Vor zwei Tagen holte ich meine Tochter vom Kindergarten ab. Es war einer dieser Vorfrühlingstage: Die Sonne schien bei kalter Luft, die ersten Schneeglöckchen und Krokusse steckten ihre Blütenblätter hervor. Ich lief mit meinem Sohn an einem der vielen Berliner Kanäle entlang, er an meiner Hand. Gleich würden wir seine große Schwester abholen, die dieses Jahr ein Schulkind wird. Es würde ein bunter, lauter Nachmittag werden mit meinen beiden Kindern.
Als wir dort entlang liefen, kam mir eine junge Mutter entgegen. Ihr noch ganz kleines Baby trug sie im Tuch, darüber eine dicke graue Strickjacke, sie lief langsam, lehnte sich an das Geländer am Wasser und hielt ihr Gesicht in die Sonne. So stand sie dort, ihr Baby ganz nah an sich gebunden, ihr Gesicht der Sonne entgegen gestreckt, sich leicht wiegend. Es ging so viel Ruhe von diesem Bild aus, so viel Harmonie.
Ich hielt mit meinem Sohn an und betrachtete diese junge Mutter. Sicherlich ist es ihr erstes Kind, dachte ich mir. Wieviele Jahre jünger als ich würde sie wohl sein? 10 Jahre? 8 Jahre? Mitte 20 habe ich sie geschätzt. Und bei diesem Gedanken spürte ich, dass ich tatsächlich keine junge Mutter mehr bin. Ich habe als Mutter schon viel erlebt: zwei Geburten, habe nächtelang an Krankenbetten gesessen, habe die Kinder fiebernd an mir getragen, habe kleine Hände gehalten, habe Wunden bepustet und Tränen mit dem Ärmel weg gewischt. Ja, ich habe viel gesehen und erlebt in den 6 Jahren, die ich Mutter bin.
Diese Mutter, die dort vor mir stand, hat noch viel von ihrem Weg vor sich, dachte ich mir. In diesem Moment hätte ich sie gerne angesprochen, doch ich wollte das Bild, die Harmonie und Ruhe nicht stören. Daher schreibe ich ihr nun diesen Brief:
Liebe junge Mutter,
wahrscheinlich hat sich Dein Leben gerade sehr verändert. Ich hoffe, Du hattest einen guten Start in diesen neuen Lebensabschnitt. Wie ich Dich gesehen habe, ruhtest Du so ganz in Dir, warst entspannt und hast die Sonne genossen dieses schönen Vorfrühlingstages.Ich wünsche Dir, dass Du die Entspanntheit, die ich an diesem Tag an Dir gesehen habe, in den nächsten Wochen und Jahren mitnehmen kannst. Es hat sich bestimmt schon vieles verändert und noch mehr Veränderungen werden kommen: Dein Kind wird größer, es wird vielleicht manchmal schlecht schlafen, es wird krank werden, die Zähne werden kommen. Es wird Tage geben, an denen Du schlecht schläfst oder wenig Kraft hast. Ich wünsche Dir, dass Du in diesen Zeiten an Momente wie diesen denkst, an dem ich Dich gesehen habe. Ich wünsche Dir, dass Du die kleinen Pausen im Alltag findest und Dein Gesicht der Sonne entgegen streckst, um wieder bei Dir zu sein. Halte sie fest, diese kleinen, zauberhaften Momente, die Dir Ruhe geben. Blicke Dein Kind an, wenn es Dich zum ersten Mal anlächelt und behalte diesen Moment in deinem Herzen. Denke an die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres und daran, wieviel Energie und Freude sie uns geben, wenn wir sie auf unserer Haut spüren.
Ich wünsche Dir so sehr, dass Du die Ruhe und Entspannung, die ich an diesem Februartag gesehen habe, bei Dir behältst. Ich wünsche Dir, dass Du alle Liebe. Hilfe und Unterstützung bekommst, die Du brauchst. Und wenn es schlechtere Zeiten gibt, wünsche ich Dir, dass Du an die guten Zeiten denkst, die Du erlebt hast und an diese Liebe, die Du zu Deinem Kind in Deinem Herzen trägst. Ich wünsche Dir, dass die Sonnenstrahlen Dich immer so wärmen wie an diesem Tag.
Eigentlich wünsche ich das Euch allen.
Eure
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So ein schöner Brief. Da hab ich gleich wässrige Augen gekriegt.
<3
wie schön <3 ja da freu ich mich auch gleich mehr auf die Babyzeit, was bisher oft untergeht wegen meiner "Großen" 🙂 danke für diese wundervollen Worte!!
Wie wunderschön, danke <3
Liebe Grüße und einen warmen Sonnenstrahl für dich
Sternie
Sooo schön.
Ein schöner Brief, der sicherlich viel Kraft geben kann, wenn es mal schlechter geht.
Es ist so schön. Als ich vor 4 Jahre Mama wurde, haben noch recht wenige Mamas ihr Kind im Tragetuch getragen. Ich war eine der wenigen. Jetzt in unserem Kindergarten werden es immer mehr. Zumindest nehme ich es so wahr. Das freut mich sehr.
Meine Kinder haben das beide geliebt und allein dadurch hatten wir so viel mehr ruhige, schöne Momente (und viel weniger Blähungen :-D).
Liebe Grüße
Christina
Danke für diesen schönen Brief. Wie wunderbar wäre es, wenn diese Mutter ihn lesen würde <3
Es gibt diesen Zauber des ersten Kindes, des ersten Mal Mutterseins nie wieder. Manchmal bin ich auch wehmütig und denke an diese erste Zeit. Aber ich denke, ich habe sie auch sehr genossen und ausgekostet.
Und nun werde ich bald Dreifachmama sein und das hat auch seinen Zauber.
Liebe Susanne!
Dieser Text läßt mich seit seinem Erscheinen nicht mehr los! Er hat mich tief berührt und ich denke oft daran. Ich danke Dir. <3
Herzliche Grüße,
Steffi