Kinder sind keine zu füllenden Gefäße. Sei kommen nicht in unser Leben und wir „machen etwas“ aus ihnen. Wir verformen nicht, sondern begleiten sie auf ihrem Weg, denn jedes Kind kommt schon auf die Welt mit einem Wesen, einem Temperament. Dieses Temperament ist seine persönliche Art. Im Laufe der Zeit verändert es sich etwas durch die Erfahrungen, die das Kind im Laufe des Lebens macht und durch die Art, wie wir damit umgehen. Aber die Grundmelodie eines Menschen bleibt bestehen. Sein Temperament ist angeboren.
So kommt es auch, dass in verschiedenen Familien verschiedene Temperamente aufeinander treffen. Manchmal hören wir uns sagen oder denken: „Von wem hat das Kind das nur?“ „Von mir hat er das nicht!“ Aber Kinder haben eben nicht alles von uns. Sie sind eigenständige Wesen. Manchmal erkennen wir eigene Wesenszügen von uns in ihnen, manchmal aber auch nicht. Mit jedem Familienmitglied, das hinzu kommt, besteht auch die Möglichkeit, dass ein Kind ganz anders ist als andere. In einer Familie kann es Ähnlichkeiten geben, aber auch bunte Mischungen.
Wenn ein Kind in eine Familie kommt, trifft es dort auf die Temperamente der Eltern, aber auch der Geschwister. Es ist nicht nur eine Herausforderung für alle, dass ein neuer Mensch zur Familie hinzu kommt und sich alle Rollen neu finden müssen. Es kann auch zu einer besonderen Herausforderung werden, welch ein neuer Mensch hinzu kommt, bzw. auch umgekehrt, zu welchen Menschen dieser kleine Mensch kommt. Temperamente sind sehr unterschiedlich und manchmal kommt ein ruhiges, sehr empfindsames Kind in eine laute Familie oder sehr empfindsame Eltern, die eigentlich viel Ruhe im Alltag haben, bekommen ein eher lautes, wildes Kind. Auch unter den Geschwistern können Temperamente zusammen kommen, die augenscheinlich erst einmal nicht zusammen passen.
Es ist eine Herausforderung, wenn verschiedene Temperamente zusammen kommen, die ganz unterschiedlich sind. Für sehr empfindsame Eltern kann ein lautes Baby mit starken Bedürfnissen eine besonders große Herausforderung sein und in noch stärkerer Weise als bei anderen Eltern Ressourcen dahin schmelzen lassen. Sehr sensible Eltern sind daher darauf angewiesen, bei einem für sie herausfordernden Kind besonders gute Unterstützung zu bekommen. Ein empfindsames Baby, das zu eher extrovertierten Eltern kommt, kann ebenso eine Herausforderung sein, wenn es sich nicht wie gewohnt einfach anderen Menschen in den Arm geben lässt oder sehr leicht im Allgemeinzustand beeinträchtigt werden kann durch eigentlich für die Familie normale Rituale und Interaktionen. Hier brauchen Eltern Unterstützung, um das Baby besser zu verstehen zu lernen und die besonderen Bedürfnisse zu begreifen.
Eine besonders große Herausforderung ergibt sich jedoch immer dann, wenn Kinder mit unterschiedlichen Temperamenten aufeinander treffen, da gerade die Geschwisterkinder, solange sie selbst noch klein sind, nicht wie Erwachsene ihr Verhalten und ihre Bedürfnisse anpassen können. Auch hier braucht es dann viel Unterstützung von Außen, um die Bedürfnisse beider Kinder gut auffangen zu können. Es kann schwierig sein, wenn ein Kind mit einem eher empfindsam-aufbrausendem Temperament auf ein Kind stößt, das viel Ruhe benötigt und dessen Grenzen durch das lautere, fordernde Kind übertreten werden. Hier hilft es Eltern, einen Schritt zurück zu treten, die Bedürfnisse beider Kinder zu betrachten und kreative Lösungen zu finden, bis die Kinder ein Alter erreicht haben, in dem sie Lösungen selber aushandeln und ihre Bedürfnisse besser selbst regulieren können.
Familienleben bedeutet immer auch, dass sich verschiedene Menschen zusammen tun. Es gibt Überschneidungen und Unterschiede, Bedürfnisse und Eigenschaften. All dies möchte von jedem einzelnen seinen Platz finden in einer Familie. Der Weg dorthin, dass jedes Familienmitglied seinen Platz findet, ist ganz unterschiedlich und kann unterschiedlich lange dauern. Wichtig ist, dass wir im Blick haben: Nur weil wir Familie sind, sind wir nicht alle gleich – und müssen es auch nicht sein.
Eure