Schlagwort: Krieg

Kinder zum Frieden erziehen

Frieden

Wir alle wollen für unsere Kinder und Enkelkinder das Beste. Wir wünschen ihnen eine gute Zukunft, Glück, Arbeit, die sie gern verrichten und wir wünschen ihnen ein friedliches Leben. Gerade diejenigen von uns, die selbst den Krieg erlebt haben oder auch die, deren Eltern im Krieg waren und von ihnen wissen, was es bedeutet. Krieg ist grausam und keinem Kind – oder Erwachsenen – wünscht man, dies erleben zu müssen.

Kinder zum Frieden erziehen, das beginnt nicht erst im Schulalter, auch nicht im Kindergartenalter. Wir erziehen Kinder zum Frieden von Anfang an. Wir tun dies, indem wir ihnen Werte mit auf ihren Weg geben, die sie begleiten, ihnen Kraft geben und ihnen die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden und überlegte Urteile zu treffen. Jede Generation hat ihre Kinder für das erzogen, was gerade notwendig war: Es wurde auf Gehorsam und Unterwerfung gesetzt, um willige Soldaten zu erziehen. Doch heute wünschen wir keine Jugend „zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“. Wir wünschen uns Kinder und Jugendliche, die Fragen stellen, die reflektieren, die die Zukunft zum Guten wenden wollen.

Deswegen gehen wir von Anfang an mit Kindern  anders um. Es gibt das berühmte Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ von Johanna Haarer, Ärztin und Autorin von Erziehungsratgebern, die der Ideologie des Nationalsozialismus entsprachen, geboren 1900. 1934 wurde der nationalsozialistische Ratgeber von ihr veröffentlicht. Das Buch wurde dann, leicht verändert, aber immer gegen die „Verzärtlichung“ gerichtet, bis März 1996 aufgelegt und viele der dort vertretenen Vorstellungen zur Kindererziehung sind noch lange nach ihrer Zeit in den Köpfen der Eltern verankert: Wenn wir vom Verwöhnen sprechen, vom Lob der Disziplin, von Gehorsam und Abhärtung, dann sind das alles Begriffe, die noch immer die nationalsozialistische Erziehung durchblicken lassen und die der Zeit davor, die ihr den Weg ebnete. Hier wird beschrieben, welch ein “Schlachtfeld” die Geburt sei, dass “Machtkämpfe” um das Stillen und Sauberwerden stattfinden, dass mit Härte gegen das Schreien vorgegangen werden müsse:

»Dann, liebe Mutter, werde hart! Fange nur ja nicht an, das Kind aus dem Bett herauszunehmen, es zu tragen, zu wiegen, zu fahren oder es auf dem Schoß zu halten, es gar zu stillen. Das Kind begreift unglaublich rasch (…). Nach kurzer Zeit fordert es diese Beschäftigung mit ihm als ein Recht, gibt keine Ruhe mehr, bis es wieder getragen, gewiegt oder gefahren wird – und der kleine, aber unerbittliche Haustyrann ist fertig.«

Doch genau das ist es, was wir NICHT mit Kindern tun sollten, wenn wir sie heute für eine friedliche Zukunft erziehen wollen. Aus der Forschung ist bekannt, welche Wirkungen langes Schreien lassen auf die Gehirnentwicklung und die Hormonausschüttung hat. Kinder, die dies erfahren müssen, haben eine geringere Frustrationstoleranz, sind angespannter und weniger konfliktfähig. Auch wissen wir heute, welche wichtige Bedeutung der Körperkontakt für Kinder hat und dass die durch positiven Körperkontakt ausgeschütteten Liebeshormone sich ebenfalls förderlich auf die Entwicklung auswirken.

Was bedeutet dies nun in Hinblick auf Erziehung zum Frieden? Es bedeutet, dass wir unsere Kinder ganz einfach lieben müssen, ihnen nahe sein müssen und mit ihnen respektvoll umgehen sollen, damit auch sie ihrerseits Menschen werden, die die Werte vertreten, die wir uns alle für die Zukunft wünschen: Liebe, respektvollen Umgang, Gerechtigkeitssinn, friedvolles Miteinander. Es sind manchmal die kleinen und einfachen Dinge, die die große und durchschlagende Wirkung erzielen.

