Nicht nur Schlagen ist Gewalt – Ein Aufruf gegen Gewalt gegen Kinder

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Dieses Recht ist bei uns gesetzlich festgeschrieben seit dem Jahr 2000. Doch obwohl es dieses Gesetz gibt, werden die Rechte der Kinder noch immer viel zu oft verletzt: In der  „Gewaltstudie 2013“ der Universität Bielefeld im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung wurde untersucht, wie präsent Gewalt- und Missachtungserfahrungen von Kindern und Jugendlichen bei uns heute sind und wie sie mit Armut in Zusammenhang stehen. Das erschreckende Ergebnis ist, dass fast ein Viertel aller Kinder von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen werden, 28% davon sind Kinder ab sechs, 17% Jugendliche. Zwar machen Kinder aller Schichten solche Gewalterfahrungen, doch sind Kinder mit niedrigem sozioökonomischen Status besonders betroffen. Dass Gewalt keine Erziehungsmethode ist, so scheint es, ist noch nicht überall klar.

Doch es geht nicht nur um das Schlagen von Kindern. Gewalt bedeutet viel mehr. Gerade erst war in der Presse von einem Fall in Österreich zu lesen, in dem ein 26 Jahre alter Vater seine zweijährige Tochter zur Strafe unter die viel zu heiße Dusche stellte und das Mädchen in Folge der Verbrühungen an multiplem Organversagen starb Und noch während diese Geschichte überall zu lesen ist, erzählt der Starkoch Jamie Oliver davon, wie er seine 12jährige Tochter bestraft und quält, indem er ihr nach einem Streit einen Apfel mit einer der schärfsten Chilisorten einreibt, die es gibt und darüber auch noch lacht. Man kann sich kaum vorstellen, wie schlimm diese Erfahrung für das Kind sein musste: Das Vertrauen in den eigenen Vater zu verlieren und mit einem brennenden Mund bestraft zu werden, weil man frech war. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt zudem insbesondere in Hinblick auf Kinder vor dem Verzehr von zu scharfen Gewürzen mit einem hohen Capsaicingehalt: Dieser kann u.a. zu Atemlähmung führen. Ein klarer Fall von Kindesmisshandlung.

Kindesmisshandlung ist heute leider noch immer weit verbreitet. Eine gerade in Österreich veröffentliche Studie zeigt, dass Österreicherinnen und Österreicher zum jetzigen Zeitpunkt zu 58 Prozent wissen, dass es in Österreich seit 1989 ein Verbot von
Gewalt in der Erziehung gibt. Seit 1977 hat sich die Einstellung und das Verhalten der Eltern verändert, dennoch kommt es durchaus noch zu Gewalthandlungen. In einem Interview mit der Kronenzeitung sagt Hedwig Wölfl von der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, dass Eltern nicht mehr aus Überzeugung schlagen, sondern oft aus Überforderung.

Auch wenn diese Gewalt nicht mehr als Erziehungsmittel mit Vorsatz verwendet wird, ist sie dennoch schwerwiegend für die kindliche Entwicklung. Gewalthandlungen wirken sich schwer auf die kindliche Entwicklung aus, auf die Bindung und Bindungsfähigkeit, auf das Urvertrauen, auf hormonelle Abläufe im Körper bei Stress, auf die seelische Gesundheit allgemein und auch auf die spätere Entwicklung. Gewalt ist und bleibt schädlich für Kinder. Es ist traurig, dass Kinder auch heute trotz all der Erkenntnisse aus der Forschung, die zu der Gesetzgebung führten, noch immer Gewalterfahrungen machen müssen. Und noch trauriger ist es, dass Menschen im Rampenlicht, die die Möglichkeit haben als positive Vorbilder auf andere einzuwirken, genau das Gegenteil machen und öffentlich für Gewalt gegen Kinder stehen. Eine Chilischote ist keine Ohrfeige, aber nicht minder schlimm.

 

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17 Kommentare

  1. Danke für den Artikel. Mir ist es leider 1x passiert das ich meinem 2jährigen sohn mehr aus Reflex leicht auf den Oberschenkel gehauen habe. Ich wollte ihn wickeln und er fing an zu bocken und hat mir so derbe ins Gesicht getreten und da hab ich irgendwie nicht nachgedacht. Ich glaube es tat ihm nicht weh. Er hat gar nicht reagiert, aber ich war so schockiert über mich selbst, das ich tagelang ein schlechtes Gewissen hatte und noch habe.

    Ich habe aber viel mit meinem Mann drüber geredet und wir haben einen Weg gefunden mit der Wut unserer Kinder umzugehen. Wir nehmen sie einfach in den Arm. und wenn sie sich beruhigt haben kann man auch wieder in Ruhe über alles reden. in 99% aller Fälle funktioniert das bei uns und wenn sie die Nähe mal nicht möchten dürfen sie sich jederzeit in ihr Zimmer zurück ziehen um Ruhe zu haben. Aber auch dann endet es nach 10min mit ner großen Kuschelrunde 😉 Mal sehen ob das dann auch noch übers Kleinkindalter hinaus fnktioniert.

    Ich bin sehr froh das wir für uns einen Weg gefunden haben. Vielleicht hilft das ja auch anderen.

