Tag: 8. Juli 2019

Was Dein Kind sagt, ohne es zu sagen

An manchen Tagen ist es so klar und einfach zu verstehen, was mein Kind mir sagen möchte. Es sagt: „Ich habe Hunger!“ oder „Lies mir bitte etwas vor!“ Es sagt, was es möchte, was es gerade braucht und es ist einfach, diese konkreten Wünsche zu erfüllen. Und dann gibt es Tage, an denen es viel schwerer erscheint, zu verstehen, was das Kind eigentlich ausdrücken möchte. An denen es Wünsche vorbringt, die beantwortet werden und die scheinbar dennoch falsch sind. Die nicht das sind, was es eigentlich möchte, obwohl sie dem entsprechen, was scheinbar gewünscht wurde.

Was Kinder sagen ist manchmal nicht, was sie meinen

Manche Dinge lassen sich auch schon von Kleinkindern gut benennen und umschreiben: „Ich habe Hunger!“, „Ich habe Durst!“, „Ich muss auf Toilette.“ Konkrete Sachverhalte, die sie beschreiben können, weil sie schon verstanden und entziffert haben, welche Signale ihr Körper ihnen gibt und wie sie zu beantworten sind.

Andere Umstände fallen ihnen hingegen manchmal nicht so leicht zu umschreiben, weil sie weniger konkret sind, beispielsweise das Bedürfnis nach Nähe, Sicherheit, Schutz, das Gefühl, geliebt zu werden oder auch das Bedürfnis danach, Stress abzubauen. Unsere Kinder kommen nicht nach einem langen Tag zu uns und erklären: „Mein Tag war heute ganz schön anstrengend, ich muss noch meinen Stress los werden bevor ich zur Ruhe kommen kann.“ oder „Heute hatte ich so viel Streit mit meinen Freund*innen, der Erzieher in der Kita hat geschimpft, kannst Du mich in den Arm nehmen, weil ich das Gefühl brauche, geliebt zu werden.“ Diese Sätze, diese Reflexion, kennen wir von uns Erwachsenen – und selbst uns fällt es manchmal schwer, zu verstehen, warum wir wirklich schlechte Laune haben oder von einem anstrengenden Tag nicht loslassen können.

Kinder verstehen bedeutet manchmal, hinter die Sätze zu blicken

Manchmal müssen wir hinter die Sätze blicken, um wirklich zu verstehen. Ein „Ich habe Hunger!“, das immer nach der Kita gesagt wird, kann auch bedeuten: „Ich brauche jetzt das Gefühl, von Dir versorgt zu werden.“ Es muss nicht der konkrete Hunger sein, der gestillt werden möchte, sondern vielmehr das Gefühl nach konkreter Zuwendung, nach konkretem Umsorgtwerden von der Person, die das Kind gerade abholt – aber beides kann auch miteinander verbunden sein. Ein „Ich will aber noch nicht ins Bett!“ muss nicht bedeuten, dass das Kind nicht müde ist, sondern dass es noch ungeteilte Aufmerksamkeit von den Eltern haben möchte, vielleicht gemeinsam trotz aller Müdigkeit etwas spielen möchte.

Wenn wir merken, dass die konkreten Handlungen vielleicht gar nicht die richtige Antwort auf den geäußerten Wunsch sind, lohnt es sich, mit etwas Abstand auf die Situation zu blicken und sich und das Kind zu fragen: Was ist heute los gewesen? Wie war Dein Tag? Meistens findet sich die Antwort auf Bedürfnisse schon in dieser Zuwendung oder tritt durch sie zutage.

Eure