Kürzlich waren wir bei Béa Beste in der Tollabox zu Besuch. Die Tochter durfte eine der zukünftigen Tollaboxen testen und ihr „Expertenurteil“ dazu abgeben. Aus dem Schatz an Bastelmaterialien, die es dort im Büro gibt, haben wir eine Rettungsdecke mit nach Hause bekommen, mit der sich die Kinder fortan tagelang beschäftigt haben.
Zu Hause wurde die gold-silberne Decke mit Knistern aus der Verpackung geholt. Behutsam wurde sie von beiden Kindern ausgebreitet. Ein Knistern hier, ein Knistern da, dann lautes Knistern und Getümmel im Rausch des vielen Goldes. Der Sohn nahm sie an sich, wickelte sich darin ein und zog die Decke wie eine lange Schleppe hinter sich her. Dann versteckte er sich darunter und rief seiner Schwester zu „Wo bin ich?“. Die Tochter zog den auf der Knisterdecke sitzenden Sohn durch die Wohnung, laut sang sie dazu „Tsch-tschu-tschu, die Eisenbahn, wer will mit in den Urlaub fahren?“, wie wir es schon so oft mit normalen Decken taten. Die Decke wurde zur Eisenbahn, zum Flugzeug, zum Teppich. Im Einkaufsladen lag sie. Sie umhüllte einen Sitzhocker, diente als Verband für die Puppen, die darin ganz verschwanden. Die Tochter schnitt sich Teile davon ab, um sie verbasteln: Papier wurde damit beklebt, eine Maske gebastelt und mit Schnüren versehen.
Ich erinnerte mich daran, wie ich früher kleine Stücken von Knisterdecken in Fühlsäckchen einnähte, damit die Babys damit spielen konnten – eine ganze laute Knisterdecke war noch viel zu laut und anstrengend für sie.
Während ich die Verwandlung der Knisterdecke Tag für Tag zu immer neuen Sachen beobachtete, dachte ich über das Spiel der Kinder nach: Darüber, mit welcher Phantasie sie den Dingen begegnen. Eine Decke ist keine Decke. Sie ist so viel mehr. Sie ist jeden Tag etwas anderes, wenn wir sie lassen. Wir müssen sie auch in ihrem Spiel nicht unterbrechen, wir nehmen ihre Gedanken und Phantasien an wie sie sind. Ein klein wenig tauchen wir ein in das Spiel indem wir ihnen einfach den Raum geben, das zu sein und zu spielen, was sie gerade empfinden. Ja, in dem Moment ist die Tochter eine Königin mit langer, goldener Schleppe. Und der Sohn ist wirklich Lokführer. Lassen wir die Kinder in ihrem Spiel, holen wir sie nicht heraus. Lassen wir sie in einem Zustand des Flow, des tiefen Aufgehens in ihrer Tätigkeit.
Versunken sein in eine Aufgabe – wie lange waren wir das eigentlich selber nicht mehr? Kinder haben noch diese Möglichkeit, sie können ganz in ihrer Tätigkeit aufgehen und lernen dann besonders tief. Sie erspüren das Material, lernen, wie es sich bewegt, wie es sich im Raum und in der Luft verhält, ob man es schneiden kann oder nicht, ob man darauf malen kann oder die Farbe wieder ab geht. Rutschst man mit den Socken darauf aus? Vielleicht sollte ich lieber barfuß sein… Ohne unser Zutun können sie aus ihren reichen Vorstellungen schöpfen und erfahren, machen sich ein Bild von der Welt über dieses „Spiel“. Sie sind ganz bei sich, wenn wir in diesem Moment nach hinten treten und sie tun lassen.
Das kindliche Spiel ist immer auch Lernen. Und Lernen ist in erster Linie Spiel. Lernen ist nicht, die Knisterdecke von einem Erwachsenen ins Ohr geraschelt zu bekommen mit den Worten „Hörst Du wie es raschelt?“ Welche vielfältigen Erfahrungen Kinder mit einer Sache machen können, entzieht sich oft unseren erwachsenen Gedanken. Wir können gar nicht mehr so unterschiedlich, so vielseitig denken wie ein Kind es vermag.
Eine Rettungsdecke, ein Produkt, das in der Apotheke zwischen 1 und 2 Euro kostet, wird für zwei Kinder ein Spielzeug für mehrere Tage, das die Phantasie beflügelt. Ein Spielzeug, das nachdenken lässt über Lernen, über freies Spiel und über „Spielsachen“.
Was sind die liebsten Spieldinge Eurer Kinder, von denen man zuerst nicht denkt, dass sie Spielsachen sind?
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Hier ist es das Sieb. Helm, Dach, Reiseballon, Schiff, Waage uvm. Ich liebe das auch die Dinge so neu zu sehen.
Liebe Susanne, vielen Dank für deine schönen Beiträge! Die einfachsten Dinge sind oft die schönsten Spielsachen. Das merkt man immer wieder. Hast du vielleicht noch ein paar Tipps in Sachen Spielkreis? Ich selbst leite seit einigen Monaten ehrenamtlich einen Spielkreis, aber leider bekomme ich ihn nicht richtig zum laufen. Im Moment überlege ich, ob ich es weiter versuchen oder aufgeben soll. Über eine Rückmeldung von dir würde ich mich freuen! LG Sarah
Das liebste Spiel derzeit: Mit den Sofakissen die Treppen runterrutschen.
Meine Tochter spielte oft und ausgiebig“Floß“ mit einer Decke. Ansonsten baut sie gerne mit Verpackungen. Küchenutensilien sind der Hit beim Kleinen.
Liebe Susanne, danke für diesen wundervollen Post! Die Patentante meines Sohnes fragte ihren Partner, welcher Vater von vier Kindern ist, was sie dem bald Dreijährigen schenken könnte. Und der g’scheite Mann riet: Eine Wäschewanne.
Die Vorlieben des Jungen variieren, aber es ist definitiv weniger Spielzeug, das ihn begeistert, als ganz normale Alltagsgegenstände wie Werkzeug, Körbe, Stricknadeln, Kartonschachteln,…
Liebe Grüsse, Martina
eine kleinigkeit fällt mir ein, die uns amüsiert hat: tochter nahm tampons aus der verpackung, um sie als „teebeutel“ in die puppenteekanne zu hängen… 🙂