Ein Jahr als Dreikindeltern

Nun wird in diesen Tagen mein drittes Kind ein Jahr alt und ich blicke zurück auf ein Jahr als kinderreiche Familie. Denn genau das sind wir jetzt: kinderreich. Als ich anderen von meiner Schwangerschaft mit dem dritten Kind berichtete, waren die Reaktionen nicht immer freundlich. Nicht alle waren davon überzeugt, dass viele Kinder ein Gewinn sind oder ein drittes Kind unser Familienleben bereichern könnte. Nun blicke ich auf dieses Jahr zurück, das so voll war von Erlebnissen. Ich erinnere mich an viel Lachen, an viel Liebe, aber natürlich auch Tränen und Verzweiflung. Das Leben mit drei Kindern? Es ist ein Abenteuer – das ich niemals missen möchte.

Allen Kindern gerecht werden?

Die Umstellung von einem auf zwei Kindern war nicht immer einfach. Damals war ich sehr mit der Frage danach beschäftigt, wie ich allen Kindern gerecht werden könnte. Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass das nicht notwendig ist, denn Geschwisterkinder können nicht wie Einzelkinder aufwachsen. Ich kann ihnen nicht in der Weise gerecht werden, wie ich nur einem Kind gerecht wurde. Doch daran ist auch nichts Schlimmes, denn dieser Umstand eröffnet noch ganz andere Möglichkeiten und Freiräume zur Entwicklung von Kindern. Dieses Wissen ließ mich entspannter in die Elternschaft mit drei Kindern starten.

Natürlich haben die großen Kinder auch Probleme mit der Umstellung gehabt. Natürlich haben sie sich auch gestritten, vor allem mit uns Erwachsenen. Denn es ging auch hier, wie so oft im Leben mit Kindern, um Ressourcen: Wer bekommt wovon mehr und bekomme ich vielleicht zu wenig? Liebe, Zuwendung, Kuscheleinheiten, Nahrung, Spielzeug. All das sind Themen, die immer wieder da sind im Leben mit mehreren Kindern. Sie sind normal. Manchmal sind sie erschöpfend, denn wir Erwachsenen wissen ja und sorgen dafür, dass keines unserer Kinder zu wenig Ressourcen bekommt. Aber das ist ihre Angst, die wir annehmen müssen. So sehr dies auch manchmal unnötig erscheint und so sehr wir erschöpft sind davon, dieses Thema immer wieder behandeln zu müssen.

Wir können ihnen nicht gleichzeitig gerecht werden. Aber wir können Zuwendung gerecht verteilen. Unsere Liebe wird nicht aufgeteilt, sie wird mehr. Sie verdoppelt, verdreifacht, vervielfacht sich einfach mit jedem weiteren Kind. Und diese Fähigkeit ist es, die es uns ermöglicht, unsere Kinder weiterhin ganz wahrzunehmen.

Geschwisterliebe

Bei aller Erschöpfung, die die ewigen Diskussionen mit sich bringen, zaubert sich immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht durch die unglaubliche Liebe der Geschwister. Die Kleinigkeiten, wenn die beiden großen Kinder zusammen kuscheln, die Große dem Mittleren vorliest oder hilft. Das unterdrückte Lachen, wenn die Kinder gemeinsam Unsinn angestellt haben und der Mittlere dem Kleinsten heimlich etwas von seiner sorgsam aufbewahrten Schokolade abgibt. Dinge, die den Kindern so viel Wert sind, werden geteilt. Ohne Eingreifen von uns Erwachsenen, einfach von ihnen heraus. In diesem ganzen Jahr wurde das kleinste Geschwisterkind nicht gehauen oder gekniffen oder gekratzt von den größeren Geschwisterkindern. Ab und zu wurde es im Eifer des Spiels umgerannt oder vor das Zimmer getragen, damit es nicht stört. Aber die Kinder haben erkannt: Diesen kleinen Menschen müssen wir schützen und umsorgen. Und mit den Erwachsenen tragen wir unseren Streit aus, wenn wir uns benachteiligt fühlen – denn dort ist das Problem an der richtigen Stelle, nicht beim Baby. So sehr ich in diesem einen Jahr auch manchmal genervt war von Kindern, die sich wegen (aus meinen Augen) Kleinigkeiten bei mir beschweren, so glücklich war ich gleichzeitig darüber, dass sie sich bei mir beschweren. Dass sie nicht denken, dass ihr kleines Geschwisterkind die Ursache dafür ist, dass sie von irgendwas zu wenig bekommen, sondern dass sie ihre Rechte direkt bei uns einfordern.

