Ich hör Dir zu! Wertschätzend mit Kindern sprechen von Anfang an

Kürzlich waren wir einkaufen. Der Sohn stand an der Kasse und wollte sich gerade eine Paprika vom Band nehmen, als eine Frau hinter uns ihn ansprach und frage: “Na wie heißt Du denn?” Der Sohn setzte an, ihr seine Vornamen und Nachnamen zu sagen, aber schon nach dem ersten Vornamen unterbrach sie ihn, indem sie ihm sagte “Du bist aber ein ganz aufgewecktes Kerlchen, nicht?” Ich schaute die Frau fragend an. Sie hatte nicht vor, sich wirklich mit meinem Kind zu unterhalten. Sie hatte eine Frage gestellt und wollte die Antwort nicht wirklich wissen. Und wie ich dem Gesichtsausdruck des Sohns entnehmen konnte, fand er sie Situation ebenfalls unangenehm und fragte sich, was da los sei. Er war verwirrt.

Wie in jeder Gesprächssituation haben auch Kinder es verdient, dass wir ihnen zuhören. Oder noch besser gesagt: Gerade Kindern sollten wir zuhören. Niemand mag es gerne, im Gespräch immer wieder unterbrochen zu werden, seine Gedanken nicht zu Ende bringen zu können oder gar nicht zu Wort zu kommen. Gespräche beruhen auf Gegenseitigkeit, auf Zuhören und Antworten, auf Aktion und Pause. Es ist ein feines Spiel, das gelernt werden muss. Wir als Erwachsene sollten es eigentlich beherrschen und unsere Kinder können es von uns lernen.

Zuhören bei Kindern, das fängt schon am Anfang an. Eigentlich schon mit der Schwangerschaft, wenn wir auf ihre ersten Bewegungen und Tritte reagieren, indem wir unsere Hand sanft auf den Bauch legen. “Ich spüre Dich!” sagen wir ihnen und geben ihnen ein Zeichen, dass wir sie wahrgenommen haben. Nach der Geburt ist das Zuhören so wichtig, um herauszufinden, was uns das Baby sagen möchte: hat es Hunger, Durst, muss es auf Toilette oder liegt es unbequem? Wir müssen lernen, die Signale unseres Kindes feinfühlig wahrzunehmen, um richtig mit ihm kommunizieren zu können, um es zu verstehen. Kommunikation entsteht nicht erst mit dem ersten Wort, sondern schon viel früher. Wichtig ist dabei aber immer, dass wir abwarten und dem Kind den Raum geben, selber nachzudenken. Viel langsamer als bei uns werden die Informationen beim Baby noch über die nicht isolierten Nerven weitergeleitet: Es braucht tatsächlich länger Zeit, um zu verstehen, was wir sagen und dann auch noch die Reaktion darauf zu zeigen. Deswegen ist es so wichtig, dass man Babys und Kleinkindern Zeit einräumt: Etwas sagen oder eine Frage stellen und abwarten bis das Kind reagiert. “Ich werde Dir jetzt eine neue Windel anziehen.” kann die Aussage eines Elternteils sein, das dann eine Minute abwarten kann, ob das Kind verstanden hat und vielleicht reagiert. Viel zu oft sind wir viel zu voreilig und handeln bereits noch bevor unser kleines Kind wirklich verstanden hat, was wir als nächstes tun wollen oder erfragt haben. Es ist keine halbe Stunde, die wir abwarten müssen, es sind Sekunden oder Minuten, aber sie können so viel bewirken. Aus einer unwilligen Wickelsituation, da das Kind nicht verstanden hat, was passiert, kann ein Miteinander werden. Wir können uns mit Babys den Alltag so viel einfach machen, wenn wir einfach kurz inne halten und warten.

Und das Zuhören hört nicht im Babyalter auf, auch danach ist es wichtig. Wir schneiden kleine Kinderwörter ab, weil wir vielleicht schon wissen, was sie sagen wollen. Weil wir sehen, worauf sie zeigen. Weil wir vielleicht gerade keine Zeit oder Lust haben, lange auf einen vollständigen Satz zu warten. Doch wie fühlt sich das Kind eigentlich, wenn wir es nicht zu Wort kommen lassen? Wahrscheinlich wie wir selber, wenn es uns so ergeht. Vielleicht sogar noch ein wenig schlechter, weil es selbst so stolz auf sich war, dass es die Wörter in seinem Kopf zusammen gefunden hat und sich so viel Mühe gegeben hat, sie über die Lippen kommen zu lassen.  Wort an Wort reihen, einen Satz richtig über die Lippen kommen zu lassen, das ist am Anfang nicht einfach. Es erfordert Anstrengung, Mut und es kann ein kleines Kind so stolz machen, richtige Wörter und Sätze zu sagen.

