Tag: 12. Juni 2019

Von der Unplanbarkeit, mit Kindern zu leben

Bevor ich Mutter wurde, habe ich mir das Leben mit Kindern nicht ausschließlich rosarot vorgestellt, aber zumindest in vielen warmen Farben. Ich dachte, das würde ja schließlich schon gehen mit dem Kind: ein wenig kuscheln, ein wenig Disziplin und Rituale und alles würde schon laufen. Vielleicht würde es hier und da ein wenig anstrengend werden, wenn das Babys nicht schlafen würde. Aber schließlich sei dieses Elternding etwas, das eben Eltern regeln müssen: Mit guten Grundsätzen, ausrechend Wissen und dem Willen, das durchzusetzen, würde das schon funktionieren.

Im ersten Jahr: Huch, die Pläne passen nicht

Und dann wurde ich Mutter. Und merkte, dass das Leben mit Kind viel weniger mit Plänen und festen Vorsätzen zu tun hatte, als ich dachte. Dass es eigentlich nicht so sehr darum ging, was genau ich mir vorgestellt und geplant hatte, sondern dass es darum geht, zu verstehen, welchen Menschen wir da auf einmal vor uns haben und wie wir ihn gut begleiten können und dabei uns nicht verlieren. Das ist im Voraus nicht leicht planbar. Und auch nicht im aktuellen Geschehen. Es gab auf einmal viel weniger Planbarkeit als gedacht und die Erkenntnis, dass das Kind von Anfang an vielleicht ganz anders denkt als wir Eltern und Dinge anders mag als erwartet. Dass es morgens beispielsweise gar nicht gerne lange und gemütlich im Bett kuscheln möchte, sondern „ausschlafen“ nur dann möglich sein würde, wenn der andere mit dem Baby in der Trage morgens spazieren ging.

Im zweiten Jahr: Der ungebetene Gast

Und nachdem wir uns mit der Unplanbarkeit arrangiert hatten, kam das zweite Lebensjahr mit einem Kind, das mit dem „nein“ anfing. Und damit wurden wieder einmal die Vorstellungen der Planbarkeit umgeworfen als ich merkte, dass meine guten Vorsätze zum entspannten Umgang mit kindlicher Wut und Autonome gar nicht so leicht umsetzbar waren und sich beständig in schwierigen Situationen ein Teil von mir meldete, den ich in diese Elternschaft gar nicht eingeladen hatte. Also wieder umplanen und erst einmal schauen, woher dieser ungebetene Gast kam und wie ich ihn wieder los werden würde. Und sich nicht ärgern, dass der andere Elternteil viel weniger Probleme mit ungebetenen Gästen hatte.

Abschied von Planbarkeit

Irgendwann verabschiedete ich mich von einer gewissen Planbarkeit und machte Platz für all die Dinge, die ungebeten auftauchen und manchmal schwierig sind und manchmal schön. Die Erkenntnis, dass das zweite Kind eine ebenso große Herausforderung ist wie das erste zum Beispiel: Denn wieder dachte ich, dass ich ja nun wissen würde, wie „der Hase läuft“, aber dann war doch wieder alles anders. Und dabei war auch noch das große Geschwisterkind da, das ja auch noch Kind ist.

Oder die schöne Erkenntnis, dass Kinder nach ihrem Tempo die Dinge machen, wenn wir nicht panisch drängen: Dass das Kind von allein aus dem Familienbett auszieht und wir uns die Gedanken darum hätten sparen können. Dass das Kind allein irgendwann zur Schule geht, wenn es bereit ist und ich mich nicht vor anderen Eltern schämen musste, es so lange zu bringen wie es das wollte bis es selbst ging. Die Erkenntnis, dass die Kinder ihre Wahl in Bezug auf Ernährung allein treffen und wir uns weder vor uns selbst noch vor anderen dafür rechtfertigen müssten, ob oder ob nicht die Kinder wie lange Fleisch essen oder nie.

Und auch wenn ich nicht sagen kann, dass das Leben deswegen grundlegend entspannter wurde, denn die Unplanbarkeiten kommen dennoch immer wieder, hat das Annehmen der Unplanbarkeit zu einer gewissen Entspannung geführt in mir. Und dem Wissen, dass ich mir für viele Dinge nicht im Voraus Sorgen machen muss und dass nicht alles so planbar ist, wie ich es gerne hätte, sondern Planung eher ein Richtwert als ein Ziel ist, läuft es viel besser. Mein Mann hat dafür den Begriff “Gesignation” gefunden: eine Mischung aus Gelassenheit und Resignation. Und irgendwie trifft es das ganz gut.

Und worüber habt Ihr Euch unnötigerweise Gedanken gemacht?
Eure