Nun habe ich das dritte Kind an meiner Seite, dem ich langsam den Familientisch näher bringe. Wie auch bei den anderen Kindern, kann das Kind von Anfang an unsere Familienspeisen mitessen, wenn es das möchte. Das Tempo gibt mein Kind vor: Es bestimmt, wie viel es isst, wann es isst, was es isst und wann es doch lieber nur Muttermilch möchte. Denn Beikost ist einfach nur Bei-Kost.
Oft ist zu lesen „Stillen ist mehr als Nahrung“, doch dass auch Beikost und eigentlich jede Mahlzeit am Familientisch mehr als nur Nahrungsaufnahme ist, wird oft vergessen.
Susanne Mierau – Geborgen wachsen
So viele Dinge lernt das Baby kennen, die es nicht kannte. Eine ganze Welt, ein ganzes Leben außerhalb der Gebärmutter. Es will die Dinge mit allen Sinnen erkunden und freut sich darüber, Sachen zum Mund zu führen und dort zu erfahren, wie es schmeckt, wie es sich anfühlt. Irgendwann merkt es, dass Nahrungsaufnahme auch satt macht. Manche Babys beginnen schneller damit, größere Mengen Nahrung zu sich zu nehmen, andere brauchen mehr Zeit dafür. Es gibt auch hier nicht den einen immer richtigen Weg. Deswegen können Gläschenmengenangaben für Eltern so verwirrend sein: Manche Babys haben noch mehr Appetit als das Glas an Nahrung anbieten konnte, andere essen niemals die ganze Menge auf. Manchmal schwankt das auch von Tag zu Tag – wie bei uns Erwachsenen. Manchmal kommen Erkältungen oder andere Erkrankungen dazwischen und das Baby kehrt zurück zur ursprünglichen Ernährungsform Muttermilch oder Prenahrung und beginnt danach erst langsam wieder andere Nahrung zuzulassen.
All das ist normal, all das ist richtig und kein Anlass zur Sorge. Beikost heißt Bei-Kost, weil es die Nahrung ist, die zum Hauptnahrungsmittel Muttermilch bzw. Prenahrung gegeben wird. Doch Kinder müssen damit im zweiten Lebenshalbjahr noch nicht den Hauptteil ihrer Nahrung bestreiten. Sie müssen auch nicht zum ersten Geburtstag auf das Essen der Familie vollständig umgestellt sein. Dr. Carlos González schreibt in seinem schönen Buch „Mein Kind will nicht essen“ (2008, S. 138) dazu: „Das einzige Lebensmittel, das ausschließlich – zumindest in einem bestimmten Lebensabschnitt – alle Bedürfnisse des Menschen zu erfüllen vermag, ist Muttermilch. Ein Neugeborenes wird 6 oder mehr Monate lang allein mit Muttermilch optimal ernährt; aber keiner, weder ein Kind noch ein Erwachsener, wäre optimal ernährt, wenn er 6 Monate lang nur Fleisch, nur Brot oder nur Orangen essen würde. Das bedeutet nicht, dass Fleisch, Brot und Orangen „keinen Nährwert“ besitzen, sondern nur, dass sie von anderen Lebensmitteln ergänzt werden müssen. Ergänzt, nicht ersetzt.“
Dass Muttermilch so lange Babys gut nährt, liegt an ihren vielen Inhaltsstoffen und ihrem hohen Nährwert von ca. 70 kcal pro 100g – damit ist sie nahrhafter als viele Gemüse- oder Obstsorten, die wir unseren Babys als Anfangsnahrung anbieten. Dr. González schreibt auch hierzu (ebd., S. 27): „Vor wenigen Jahren analysierte ein wissbegieriger Forscher 3 Gemüsebreie mit Fleisch, die verschiedene Mütter in Madrid für ihre Kinder hergestellt hatten; sie enthielten im Durchschnitt 50kcal pro 100g […] Wundert es Sie da noch, dass das Kind die Brust dem Gemüsebrei vorzieht?“ Unsere Kinder haben (noch) ein sehr gutes Gespür dafür, was sie wirklich brauchen und was für ihre Entwicklung gut und richtig ist. Wenn wir ihnen ein gesundes (!) Angebot machen an Lebensmitteln, bedienen sie sich nach ihrem Entwicklungsstand und ihren Bedürfnissen daran. Und manchmal brauchen sie weniger, manchmal mehr, manchmal kehren sie zurück zur Muttermilch und dann wieder denken wir, dass sie sich bald abstillen. All dies passiert im Laufe der Stillbeziehung und ist alles richtig und normal.