Abenteuer Alltag

Ein Alltag mit drei Kindern ist eine Herausforderung. Nicht, weil die Kinder eine Herausforderung sind in ihrer Anzahl, sondern weil es die Rahmenbedingungen sind, die schwierig werden. Eltern brauchen Unterstützung – je mehr Kinder sie haben, desto dringender ist dies. Es sind die alltäglichen Dinge, die manchmal auch hier zur Herausforderung werden: ein Kind möchte zum Sportkurs, das andere zu einem Spielfreund und das Baby ist gerade krank. Organisation ist im Alltag mit drei Kindern wichtig. In diesem einen Jahr haben wir gesehen, dass unsere Arbeitsstrukturen mit einer großen Familie auf Grenzen stoßen. Mit vielen Kindern und zwei arbeitenden Eltern braucht man Flexibilität: für Krankheitstage, Kitaschließzeiten, Schulferien, Verabredungen, Arzttermine etc. Wenn ich arbeite, muss mein Mann Urlaub nehmen, um das Baby zu versorgen. Diese Urlaubstage fehlen für die Erholungszeiten. Warum kann man Elternzeit nicht wochenweise nehmen? Auch entsteht Unverständnis, wenn Familienkarten für zwei Erwachsene und zwei Kinder ausgelegt sind. Oder wenn man mit drei Kindern in der vollen Bahn steht und niemand auch nur ansatzweise einem der kleinen Kinder einen Platz anbietet und man als Erwachsener aufpassen muss, dass keines der Kinder angerempelt wird oder umfällt. Es ist die Gesellschaft, die das Leben mit Kindern – und gerade mit vielen Kindern – manchmal schwer macht. Nicht die Kinderzahl an sich.

Gelassenheit – die Kinder sind in der Überzahl

Doch neben allen Gedanken und Umplanungen haben wir vor allem auch eins erlangt als kinderreiche Eltern: Gelassenheit. Es gibt kaum etwas, das wir in all den Elternjahren noch nicht erlebt hätten. Wir kennen Krankheiten, haben mit Kindern hohen Fieber erlebt, sogar schon einen Fieberkrampf, haben blutende Wunden versorgt, Nächte durchgemacht wegen wachsender Zähne. Während das erste Kind erst irgendwann im zweiten Lebensjahr die erste Süßigkeit bekam, hat das dritte Kind diese schon recht früh einem Geschwisterkind zugesteckt bekommen. Wir wissen heute: es geht schon, es wird schon gut. Und diese Gelassenheit ist ein ganz besonders schönes Geschenk für die Elternschaft.

Ich habe nach dem ersten Jahr mit zwei Kindern den Text „Noch nie so viel gelacht, geweint gekuschelt“ geschrieben. Nun, nach dem dritten Kind, könnte ich ihn fast wiederholen. An einigen Stellen ein wenig anders, aber ja: Jedes Kind bringt einen Zauber in unser Leben und stellt gleichzeitig alles auf den Kopf. Jedes Kind will gesehen und kennengelernt werden. Keines läuft einfach nur so mit. Und doch läuft das Leben weiter, weil wir es kennen und an vielen Stellen beruhigt nickend auf eine Szene des Lebens blicken können, die uns beim ersten Kind vielleicht verzweifeln ließ. Mein erstes Jahr mit drei Kindern war so voll an Erlebnissen, so voll an Liebe, Freundschaft, Unterstützung, dass ich wirklich reich beschenkt wurde. Es war auch ein Jahr mit Tränen, mit Durchhaltegefühlen und Sorgen. Alles in allem ein gutes Jahr, ein aufregendes Jahr. Ein Jahr, das ich nicht missen wollen würde. Mein erstes Jahr als Dreikindeltern in einem Wort? Liebetränenglücksgefüllt.

Eure

5 Kommentare

  1. Franziska Williner Feifel

    immer wieder gut geschrieben. danke für deine texte. ich überlege gerade, wie es war, das erste jahr mit drei kinder…ähnlich wie bei euch. nun ist es das erste jahr mit vier kinder. erst jetzt merke ich , dass es aufwendig ist. man muss unheimlich gut planen, organisieren und einfach seine zeit den kindern widmen. ich bin super glücklich und auch manchmal super erschöpft mama von vier super kinder zu sein!

  2. Liebe Susanne
    Danke! Ein riesiges Danke für diesen wunderbaren Text. Du beschreibst, was ich auch immer wieder feststelle: Wenn es schwierig wird, sind es meist gar nicht die Kinder. Es sind die Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft. Ich hoffe, dass ich das so oft wie möglich klar sehen und dadurch liebevoll und entspannt mit meinen Kinder zusammenleben kann und nicht sie als Grund für Stress oder ungute Gefühle empfinde. Und egal, um das wievielte Kind es sich handelt: Ich freue mich so wahnsinnig, bald einen neuen, ganz eigenen wunderbaren Menschen kennenlernen zu dürfen.
    Liebe Grüsse, Martina

  3. Ein wunderschöner Text, den ich komplett so unterschreiben kann weil ich das auch so empfinde (Gesellschaft) und erlebe (die Geschwisterliebe).

  4. Ich habe auch 3 Kinder, der Jüngste feierte letzten Samstag seinen 2 Geburtstag und ich kann vieles unterschreiben. Ich bin zwar zur Zeit noch zu Hause mit dem Kleinsten, aber auch so ist es oft eine organisatorische Herausforderung. Auch das einem meist mehr die Rahmenbedingungen Probleme/Stress machen wie die Kinder, kann ich unterschreiben. Eins ist unser Leben zu 5 sicher nicht, langweilig, irgendetwas ist irgendwie immer, aber ich möchte es nicht missen.

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