Tag: 10. Dezember 2020

Wenn Kinder nach dem Tod fragen

„Und wenn du stirbst, was passiert dann, Papa?“, „Und dann sterben Oma und Opa und dann sind sie nicht mehr da.“, „Wenn du stirbst, Mama, sterbe ich dann auch?“ – Mit Kindern über den Tod zu sprechen, fällt vielen Eltern nicht leicht. Manchmal fehlen schlicht die Worte, manchmal kommt erst durch die Frage des Kindes die eigene Unsicherheit zum Vorschein, manchmal steigen eigene schmerzhafte Gefühle und Erinnerungen auf und manchmal möchte man vielleicht auch selbst nicht über die Fragen nachdenken. Doch so sehr wir auch die Antworten hinauszögern oder von uns weg schieben, sind Kinder in ihrem Wunsch nach Wissen und Verständnis oft unnachgiebig.

Am Anfang noch ein unvollständiges Bild vom Tod

Oft fangen Kinder rund um den 4. Geburtstag damit an, selbst mehr mit dem Thema Tod umzugehen: Er wird in das Spiel eingebunden und auf einmal sterben die Spielfiguren oder werden sogar absichtlich getötet. Die offenen und neugierigen Fragen des Kindes stehen im Raum: Was passiert da eigentlich, warum und wie – und sterben eigentlich nur alte Menschen? Auch wenn das Kind in diesem Alter noch nicht die gesamte Tragweite des Todes versteht und wirklich einschätzen kann, wie unwiederbringlich der Tod ist, hat es jetzt oft ein grobes Wissen vom Tod (in dem Sinne, dass der Körper seine Funktionsfähigkeit verliert), das sich in den folgenden Jahren weiter ausbaut. Nach und nach verinnerlicht es, was der Tod wirklich bedeutet: dass alle Lebewesen sterben und dieses Sterben nicht umgangen oder rückgängig gemacht werden kann.

Angepasst Gespräche führen

An den jeweiligen Stand des Kindes angepasst sollten wir auch mit unserem Kind über Tod und Sterben sprechen. Das bedeutet, dass dieses Thema in den Jahren der Kindheit immer wieder aufkommen und unterschiedlich behandelt werden kann je nach fortschreitender Entwicklung des Kindes. Das Wichtige dabei ist, dass das Kind den Rahmen vorgibt, in dem das Thema Tod behandelt wird und die Bezugspersonen gehen auf die konkreten Fragen des Kindes ein, ohne darüber hinaus zu sehr abzuschweifen. Je näher wir dabei an der Frage des Kindes bleiben, desto besser. Sollte es darüber hinaus etwas wissen wollen, wird es eine weitere Frage stellen. Wichtig ist, nicht unsere eigenen Ängste und Sorgen auf das Kind zu übertragen in den Gesprächen – das Kind gibt den Weg vor.

Natürlich gibt es viele Fragen, die auch wir nicht konkret beantworten können, die Kinder aber dennoch stellen: „Wann stirbst du?“, „Wann sterbe ich?“ Auch hier lohnt es sich, möglich ehrlich und nicht zu weitschweifend zu antworten. Wir können sagen, dass man nicht genau weiß, wann man stirbt, aber die Wahrscheinlichkeit geringer ist, in jungen Jahren zu sterben. Wir können auch erklären, dass wir natürlich aufpassen auf uns – vielleicht reicht das bereits als Antwort. Wichtig ist, dass wir auf unsere Wortwahl achten, wenn wir über den Tod sprechen – gerade bei Kindern. Denn ein als Ausflucht und Verharmlosung gedachtes „Und dann schläft man für immer ein“ oder „Sich auf die letzte Reise begeben“ kann Kinder verunsichern oder ängstigen.

Wenn Kinder mehr Informationen einfordern, können wir passende Kinderbücher zum Thema auswählen und darüber sprechen. Je nach Alter der Kinder und Entwicklungsstand kann auch hier unterschiedlich vorgegangen werden – Schulkinder finden vielleicht einen Besuch in einem ägyptischen Museum spannend, um sich dort Mumien anzusehen.

Im Trauerfall

Anders als die alltägliche Frage nach dem Tod verhält es sich, wenn eine konkrete Situation mit einem Trauerfall vorliegt. Wie Kinder damit umgehen, kann sehr unterschiedlich aussehen. Wichtig ist auch hier, offen zu sein und Fragen zuzulassen. Alle Gefühle dürfen ihren Raum haben und Erwachsene sollten das Bedürfnis des Kindes nach Austausch so annehmen, wie es kommt: Manchmal möchte das Kind eine konkrete Frage beantwortet wissen, spielt dann wieder, um etwas später mit einer anderen Frage oder einem Gedanken zurückzukommen.

Wie sich die Trauer konkret äußert, ist verschieden. Kleine Kinder leiden beispielsweise öfter unter Störungen des Schlafverhalten, Unruhe oder auch Änderungen im Ess- und Trinkverhalten. Aber auch bei älteren Kindern kann der Schlaf betroffen sein. Manche Kinder werden ruhiger, andere wilder. Wichtig ist, dass das Kind so angenommen und gesehen wird, wie es sich gerade fühlt – auch der Kindergarten oder die Schule sollten hier einbezogen und informiert werden, um das Verhalten des Kindes einordnen zu können. Schwierig ist das Annehmen der kindlichen Bedürfnisse und des kindlichen Verhaltens dann, wenn die Eltern selbst sehr von der Trauer betroffen sind. Wenn unsere Gefühle uns nicht zu sehr mitreißen, dürfen Kinder aber auch an der Trauer der Eltern Teil haben und sie erleben. Mit ihnen kuscheln und trauern und gleichzeitig auch Erinnerungen wachrufen. Hilfreich ist es, wenn es Unterstützung um die Familie herum gibt, die sich um die Alltagsaufgaben kümmert, damit die Familie den Raum für die Trauer hat.

Abschiedsrituale können Kindern helfen, mit dem Tod umzugehen. Auch hier müssen wir aber sehen, wie es zum Kind passt. Vielleicht ist die Teilnahme an einer Beerdigung zu viel für das Kind und wird von Anfang an ausgeschlossen, vielleicht muss die Beerdigung auch ungeplant verlassen werden, weil das Kind überfordert ist. Vielleicht passt es dann besser, ein gemeinsames Abschiedsritual im kleinen Kreis zu zelebrieren auf dem Friedhof nach der Beerdigung oder abseits, beispielsweise indem ein Papierschiffchen zu Wasser gelassen wird oder ähnliches. Wir dürfen kreativ umgehen mit solchen Ritualen und auch mit der Trauer des Kindes.

Sie wird vielleicht in den folgenden Jahren wieder ab und zu auftauchen, wenn nach der verstorbenen Person wieder gefragt wird. Dann kann gemeinsam ein Fotoalbum angesehen werden und es kann darüber gesprochen werden, welche schönen Erinnerungen man an die verstorbene Person hat. Auch hier gilt: Eltern können den Fragen des Kindes nachgehen und diese begleiten im Wachsen.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de