    • Liebe Kerstin, das mit dem Reflex ist mir auch schon passiert, als meine Große meinem Kleinen voll ins Gesicht geschlagen hat. Das schlechte Gewissen kenne ich danach auch :-(. Ich versuche auch den Weg des in-den-Arm-nehmen zu gehen, aber manchmal bin ich innerlich viel zu aufgewühlt/verärgert dazu. Wie gehst du bei diesem Weg mit deinen Emotionen um?
      LG
      Petra

  2. Lena Wilden

    Einen Artikel über Gewalt an Kindern… Nun gut. Ich selbst wurde als Kind geschlagen. Schlimm war das in körperlichem Sinne nicht. Wunden des Körpers heilen… Was aber tatsächlich schlimm und grausam ist, sind die Narben auf der Seele des Kindes. Diese bleiben auch als Erwachsener noch erhalten. Sie erinnern dich ein Leben lang daran, dass du es nicht Wert gewesen bist von deiner Mutter geliebt und geschützt zu werden! Mit körperlicher Gewalt geht immer auch seelische Gewalt einher und das ist das grausamste daran. Du glaubst schon als Kind, dass du zu nichts fähig bist, keine Talente hast, nie etwas erreichen kannst, niemals einem anderen Menschen genügen wirst…. Das ist hart! Die Seele zerbricht, der Wiederstandsgeist geht verloren und die Hoffnung schwindet. Ich begann als Kind dafür zu kämpfen, all den Hass und die unsagbare Angst vor dem wichtigsten und elementarsten Menschen in meinem Leben irgendwie ertragen zu können. Bereits im Alter von ungefähr 7/8 Jahren wünschte ich mir meinen Tod. Ich wollte und ich konnte nicht mehr… Es folgten viele Jahre in denen ich hart für mein Leben kämpfte und Therapie gemacht habe. Ich musste als erwachsene Frau lernen, dass auch ich ein wertvoller Mensch bin und etwas zu bieten habe. Das zu lernen wird immer eine Aufgabe für mich sein und die Folgen einer seelischen Verletzung in dieser Art mögen vielleicht nicht sofort sichtbar sein, aber sie bleiben. Sie heilen nicht einfach, sie verschwinden nicht, sie werden nicht kleiner. Man kann nur sehr mühsam lernen, mit dem Schmerz zu leben und ihn als Erinnerung daran zu nutzen, dass man überlebt hat…
    Heute bin ich selbst Mutter und ich weiß, dass ich nicht immer alles richtig mache. Eins weiß ich jedoch genau: Mein Kind wird sich immer von mir geliebt und in meiner Nähe sicher fühlen, weil ich NIEMALS Gewalt gegen es einsetzen würde!

    • Liebe Lena, das tut mir sehr leid für Dich. Ich finde es großartig, dass Du Deine Gewalterfahrungen aufarbeiten konntest. Ich wurde als Kind nicht wirklich geschlagen, also wenn man das öfter vorkommende Hintern-Versohlen nicht mitzählt…aber ich kann mich noch genau an meine schreckliche Angst davor erinnern, auch wenn es nur ein kurzer körperlicher Schmerz war. Alles Gute für Dich!

      • Lena Wilden

        Danke schön, aber ich muss wirklich niemandem leid tun. Ich wünsche mir bloß, dass meine Geschichte ein bisschen dabei hilft, dass man die Augen offen hält und Kinder schneller und besser schützt

    • Danke lena
      ich bin noch ein kibd und es ist sehr wichtig darauf zu achten das man nicht gewalt einsetzt gegen übee dem kind. İch kenne das alles und es fällt mir sehr schwer . Aber ich muss weiter kämpfen und ich als kind fühle mich sehr verletzt wenn…und an alle eltern bitte versucht euch ib die lage dess kindes zu versetzen und auch wie sich das kind fühlt . Das ist sehr wichtig…

  3. Die verlinkten Artikel haben mich beinahe zum Weinen gebracht. Ich kann zum Thema nicht wirklich etwas beitragen. Seit ich selbst ein Kind habe, geht mir Gewalt gegen Kinder noch einmal viel viel näher als vorher 🙁

  4. Johannes Korten

    Dank Deines Impulses habe ich mich überwunden. Und es ist mir nicht leicht gefallen. Es kann sein, dass mein Beitrag noch heute Konsequenzen hat, die ich nicht einschätzen kann. Und dennoch fühle ich mich wohl damit, ihn mir von der Seele geschrieben zu haben. Danke für deinen Artikel, Danke für das Thema, Danke für dein Engagement in dieser so wichtigen Sache.

    http://www.jazzblog.de/jazzlounge/2014/11/es-hat-dir-nicht-geschadet/

  5. the_last_voice

    Hallo Susanne,

    durch meinen gestrigen Blogpost bin ich heute über die üblichen Wege auf Deine Blogparade gestoßen. Sehr gut, das.

    Einen Link darauf habe ich soeben fast total gerne an meinen Beitrag angefügt.

    [ http://www.last-voice.de/wdr5-wisst-ihr-was-ihr-da-macht/ ]

    Denn allerdings murrt mein Bauch dabei ein wenig, da ich Gründer und leidenschaftlicher Verfechter der Kampagne „Keine Kinderfotos im Social Web“ bin.

    [ https://www.facebook.com/Keine.Kinderfotos.im.Social.Web ]

    Die Verlinkung auf Deine Page kann mir also ob Deiner glasklaren Kinderfotos um die Ohren fliegen. Dagegen mach ich mich locker, als dass ich ja grundsätzlich für den Diskurs bin, und starre Prinzipien uns allen nicht helfen.

    Will sagen: Ich suche den Dialog mit Dir, setze einen Impuls, Du weißt jetzt, dass ich Dich (a) sehr gerne verlinkt habe und (b) mein Bauch ob Deiner Kinderfotos murrt. Ich denke das genügt und um den Rest kümmert sich das Universum.

    Weiter geht’s. Am besten so … 😉

    Herzliche Grüße

    Stefan

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