Deswegen lassen wir uns einfach Zeit. Warten wir kurz ab. Es sind keine langen Minuten, es sind nur kurze Pausen, die so viel bewirken können.

 

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17 Kommentare

  1. Liebe Susanne,
    das fällt mir auch immer wieder auf dass den Kindern vor schnell der Satz aus dem Mund genommen wird und beendet wird. Da werden wir drauf angesprochen dass wir als Eltern die Kinder ausreden lassen (also im Positiven) …. verkehrte Welt …..
    Mal wieder sehr treffend beschrieben!

  2. Der Botschaft des Textes gebe ich vollkommen Recht. Zuhören ist wahnsinnig wichtig und viele können das nicht. Aber der Frau aus deiner Einleitung möchte ich trotzdem ein wenig verteidigend zur Seite springen. Smalltalk ist nicht immer echtes Interesse. Das muss es aber auch nicht sein. Auch das lernen Kinder. Und das ist doch auch gut so, oder nicht?

  3. Liebe Susanne,
    irgendetwas scheint mit der Kommentarfunktion unter dem Post “Du weißt, was du brauchst” nicht zu stimmen. Da ich gerne etwas dzau schreiben würde, hier mein Kommentar zu ebenjenem Post:

    Naja – wenn ich anfange, meine Kinder über den
    Essensplan bestimmen zu lassen, essen wir irgendwann nur noch dasselbe. Und
    wenn ein anderes Essen geplant und die Zutaten dafür eingekauft sind, gibt es
    nunmal das und nicht, was die Kinder vllt. hätten. Müssen sie durch, ganz
    einfach – wenn ich während des Studiums in der Mensa oder bei der Arbeit in der
    Kantine gegessen habe, musste ich auch nehmen, was es gibt. Bzw. wenn ich Lust
    auf etwas hatte, im Kühlschrank aber Reste darauf warteten gegessen zu werden,
    gab es die. Ich gebe doch meinen eigenen Bedürfnissen auch nicht immer nach. Und
    ja, ich gehe auch mit Gliederschmerzen/Kopfschmerzen/Halsschmerzen zur Arbeit.
    Da muss schon schlimmeres passieren, bevor ich im Bett liegen bleibe.

    Gebadet wird, wenn es nötig ist und ganz sicher
    nicht zur Schlafenszeit. Ich bin die Mutter, ich bestimme die Regeln –
    innerhalb derer gibt es natürlich Phasen, wo das Kind bestimmen kann, was es
    tun und essen möchte (am Nachmittag lieber drinnen oder draußen spielen, lieber
    Apfel oder Banane essen?). Aber ich finde deine Beispiele schlecht gewählt,
    denn erstens ist es für mich kein Bedürfnis, was es zu essen gibt (ein
    Bedürfnis ist lediglich, dass es was zu essen gibt) und zweitens sind dies
    keine Dinge, die ich meine Kinder entscheiden lasse.

  4. Tanja von Zuckersüße Äpfel

    Perfekt! Genauso ist es und wir sollten es alle beherzigen, vielen Dank 🙂

  5. Kindern zuhören ist wirklich sehr wichtig. Mir geht es manchmal so, dass
    ich mir bewusst machen muss, dass das Zuhören jetzt wichtiger ist, als
    z.B. die Hausarbeit fertig zu bekommen. Es als Pause zu betrachten,
    finde ich einen schönen Gedanken – eine Pause vom Alltag in der ich mich
    ganz auf mein Kind einlasse, ihm Zeit schenke und dabei aufmerksam
    zuhöre.

    LG
    Petra

  6. Ein wunderbarer Artikel! Ich versuche auch jeden Tag, so mit meiner kleinen Tochter umzugehen und sie genauso ernst zu nehmen, wie ich möchte, dass man mit mir umgeht. Viele verstehen dass nicht, dass ich so einfühlsam bin, aber bisher bin ich gut mit gefahren. Es ist so zauberhaft, was die Kleinen von sich geben, viel wertvoller als das ganze Gequatsche von den Erwachsenen. Solche Themen beschäftigen mich und ein paar andere Mütter auch auf http://www.wunderherz.de vielleicht magst Du mal vorbeischauen? Würde mich freuen!

  7. Ja zuhören ist wichtig, aber Kinder müssen, sollten auch lernen warten zu können. Wie oft erlebe ich, dass ich mich mit einer anderen Mutter keine 2 Sätze am Stück unterhalten kann, weil ständig das Kind dazwischen quatscht.

