Anka ist 37 Jahre alt, als sie mit ihrem Mann, der als Wissenschaftler dort forscht, nach Indien zieht und ein neues Leben beginnt in einer anderen Kultur. Sie wird schwanger und merkt, wie sehr ihr gerade in dieser Zeit das Vertraute, die Familie, die Freunde fehlen. Hier berichtet sie von ihrem Weg durch die Schwangerschaft und warum es sie zur Geburt doch wieder nach Deutschland gezogen hat:
Es war an einem Sonntag während eines Spaziergangs durch Hirse- und Kichererbsenfelder als mir klar wurde, dass ich Mutter werden würde, während wir in Indien leben. Und so kam es dann auch: Wir waren nach einem halben Jahr Übergangszeit endlich in unser Haus eingezogen und schon war ich schwanger, als habe das Seelchen nur noch darauf gewartet, ein sicheres Nest zu haben.
Die ersten Monate Schwangerschaft in Indien und das Vermissen
Ein geborgenes Nest in einer so anderen Kultur zu gestalten ist nicht so einfach. Der Beginn meiner Schwangerschaft lag mitten im tiefsten Kulturschock, in einer Zeit, in der ich überwältigt war von all dem Fremden. Das zog sich auch durch die ersten Schwangerschaftsmonate. Mir war übel. Und ich vertrug die indischen Küche, die Gewürze, die Gerüche nicht mehr. Das machte das Leben ganz schön kompliziert, denn die Zutaten für vertraute Gerichte sind hier zum Teil gar nicht, nur schwer oder sehr teuer zu kriegen. Ich blieb zu Hause und rollte mich zusammen. Ich begann zu lesen und in das Mysterium von Schwangerschaft und Geburt einzutauchen.
Die mittleren drei Monate und ein Besuch zu Hause
Nach Ablauf der ersten drei Monate flog ich nach Deutschland und ließ mich von meiner Mutter bekochen. Wie gut das tat! Der Körper verlangt instinktiv nach dem was er braucht und dem was er kennt, dachte ich mir. Es tat gut, „ummuttert“ zu werden als werdende Mutter. Es tat gut, in dieser Phase des Neuen etwas Vertrautes zu erleben und zu spüren. Nach diesem Besuch in Deutschland war ich genährt – physisch und psychisch für die nächste Phase der Schwangerschaft.
Die Geburt in Indien planen – oder doch nicht?
Ich begann, alles vorzubereiten für eine möglichst geborgene Geburt. Die ersten Vorsorgeuntersuchungen machte ich in Indien. Aber mir war schnell klar, dass ich hier nicht gebären möchte. In den Kliniken gibt es kein Hebammensystem; die Tendenz der Mittelschicht geht zum terminierten Kaiserschnitt. Während in Deutschland diskutiert wird, ob Eltern das Geschlecht des Kindes erfahren wollen, ist es in Indien unter Androhung von Strafen verboten, das Geschlecht herauszufinden, weil Mädchen dann oft abgetrieben werden. – Ich merkte, wie ganz unterschiedliche Kulturen aufeinander trafen und ich mich in meiner Situation mit meinem Bedürfnis da nicht anpassen konnte und wollte.
Schon während meines Deutschlandbesuches hatte ich mir eine Hebamme gesucht, die mich auch in Indien per Email betreute. In der Heimatstadt meiner Eltern in Deutschland habe ich dann einen Platz im Geburtshaus reserviert und glücklicherweise dazu eine Wohnung für ein paar Monate gefunden, um rund um die Geburt in Deutschland bleiben zu können. Alles fügte sich für mich und mein Bedürfnis gut zusammen und ich war von Herzen dankbar. Dennoch vermisste ich gerade zum Ende der Schwangerschaft die Nähe und fühlte mich im Exil. In einem Buch las ich einen Mythos von einer Frau, für die mitten im Wasser ein Stück Land entsteht, auf dem sie ihr Kind gebären kann. Dieses Bild nahm ich als Symbol. Auch für mich würde ein Stück guter Boden entstehen, auch wenn jetzt gerade Nähe und Austausch fehlte.
Irgendwann in dieser Zeit empfahl mir eine Freundin Susannes Blog. Ich begann Elternblogs zu lesen. Weit weg von zu Hause, vom Austausch mit Freundinnen, von Kursen und Angeboten begann ich mich mit Hilfe dieser Blogs auf das Leben als Mutter, als Familie vorzubereiten. Viele, viele Fragen konnte ich so beantworten. Und auch dies stiftete mir Geborgenheit: übers Lesen mit so vielen anderen Frauen und Müttern verbunden zu sein, die meisten davon in der Kultur zu Hause, in der auch ich den größten Teil meines Lebens verbracht habe. Die Blogs sind zu einem wichtigen Bestandteil meines Alltags geworden, hier in der Fremde. Ich fühle mich über das Netz verbunden, habe Anschluss und eine Gemeinschaft.
Zu Beginn des 7. Monats flog ich dann zurück nach Deutschland. Zwei Monate waren wir getrennt, bis mein Mann nachkam. In dieser Zeit hatte ich noch Arbeit abzuschließen in einer anderen Stadt. Und auch ein leichter Rückkehrkulturschock blieb nicht aus, nachdem ich nun schon fast zwei Jahre in Indien verbracht hatte. Immer brauchte es Zeit und Ruhe, um wieder in die Balance zu finden.
Am 26. August wurde dann unsere Tochter geboren. Am Abend zuvor waren wir noch Tango tanzen, so wie wir es die ganze Schwangerschaft über taten. Keine zwei Stunden nachdem wir zu Hause waren begannen die Wehen.
Ein neues Zuhausegefühl
Das Gefühl vom In-der-Fremde-Sein hat mich die ganze Zeit begleitet, ebenso wie es immer wieder Momente des Ankommens, Momente der Geborgenheit gab. Die Umstände sind nicht immer geborgen. Für so viele von uns sind sie es nicht. Und auch das innere Zuhause ist nicht in jedem Moment da. Aber es kommt immer wieder zurück. Und ich hege und pflege es, ich bewohne und gestalte es, wie ich auch unser Zuhause in der Fremde gestaltet habe. Die Momente des Ankommens, des Zuhause-Seins feiere ich. Ich gebe ihnen so viel Raum wie möglich, ich lasse sie weit werden, bis sie mich und alle um mich herum einhüllen. Ich lasse sie tief in mich ein, bis sie in jede Zelle vordringen und leise flüstern: Du bist zu Hause. Hier, jetzt, in diesem Moment, in dieser Welt. Ein neues Zuhausegefühl, das seine Zeit brauchte.
Anka schreibt auch auf ljuno über ihren Alltag in Indien mit ihrem Kind, wo sie jetzt seit 3 Jahren leben. Bilder aus ihrem Alltag findest Du auch auf Instagram hier.