„Sieh nicht nach rechts und links, sondern nur auf Deinen eigenen Weg.“ – Über das Heilige

Eine Kerze und eine ruhige Minute zum Nachdenken

Halloween habe ich nun fünf Jahre ausblenden können. Die Tochter hatte erst im letzten Jahr zum ersten Mal auf der Straße die verkleideten Kinder gesehen und aufgeregt gefragt „Was machen die da? Ist Fasching?“ Und so habe ich ihr erklärt, dass sich Kinder auch zu Halloween verkleiden. Natürlich wollte sie im nächsten Jahr – also diesem – auch Halloween feiern. Und wie es so passiert, hat sie zu diesem Jahr auch eine Einladung zu einer Halloweenparty bekommen. Halloween ließ sich also nicht umgehen.

Etwas mehr anfangen konnte ich dann mit Halloween, als ich mich selber vorbereitet habe und gesehen habe, dass Halloween sich ableitet von All Hallows Eve („aller Heiligen Abend“) und es damit einfach ein Fest ist, um Allerheiligen einzuläuten. Den Heiligen gedenken, also denen der Kirche und denen, die für mich ganz persönlich heilig sind. Und so habe ich das Fest in diesem Jahr auf der einen Seite ein wenig so angepasst, dass es den Kindern nachkommt mit etwas Farbe und Zucker und auf der anderen Seite meinem eigenen Bedürfnis nach Gedenken und dem Wunsch, den Kindern zu zeigen, dass wir an die denken, die uns wichtig sind, die uns in gewissem Sinne „heilig“ sind und die nicht mehr bei uns sind.

Wenn ich an die Menschen denke, die nicht mehr bei uns sind und für mich in gewisser Weise heilig sind, denke ich in erster Linie an meine Großmutter. Ich denke daran, wie sie für mich da war, wie sie mich im Arm hielt. Auch heute, so viele Jahre nach ihrem Tod, kann ich mich an ihren Geruch erinnern. Wenn ich die Augen schließe, kann ich ihr Lachen hören, das ich so liebte. Ich erinnere mich an die Lieder, die sie mit mir sang und wie sie es liebte, wenn ich mit „rollendem R“ bestimmte Wörter aussprach und mich immer wieder danach fragte. Ich hätte sie heute so gerne bei mir. So gerne einmal hätte ich ihr meine Kinder gezeigt, sie ihr auf den Schoß gesetzt wie ich früher bei ihr saß. Es war uns leider nicht vergönnt. Sie starb bevor mein erstes Kind geboren wurde.

Die Großmutter meines Mannes lernte zumindest noch meine Tochter kennen. Sie war drei, als ihre „Großmama“ starb, die ja in Wirklichkeit die Urgroßmutter war. Und obwohl sie noch so klein war (oder gerade deswegen) und es nun schon mehr als zwei Jahre her ist, erinnert sie sich noch sehr gut an sie. Sie hat zwei kleine Andenken nach ihrem Tod erhalten: Einen Stein und ein kleines Vogelhäuschen und beide sind wahre Schätze für sie. In bestimmten Abständen spricht sie immer wieder über ihre Großmama, darüber, wie sie war und wie sie sie gesehen hat. Und darüber, wie komisch es ist, dass ihr Bruder sie nie sehen wird. Tief in ihr hat sie die Erinnerungen an sie aufbewahrt.

Ich habe von meiner Großmutter für mein Leben viel mitgenommen. Sie ist nicht mehr körperlich bei mir, aber sie bleibt in meinem Herzen. Sie begleitet mich in meiner Elternschaft und manchmal denke ich, wie sie wohl lachen würde in der einen oder anderen Situation, in der ich mich gerade befinde. Ich denke an Redewendungen, von denen sie viele kannte und die ich in meiner Pubertät so anstrengend fand und sie heute den Kindern gegenüber selber benutze. Sie sagte zu mir immer: „Sieh nicht nach rechts und links, sondern nur auf Deinen eigenen Weg.“ Und genau das ist es, an was ich mich so oft halte, wenn es um die Elternschaft geht. Ich sehe auf meinen Weg, ich sehe nicht nach links und rechts und höre nicht auf die, die mir sagen, ich würde mein Kind zu lange stillen, tragen und sowieso verwöhnen. Ich höre auf mich und diese Stimme meiner Großmutter in mir. Und das ist der Satz, für den sie für mich heilig wurde.

An diesem Wochenende brennt eine Kerze für meine Großmutter und ich werde meinen Kindern davon erzählen, wie wunderbar sie war. Wir essen vom Allerheiligenstriezel, den ich gebacken habe und ich höre meine Großmutter heimlich lachen darüber, dass er viel zu sehr auf- und aus der Form gegangen ist. Wir gehen spazieren und gehen über Wiesen und in die Natur, wie ich es früher mit ihr getan habe, meine kleine, warme Hand in ihrer großen rauen.

Es beginnt nun die Zeit der Ruhe und Einkehr, des zu sich Kommens, des Zentrierens. Der erste November ist für mich ein solcher Wendetag im Jahreslauf. Es wird weihnachtlich still und von Kerzen erleuchtet.

Welche Menschen oder Sätze sind für Euch heilig in Eurem Leben?
Eure

 Susanne_clear Kopie

3 Kommentare

  1. Ich vermisse meine Mum. Wie gern würde ich meine Kinder auf Ihrem Schoß sitzen sehen. WIe gern würde ich von ihr „gut gemeinte“ Ratschläge über Kindererziehung hören, oder einfach nur die zum x-ten mal erzählten Geschichten aus meiner eigenen Kindheit. Leider ist mir das nicht vergönnt….so muss ich gemeinsam mit meinem Mann einen eigenen Weg für unsere kleine Familie finden….In Dezember beginnt für mich jedes Jahr die Zeit des Gedenkens…..

  2. Jacqueline

    Hallo,
    Bin gerade erst auf deinen Blog gestossen, aber dieser Eintrag treibt mir die Tränen in die Augen. Man kann es sich lebhaft vorstellen, wie sie war..
    Leider hat fast jeder jemanden, der nicht mehr da ist egal ob „noch unter uns“ oder im Jenseits..
    Ich konnte mich von meiner Grossmutter nicht verabschieden, und manchmal wenn ich meine Gedanken streifen lasse, dann trifft es mich wieder und ich werde traurig..
    Aber eigentlich sollte man dankbar und glücklich sein, so jemanden in seinem Leben gehabt zu haben:)
    Liebste Grüsse
    Jacqueline

  3. Sonnenschein

    Oma <3 Nach diesen Zeilen fehlt mir meine grad wieder besonders… wie sehr hätte sie sich mit mir über meine Kleine Tochter gefreut. Und gerade heute habe ich ihre Stimme im Ohr: “Sind ja aall keen fremde Lüüd, de da kommt“ (Das sind ja keine fremden Leute, die da kommen). Dann ist eben nicht alles perfekt an diesem Geburtstag des Mannes und der Mutter… 😉

    Sehr schöner Text – er hat mich wieder wirklich bewegt. Danke für all die tollen Gedanken hier in deinem Blog.

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