  8. Ich gebe dir Recht, mit dem, was du schreibst. Wenn ich anderen erzähle, dass meine Tochter bereits mit 5 Monaten 5 Wörter und mit 12 Monaten 3- Wort- Sätze sprach, schauen sie mich unglaubwürdig an. Nun habe ich mir mal die Videoaufnahmen von der Zeit angesehen. Es war tatsächlich eine Sprache, was Fremde nicht verstehen konnten. Aber für mich klangen die Worte klar. Ich möchte damit nur sagen, wer sich Zeit nimmt hin zu hören, der versteht auch eher 🙂

  9. Jolanthe Wagenknecht

    @Heike: Braucht die Welt “smalltalk”? Was ist smalltalk? reden ohne Sinn? Fragen ohne Neugier? Sowas kennt kein Kind, nur die degenerierten Erwachsenen. Vielleicht mal von den Kindern lernen und “smalltalk” aus dem Verhaltensrepertoire streichen? Für mich ist es normal wertschätzend mit meinen Enkeln zu reden und auch mit jedem anderen Menschen und zuzuhören. Ich kenne keinen “smalltalk”. Bezeichnend dass es dafür kein deutsches Wort gibt. Oder doch? vielleicht “sinnleeres Gewäsch”?

    • Hallo Jolanthe,
      da Du nun mehrfach andere Menschen auf meinem Blog beleidigt hast, bist Du ab jetzt gesperrt. Du kannst sehr gerne anderer Meinung sein, solltest aber die Regeln der Freundlichkeit einhalten.

  10. Ralf-J. Block

    Ein grundsätzlich sehr schöner Artikel. Allerdings finde ich die einleitende Situation furchtbar. Warum sollte das Und einer fremden Frau einfach so seinen kompletten Namen verraten? Die richtige Antwort wäre hier: Warum wollen Sie das wissen bzw. Das geht Sie nichts an.
    Was den Rest des Artikels betrifft merke ich, dass ich meinem Kleinen manchmal mehr Zeit geben sollte um Streß zu vermeiden. Dankeschön!

  11. Ich weiß, dass es im Text vorrangig um etwas anderes geht, aber mich triggert ein Absatz sehr: Nach der Geburt ist das Zuhören so wichtig,… was das Baby uns sagen will: Hunger… Wir MÜSSEN lernen die Signale unseres Kindes feinfühlig wahrzunehmen…
    Ich hatte soviel gelesen. Unter anderem “Stillen ist ganz natürlich und Babys geben Signale, wenn sie mal müssen”. Ich wollte so gerne von Anfang an die Mutter sein, die das Kind stillt und trägt, viel bei sich hat, es dadurch zu lesen lernt und natürlich auch von Beginn an windelfrei/mit Abhalten klarkommt.
    Die Realität sah so anders aus. Gott, was habe ich mich gequält. Wenn ich an diese Verzweiflung denke, kommen mir jetzt noch die Tränen. Und ich wurde so liebevoll unterstützt…
    Letztlich haben wir beim Stillen mit langem Atem zu einem versöhnlichen Ende gefunden und ich entschied mich dann recht bald, windelfrei in den Wind zu schießen.
    Sicher denken einige, dass jeder selbst schauen muss, was im eigenen Familiensystem funktioniert, aber im Grunde habe ich doch an der Stelle mein Kind bereits das erste Mal nicht gehört und bin über seine Bedürfnisse letztlich hinweggegangen.
    Ich habe hier viele Anregungen gefunden, die Perspektive zu wechseln, umzudenken und es besser zu machen, dafür bin ich wirklich dankbar, aber gibt es auch etwas über den Druck in der Elternschaft? Über Annahme und (sich selbst) Verzeihen? Darf ich mir selbst verzeihen?

    • Liebe Vicki, natürlich darfst du das. Und natürlich gibt es auch Artikel dazu und auch dazu, dass es normal ist (und sogar an einigen Stellen hilfreich), Signale auch falsch zu deuten, um Selbstregulation auszubauen. Ich verstehe. dass du aus deiner Erfahrung noch einmal anders auf den Text siehst, aber das, was du meinst, ist nicht in diesem Text enthalten. Natürlich ist es wichtig, die Signale des Kindes kennenzulernen und dass sie von Kind zu Kind eben verschieden sind und wir einen Wahrnehmungsweg eben finden müssen. Und dieses MÜSSEN ist nicht, um Druck aufzubauen, sondern weil das eine Grundlage des Miteinanders ist. Und du hast gesehen, dass dein Kind sich auf eine bestimmte Weise ausdrückt und ein Temperament hat, das anders als erwartet ist. denn ja: Manchmal wird viel zu sehr pauschalisiert und Kinder unterschieden sich in Temperament, Erregbarkeit, Signalen, Tröstbarkeit. Die Aufgabe ist ja, zu verstehen, wer mein Kind ist, wie es sich äuß0ert und dazu passende Lösungen zu finden. Die, die genau zu euch passen. Hier auf dem Blog (und in meinen Büchern) findest Du zudem auch gerade um Stillen immer wieder die Aussage, dass Stillen erlernt wird und eben nicht so natürlich ist, wie es manchmal dargestellt wird.

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