Als Baby lagst du in unseren Armen, wurdest getragen. Wir sind zu dir gekommen bei jedem Schrei, bei jedem Weinen – und es waren viele. Kein Weinen musste allein durchlebt werden. Es wurde begleitet, manchmal über Stunden. In der Kleinkindzeit haben wir die Höhen und Tiefen gemeinsam gemeistert: Zusammen gelacht, zusammen die Wut durchgestanden. Wunden angepustet, Hände gehalten, Tränen getrocknet. Wir haben gemeinsam die Stunden durchgestanden, in denen der beste Freund „Du bist nicht mehr mein Freund“ war – und mitgefiebert bei aufregenden Geschichten. Wir haben zusammen Abschiede gemeistert und neue Wege beschritten. Nicht immer einfach, nicht immer ohne Anstrengungen und auch nicht immer ohne Elterntränen. Aber immer wieder mit Liebe.
So bist du größer geworden, jeden Tag. Du bist aus dem Familienbett ausgezogen, hast an anderen Orten übernachtet. An vielen Stellen bist du über dich selbst hinaus gewachsen, immer wieder. Und wir waren da. Manchmal an deiner Hand, manchmal an deiner Seite. Manchmal irgendwo im Hintergrund. Immer ein Ort, an den du zurück kommen kannst. Immer der Ort, an dem sicher alle Gefühle ihren Raum bekommen. An dem du sein kannst, wer du bist. Nicht, wer du sein solltest oder könntest. Manchmal ein lachendes Kind, manchmal weinend, manchmal zornig, manchmal still und dann wieder laut.
Du hast erfahren: Es gibt diesen einen Ort, an dem du angenommen wirst wie du bist. Dieser Ort ist kein Haus, kein Raum, es sind wir, deine Eltern. Mit jeder Geschichte, hast du gelernt, kannst du zu uns kommen. Mit jedem Kummer, mit jedem Unsinn. Wir haben gemeinsam Lösungen für Probleme gesucht, haben – nicht selten – die Augenbrauen hochgezogen und tief durchgeatmet, bevor wie geantwortet haben. Wir haben als Eltern manchmal zusammen gesessen und uns aneinander gelehnt, um uns gegenseitig aufrecht zu halten. Und wir haben heimlich gelacht über die Streiche, bei denen wir eigentlich ernst sein sollten.
Dieser Ort des Vertrauens geht nicht verloren. Die Themen ändern sich, die Probleme bekommen so manches Mal eine gewisse Schwere. Die Sachen, die „angestellt werden“ sind bedeutender als der fehlende Keks aus dem Weihnachtsvorrat. Aber was auch immer es ist, sind wir erst einmal da. Hören zu, atmen, nicken. Wir sind der Ort, an dem die Geschichten des Lebens erzählt werden können. Der Ort des Vertrauens, an dem dies möglich ist.
Wenn ich Familien eines wünsche, dann ist es dies: Dass das Gefühl dafür, da zu sein, bestehen bleibt. Auch nach der Babyzeit, auch nach der Kleinkindzeit. Seid die sicheren Orte, zu denen getragen werden kann, was belastet – ohne Furcht vor Strafen. Seid die Menschen, mit denen Lösungen gesucht werden anstatt die zu sein, vor denen Probleme versteckt werden. Seid der Ort, der signalisiert: Ich bin für Dich da, egal was ist.
Eure
Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.
Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de
Wunderschön geschrieben….
Ich hoffe sehr dass wir als Eltern genau das sein können für unsere Kinder. Der Ort, an den sie immer wieder zurück kommen können und immer geliebt werden. Danke für den tollen Text?
Wunderschön geschrieben und so unfassbar wichtig!
Gerade liege ich neben meinem Kind, will ihn behüten, über seinen Schlaf wachen, einfach da sein, weil heute sein erster Kindergartentag war und er danach von einem Fahrrad angefahren wurde, und weil das alles fast zuviel war für mein Herz, und dein Text rührt mich zu Tränen, weil er mich jetzt in eine warme Decke wickelt, mich auch ein bisschen in die Arme nimmt und mir sagt: Du warst heute ganz Mama, du hast alles gegeben, und jetzt darfst auch du ruhig werden und sicher sein: Alles ist gut.
So schwer auszuhalten und umzusetzen wenn die Pubertät da ist. Theorie und Praxis streiten sich ständig. Eine Belastungserprobung, die krank machte, keine Hoffnung kein Vertrauen, nur Überleben, irgendwie.
Oje, das tut mir leid. Ich hoffe, Ihr könnt Euch Unterstützung holen. Die Pubertät kann wirklich eine große Herausforderung sein und manhcmal tut es gut, auf die Beziehung und die Herausforderungen noch eine außenstehende Person schauen zu lassen.
Ich hatte Tränen in den Augen. So schön geschrieben und so treffend. Ich hoffe, wir werden es schaffen, genau das für unsere Kinder zu sein. Sie sollen keine Angst haben wenn mal was schief gelaufen ist. Sondern sich uns anvertrauen können, in jeder Situation.
Wundervoll, vielen Dank für diesen Artikel! ❤️
So schön geschrieben… Danke!
Julia
Dieser Artikel hat mich zu Tränen gerührt. Genau weil ich es selbst nie so erfahren habe hoffe ich dass ich es bei meinen Kindern umsetzen kann.
So wunderbar und Ja absolut zu allem Ja ♥️
wow! du sprichst mir aus tiefstem herzen. genau das, wollen wir gerne für unsere kinder sein! bin zu tränen gerührt…
Das ist es, was ich für unsere Kinder sein möchte. Ich wünsche mir, dass meine Kinder ein Leben lang wissen, dass wir dieser Ort für sie sind ?
Es ist nur so schwierig es richtig zu machen. Einen mittelweg zu finden zwischen Mama sein aber auch Freundin sein können. Zu wissen, wie benehme ich mich jetzt wenn etwas fanz schief gelaufen ist. Oder beim hundertsten mal ,,zieh deine Schuhe an, wir müssen los“ immer noch ihr Spielzeug in den Händen hält . Umd ruhig bleiben. Oder sie neunmal klug antwortet und dich in dem Alter schon mit deinen eigenen Waffen schlägt. Was ist richtig, was ist falsch. Was gehe ich wie an. Immer das Gefühl es dann doch anders hätte machen müssen, ihr Unrecht zu tun.
Keine 10 min. später : sie anzugucken und zu denken; du hast das perfekteste Kind der Welt. Alles was sie macht das muss so sein. Das ist sie. Du willst sie nicht anders haben. Sie ist das Glück an jedem morgen beim aufstehen. Sie ist der ständig begleitende Gedanke. Sie ist das Gefühl nicht Atmen zu können, wenn sie mal nicht da ist. Sie hat dir gezeigt was grenzenlose Liebe ist. Sie ist für mich das Wort, dass du in keinem Duden finden wirst. Denn dieses Wort gibt es nicht.
Wunderschön geschrieben! Meine Eltern haben mir auch immer das Gefühl gegeben, dass ich jeder Zeit jedes meiner Gefühle mit Ihnen teilen kann. Sie sind immer für mich da. Jetzt bin ich fast 30 Jahre alt, habe immernoch ein tolles Verhältnis zu meinen Eltern. Ich hoffe so sehr, dass mein Sohn (10 Monate alt) sich auch immer genauso geborgen fühlt…
Ich danke dir für deine tollen Texte!