Es geht vorbei – Kinder werden größer. Von Wurzeln und Flügeln

An Tagen wie heute liege ich abends im Bett neben meinen Kindern und blicke meine Tochter an. Ist sie wirklich schon 5 Jahre alt? Wo ist die Zeit nur geblieben? Ich sehe ein großes Mädchen, das gerne und sehr laut lacht. Ihr Lachen ist oft ansteckend. Ich sehe ein selbstbewusstes Mädchen, dass mir gerne auf meine Wünsche nach einem anderen Verhalten entgegnet „Ich bestimme über mich!“ und ich sehe ein Mädchen, dass laut und wild mit anderen Kindern spielt. Manchmal sogar zu laut und zu wild für meinen Geschmack.

Und dann denke ich an die vergangenen Jahre. Ich denke daran, dass ich sie zwei Jahre gestillt und im Tragetuch getragen habe und wie oft mir von der Familie gesagt wurde, ich würde mein Kind verziehen. Denn früher, als Kleinkind, da war sie alles andere als offen, laut und wild. Ein Kind, das viel aufnahm, das genau hin sah. Ein Kind, das mit anderen nicht sprach und sich auch bei Familienangehörigen gern abwandte. Jemand, der nie „Hallo“ oder „Tschüss“ sagte außer zu den Eltern. Ein Kind, das immer auf meinem Schoß saß bei Festen und nur mit mir an der Hand umher lief. Ein Kind, das in Spielgruppen nie „mitmachte“ und gerne am Rand saß. Eine stille kleine Beobachterin, die gerne für sich spielte und viel Nähe brauchte.

Sie ist heute ein Kind, das noch immer im Familienbett schläft. Als sie ein Jahr alt war und nachts noch immer viele Male stillte, dachte ich, sie würde nie durchschlafen. Als sie mit 2 Jahren auch noch oft aufwachte, dachte ich, dass ich nie wieder eine Nacht durchschlafen würde in meinem Leben. Und heute gibt es sie wieder, die Nächte, in denen ich nicht aufwache. Abende, an denen sie kurz noch eng an mich gekuschelt ist und sich dann umdreht und sagt, dass sie gerne später wieder meine Hand nimmt und mit ihren Kuscheltieren im Arm einschläft. Nein, ich stille sie nun nicht mehr in den Schlaf.

Sie ist so groß und toll und selbständig geworden. Wann genau ist das eigentlich passiert? Mit jedem Tag ein Stückchen mehr.Ich habe es gar nicht so richtig mitbekommen und nun sitze ich neben diesem Kind, das so schnell groß geworden ist. Ich denke an diesen Spruch, den wir Eltern tausende von Malen überall um uns herum lesen: „Sind Kinder klein, gib ihnen Wurzeln, sind sie groß, gib ihnen Flügel.“ Wurzeln hat sie bekommen und ihre Flügel ganz allein ausgebreitet und ist nun mit ihren ersten Flugversuchen unterwegs. Ich bin da, immer bereit, sie aufzufangen und merke dabei, dass sie oft gar nicht aufgefangen werden muss. Sie kann das schon, sie weiß, was sie sich zutrauen kann.

Irgendwann stillen Kinder nicht mehr, schlafen durch und laufen nicht mehr ausschließlich an der Hand. All das passiert wirklich irgendwann. Auf dem Weg dorthin können wir es manchmal nicht glauben, dass dieser Tag eines Tages kommen wird, aber er kommt. Und dann, dann sind wir vielleicht gar nicht darauf gefasst und staunen in unserem herbeigesehnten Glück darüber, wie groß unsere Kinder schon sind. Genießen wir also jede Minute mit ihnen und in ihrer Kindheit und denken wir auch in den schwierigen Zeiten daran, dass wir ihnen mit allem ein sicheres Fundament bauen für ihr eigens Leben.

14 Kommentare

  1. Dorothee G.

    Liebe Susanne,
    das ist so wahr. Es gab auch Tage, an denen ich dachte, dass meine Kinder ewig klein bleiben, an denen ich mich auf den Tag freute, an dem sie aus dem Haus gehen.
    Und jetzt…. jetzt sind schon zwei von vieren aus dem Haus und der nächste sitzt schon auf der Nestkante. Unser Nachzügler bleibt uns zum Glück noch.
    Jetzt sehne ich die Tage wieder her, an denen sie klein waren …. und freue mich auf die kommenden Enkel.

    Genießt jeden einzelnen Moment, sie werden so schnell groß!!