Wie ich mit meiner Tochter über den Krieg sprach

„Mama, ich mag nicht zu Oma fahren!“

„Warum, Tochter?“

„Bei Oma ist Krieg!“

„Was??? Nein, bei Oma ist kein Krieg!“ – Meine Mutter wohnt im Süden von Berlin an einem Ort, an dem es alles andere als kriegerisch zugeht.

„Oma hat gesagt, ganz weit weg ist Krieg. Und Oma wohnt ganz weit weg!“

Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich mit dem Thema „Krieg – und wie erkläre ich das meiner Tochter“ auseinander setzen musste. Das ist für mich nicht einfach. Mein Vater wurde 1938 geboren. Er ist ein Kriegskind und ich habe schon früh als Kind die Grauen meines Vaters vor dem Krieg gehört: Von seinem Vater, der gestorben war, vom Onkel in Kriegsgefangenschaft, von Nächten im Bunker, vom Mangel an Nahrung und Pferdefleisch. Krieg, das ist für mich seit meiner jüngsten Kindheit Teil einer furchtbaren Familiengeschichte.

Krieg ist furchtbar. Es gibt nichts zu beschönigen und es gibt keine Sieger – wie auch immer er ausgeht. Es war klar, dass ich mich diesem Thema als Mutter irgendwann stellen musste. Die Kinder sehen keine Nachrichten bei uns zu Hause und wir hören sie auch nicht im Radio, aber an anderen Orten lassen sich nicht Ohren oder Augen verschließen. An anderen Orten erfahren Kinder etwas von der Welt, auch wenn wir das zu diesem Zeitpunkt gar nicht an sie heran kommen lassen wollten.

Was Krieg ist, fragte ich meine Tochter. Bei vielen Themen ist er erst einmal gut, die Gedanken des Kindes zu dem Thema ganz zu erfassen. „Da kämpfen Menschen mit Schwertern und Raketen und machen sich tot.“ Erstaunlich, wie präzise ein fünfjähriges Kind sich vorstellen kann, was Krieg bedeutet. Krieg, das wissen auch schon die Kleinen, ist etwas furchtbares, bei dem Menschen sterben. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder. „Und deren Eltern sind dann bestimmt sehr traurig.“ Ja, der Krieg macht Menschen unglücklich: Mütter und Väter verlieren ihre Kinder, Kinder ihre Eltern, Großeltern Kinder und Enkelkinder, Brüder verlieren Schwestern und andersrum. Krieg bedeutet Verlust, Trauer, Angst. All das können Kinder schon in etwa begreifen, denn sie wissen, dass es schlimm ist, andere Menschen zu verlieren. Auch in diesem Krieg gibt es Menschen, die andere verlieren.

Doch kehren wir zurück zum Anfang. „Der Krieg ist in einem anderen Land, nicht in unserem. Dieses Land ist ganz weit weg, noch viel weiter weg, als Oma weg wohnt!“ „Und wenn er auch hierher kommt?“ Gerade haben wir Glück, erkläre ich, dass wir hier keinen Krieg haben. Das ist schon viele Jahre so, länger als ich selber lebe. Aber als Opa klein war, da gab es auch hier Krieg. Wir können glücklich sein, dass es hier keinen Krieg gibt. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen. Es ist auch unsere Aufgabe, uns darum zu kümmern, dass es auch in Zukunft keinen geben wird. Wie wir das machen? Wir bestimmen mit, was passiert, wenn wir wählen gehen. Wir wertschätzen alle Menschen, woher sie auch kommen, was sie auch glauben und glauben an das Recht, dass jeder Mensch gleich behandelt werden muss. Wir versuchen, richtige Entscheidungen zu treffen. Wir sind in der Mannschaft der lieben Menschen, wie Buddenbohms Sohn sagt.

Das alles macht nicht, dass es jetzt gerade keinen Krieg gibt. Er ist da und wir können nicht die Augen davor verschließen. Auch nicht die Augen unserer Kinder. Aber wir können unseren Beitrag leisten, nicht weg zu sehen und unsere Kinder dazu anleiten, einer friedvolleren Zukunft entgegen zu sehen.