Eure
Toller Artikel!
Meine Tochter wird Anfang nächsten Monat 7 Monate alt.
Seit ca 3 Wochen bieten wir ihr neben dem Stillen auch Breie in Form von verschiedenen Gemüsesorten und Kartoffeln,Vollkornnudeln an.
Manchmal schnappt sie ganz gierig und isst einige Löffel, aber nicht zum satt werden. Außerdem biete ich ihr auch immer wieder Fibgerfood (Gurke,Birne,Mango,Hirsekringel,… ) an,was sie dann auch interessiert erforscht und daran rumlutscht…
Ich würde es auch gern so weiterlaufen lassen, nur habe ich irgendwie den Druck und die „Angst“, dass sie,wenn sie 10 Monate alt ist (dann beginnt die KrippenEingewöhnung, da ich 2 Monate später wieder arbeiten muss) noch nicht genug Nahrung tagsüber zu sich nimmt, um satt zu sein.
Habt ihr ermutigende Worte, Tipps oder Ratschläge für mich?
Mach Dir nicht so viele Gedanken. Wenn Kinder Hunger haben dann essen sie und wenn sie keinen Hunger haben eher nicht. Die Grippenerzieher haben jeden Tag mit kleinen Kindern zu und dort gibt es oft die Möglichkeit etwas zu essen.? Und in Gesellschaft essen die Kleinen besonders gerne. Das wird schon alles gut werden?
Sie wird sich von alleine umstellen. Meine große Tochter ist mit einem Jahr zur Tagesmutter. Sie aß damals auch noch eher kleine Mengen, wurde nach Bedarf gestillt. Einschlafen nur an der Brust. Sie hat das aber gemeistert. Anfangs hat sie sich am Nachmittag/Abend alles „zurückgeholt“ und dann wurden die gegessenen Mengen immer mehr. Ich hab ihr auch keine abgepumpte Milch oder Pre gegeben. Die Stillberaterin meinte auch, dass sich Kinder auf diese unterschiedl. Situationen einstellen können. Ich habe meine Tochter insgesamt 21 Monate gestillt – trotz Arbeit. Gut wäre auch, das Thema mit den Erziehern zu besprechen. Leider wird das Thema Ernährung und Mahlzeitengestaltung noch vermehrt nachlässig behandelt in vielen Einrichtungen. Ich drücke die Daumen und setz euch nicht unter Druck. Gerade damit kann so viel kaputt gemacht werden. Viele Grüße, Jana
In zwei Monaten passiert rasend viel. In der Krippe kommt noch dazu, dass da andere Kinder als Vorbild sind.
Lass deinem Kind die Zeit, die es braucht, um das erweiterte Nahrungsangebot zu erforschen.
Kind 2 war ein BLW-Kind, das ab ca 6 Monaten unser Essen bearbeitet hat, da es Brei absolut hasste. Nennenswerte Portionen wurden ab dem 1. Geburtstag verdrückt, aber es war so schön anzuschauen, wie der kleine Forscher total neugierig auf unser Essen war, das für sich Taugliche rauspickte und Tag für Tag sein Nahrungsrepertoire erweiterte.
Bleib gelassen, das klappt schon 🙂
Hallo,
es ist immer wieder so beruhigend hier zu lesen. Wie du bereits an anderer Stelle geschrieben hast, fehlt auch mir ein „Mütterclan“. Bzw machen es die Mamas, die ich kenne, so ganz anders als ich. Das ist nicht schlimm und tut unserer Freundschaft keinen Abbruch, aber ein paar „Gleichgesinnte“ wären doch schön.
Unsere Tochter ist nun neun Monate alt. Sie trinkt fleißig ihre Muttermilch und genieße das Stillen sehr. Von außen kamen immer wieder Anregungen, dem Kind doch mal was anderes zu geben. Ich habe dagegen geduldig auf ihre Reifezeichen gewartet. Das war nicht immer leicht. Seit einer Woche ist es plötzlich da. Das Interesse an Essen. Plötzlich ist es so, wie es von anderen beschrieben wird. Es macht mich froh, dass ich ihr die Zeit gelassen habe. Und doch stehe ich vor den nächsten Anforderungen. Brei ist ihr zuwider (mir auch). Also wird auf allem anderen gekaut. Trotzdem möchte ich sie ausgewogen und gesund ernähren. Gerade früh weiß ich nicht recht, was da gut wäre. Hast jemand vielleicht einen Buchtipp mit Rezepten für so kleine Kinder? In der Buchhandlung hab ich nix gefunden…
Ui, ist das viel Text geworden.