    Eine heute wehmütig gestimmte
    Doro

  2. Ohhh das denke ich auch immer..mit unserer Großen feiern wir nun nächste Woche ihren fünfeinhalbten Geburtstag ( sie hat ihren „richtigen“ am 25.12) …auch sie war früher die zurückgezogene, die nur hinter unseren Beinen stand, nie was laut sagte auf Festen und sich sogar bei einem dänischen Familienfest verkehrtherum auf den Stuhl an den Tisch setzte, damit sie keinen angucken musste und -noch wichtiger-keiner sie anguckte…nicht mal Oma und Opa kamen an sie heran….
    Nun ist sie bald „Halb sechs“, tanzt Hiphop und spielt Handball, tätowiert sich zur WM von oben nach unten selber und geht damit selbstbewußt und stolz alleine Brötchen kaufen, wenn ich nochmal in der Sparkasse was zu erledigen habe…
    Eben waren wir wieder in Dänemark und diesmal war sie laut, hat ihre sehr großen Cousins und Onkel geärgert, Fußball und Krocket gespielt und ist voll und ganz begeistert gewesen!!! Vorher mussten noch „coole“ Klamotten (ihr Fußball-Shirt) angezogen werden und Gel ins Haar…
    Sie wäre gerne noch länger geblieben, aber auch sie hat nun noch nen Babybruder (9Monate), der einfach nur noch müde war und sowieso zahnend…
    Die Zeiten ändern sich….Heute habe ich die 2 oberen Schneidezähne vom Babybruder angeschaut und wieder für mich gedacht, wie anders er damit nun aussehen wird, wenn sie ganz zu sehen sind und wie schnell das erste 3/4 Jahr verflogen ist…
    Ich freu mich jedenfalls über jede Phase meiner Kinder…freu mich über selbstbewußte und starke Kinder , die mich sehr an mich selber erinnern….
    Carpe diem!!!

  3. Danke. Deine Worte sind so wahr.

    Ich bin derzeit sehr zwischen „ich will mehr Freiheit“ und „natürlichen stille ich meine fast 15 monatige Tochter noch“ hin und her gerissen. Aber bei jeden Abend, an dem ich quasi mit ihr zu Bett gehe und keine Zeit „für mich“ habe, erinnere ich mich, dass dies auch ein Ende hat. Und dass ich das doch eigentlich noch gar nicht will.

  4. Meine Tochter (2,5) wollte und ist neulich mit den Nachbarskinder (der Oma, wo sie 1x wöchentl. ist) und ihren Eltern einkaufen gegangen. Ich konnte es kaum fassen…. Da merkte ich, sie wird groß.

  5. Kristina

    Ich muss mir ein Tranchen verdrücken. Genauso ergeht es mir zur Zeit mit meiner Großen Greta, sie wird am Mittwoch 5 Jahre alt. Danke.

  6. papaleaks

    Danke für diesen rührenden Artikel und das Teilen Deiner Gedanken. Ja, meine Kleine ist zwar erst 18 Monate. Aber das Gefühl, dass das alles viel zu schnell geht, beschleicht mich immer öfter. Sie entwickelt sich gerade mit gefühlten 7-Meilen Stiefeln.

    Es ist einerseits atemberaubend schön, zu sehen, wie sie groß wird, wie sie sich entwickelt, welche neuen Fähigkeiten jeden Tag dazu kommen. Anderseits packt einen da schon ab und an die Wehmut und man fragt sich, „wo sind diese 18 Monate hin? Das war doch erst gestern, dass ich die Zuckerschnute im Krankenhaus das erste Mal gehalten und sie auf dieser Welt begrüßt habe“.

  7. Wenn du deine Tochter beschreibst seh ich 100% meine Tochter(4). Vom stillen übers Familienbett bis auf Familienfeiern (weder hallo noch tschüss zu sagen). Sie ist schon so groß geworden. Die zeit rennt. Genießt sie. Gebt ihnen Wurzeln und Flügel

  8. .. Und dann fragt man seine Kinder: kannst Du die Kleinen in der Schule abholen?
    Es ist nur ein ganz, ganz kurzer Augenblick…

  9. Hallo
    Du sprichst mir aus der Seele. Unsere Tochter war auch so gewesen. Hat sich nichts getraut weil sie erst mit 5 Jahren in die Kita gehen konnte. (Gesundheitliche Probleme von meinem Mann). Und alle sagten das wird nie was,Sie wird beim Kinderpsychologen sitzen usw. Sie ist noch nicht mal 1 Jahr in der Kita und hat sich um 180 grad gedreht. Sie ist offen,spielt mit anderen Kindern,traut sich etwas meine Hand brauch sie jetzt nur noch ab und an mal….

  10. Bin heute auf deinen Blog gestoßen und hab viele Artikel gelesen, während ich meinen Zwerg heute mittag in der Federwiege dauergewippt habe, damit er wenigstens etwas länger als nur 30min schläft.

    Und gerade dieser Artikel hilft mir wieder ein Stück mehr alles so anzunehmen wie es ist. Ich sollte ihn mir anpinnen und immer lesen, wenn ich mal wieder down bin und mich frage, wann er nicht mehr jede Nacht stündlich stillt. Und doch bin ich unendlich froh stillen zu können und meinen Sohn so in den Schlaf begleiten zu können. So bekommen wir wenigstens beide Schlaf.
    Ich freue mich, wenn er größer wird und bin trotzdem jetzt schon traurig, weil die Zeit als er so winzig war, auch schon vorbei ist und das ist gerade mal 4 Monate her. Man ist doch echt merkwürdig 😉

  11. Das hast du so schön geschrieben! Und es ist wirklich so, ich sehe und erlebe es immer wieder. Mit fast 2 1/2 entscheidet sich unser Sohn zum Beispiel jetzt immer öfter bei sich im Bett zu schlafen; mittags eigentlich immer. Ich finde es ganz wunderbar ihn dabei zu beobachten.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert