritasverband für die Stadt Bonn e.V., der Gelder sammelt für die schwer betroffene Region Ahrtal, diese Spendenmöglichkeit benannt für finanzielle Hilfen für die schwer betroffene Region.
Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.
Foto: Ronja Jung für geborgenwachsen.de