Liebe Grüße und eine krankheitsfreie Zeit
Susanne
Hallo Susanne,
Bei unserem Sohn ist es ähnlich. Mittlerweile lässt er sich auch mal mit demLöffel füttern (Joghurt etc), ansonsten kriegt er fingerfood. Ausgewogen ist die Ernährung ja durch die Muttermilch, deshalb würde ich mir da anfangs keinen Stress machen. Unserer bekommt, was wir essen, wenn es passt. Ansonsten Brot (rinde), Obst, Gurke o.ä., das kriegt er auch zum Frühstück.
Ich habe das Breifrei-Kochbuch von Loretta Stern. Sobald die verspeisten Mengen mehr werden, werde ich davon mal Rezepte ausprobieren (die auf jeden Fall schonmal gut klingen, ob sie auch schmecken, kann ich leider noch nicht sagen 😉
Danke für deine Antwort. Dann sind die Rezepte wohl eher was für ältere Kinder? Aber mit dem Tipp von Bettina komme ich sicher auch erstmal eine Weile aus 😉
Ich kann dir die Internetseite breifrei-rezept.de und babyspeck.at empfehlen, da findet man eigentlich immer etwas.
Danke, die Seiten werde ich mir ansehen. 🙂
Danke für diesen Artikel, liebe Susanne!
Es ist total beruhigend, das Muttermilch auch vom Brennwert so viel wertvoller ist als jedes andere Lebensmittel. Das hatte ich zuvor noch nie gehört! Ich weiß noch wie mich die Herstellerangaben und Meinungen meiner Umgebung verunsichert haben, als mein Sohn ins Beikostalter kam. Es hat mich richtig unter Druck gesetzt. Aber damals bin ich dann zum Glück auf deinen Blog gestoßen (September 2015) und wenn dann in den nächsten Wochen mein 2. Kind da ist, kann ich auch an diese Sache viel lockerer gehen. Ich freue mich schon richtig darauf! Mein Sohn ist letztendlich auch ohne die genauen Vorgaben und den Druck zu einem richtig gutem Esser geworden und ich weiß, dass ich meinem Kind sein eigenes Körpergefühl anvertrauen kann und mich beim Essen entspannt zurücklehnen kann. Das habe ich zu einem grpßen Teil deinem Blog zu verdanken!
Liebe Grüße
Anna
Hallo!
Unsere Tochter ist 18 Monate alt und ihr Essverhalten von Anfang an schwierig. Mit 5 Monaten wurde ihr ein Hypertonus diagnostiziert und behandelt. Das Essen ist nicht mehr so schlimm wie anfangs aber sie isst immernoch geringe Mengen. Sie ist auch untergewichtig aber ganzheitlich fit. Seit einigen Wochen weigert sie sich nun bis auf ca. 60 ml /Tag ,zu trinken ( wir geben eigentlich immer Wasser aber aus Verzweiflung haben wir es zwischendurch mit Saft und Milch usw probiert ) . Letzte Woche musste sie daher während eines fiebrigen Infektes ins Krankenhaus zum Rehydrieren. Die Physiotherapeutin sagt , der Hypertonus ist zwar schon da, aber er dürfte ihr das Trinken nicht so schwer machen, dass sie es so verweigert. Macht es deiner Meinung nach in diesem Alter ggf. auch schon Sinn einfach Mal konsequent zu sein und ganz altmodisch zu sagen“ jetzt wird einfach Mal ein Becher leer getrunken“ um ihr das einfach anzugewöhnen ?!Die Alternative wäre nochmal Diagnostik , also Schluckdiagnose und Magenspiegelung und das ist ja schon invasiv. Ich will ihr das lieber ersparen wenn es auch erzieherisch vllt lösbar wäre. Ganz ohne Druck geht es auch scheinbar nicht, das endete im Krankenhaus.
Liebe Grüße 🙂