Zuwendung und Abwendung

Zuwendung hat viele Gesichter: Sie kann ganz direkt erfolgen, indirekt und manchmal bedeutet Zuwendung gerade auch, dass wir etwas nicht tun, uns nicht aufdrängen, sondern lieber etwas abrücken. Zuwendung kann ganz nah sein oder ganz fern.

Sich einem Menschen zuzuwenden, bedeutet manchmal, dass wir uns aktiv an ihn wenden: Wir blicken ihn an, wir tun etwas für ihn. Wir können uns unserem Baby zuwenden, mit ihm reden und spielen, es massieren und besingen. All diese Sachen liebt es. Vielleicht strampelt es vor Freude, gurrt oder brabbelt und lächelt. Diese besonderen Momente der Zuwendung erfreuen uns gemeinsam: Eltern und Kind. Sie bringen uns einandere näher, stärken das gegenseitige Verstehen. Wir lächeln unser Baby an und es lächelt dank seiner Spiegelneurone zurück und speichert: Dies ist ein schönes Spiel, das gute Gefühle in mir hervor bringt und das zeige ich mit meinem Lächeln so wie mein Gegenüber auch lächelt. Gefühl und Mimik passen zusammen.

Aber jedes Spiel hat ein Ende, denn irgendwann ist das Baby erschöpft. Es blickt zur Seite, sein Lächeln wird schwächer und hört irgendwann auf. Es braucht nun Ruhe und möchte nicht mehr mit neuen Reizen gefordert werden. Das Baby zu verstehen bedeutet jetzt, es zu lassen und ihm eine Pause zu gönnen. Wir sind zugewandt indem wir uns abwenden.

Auch die Kindergarten- oder Schulkinder brauchten eine Zeit der Ruhe. Nach einem abenteuerlichen Tag mit Freunden sitzen sie vielleicht verträumt auf dem Bett, hören ein Hörspiel, sehen die Wand an und träumen mit offenen Augen. Sie müssen nicht beschäftigt werden, sie brauchen die Zeit. Anregung und Entspannung im Gleichgewicht.

Und auch wir Eltern brauchen beides: Die Zuwendung von anderen und manchmal auch einfach die Ruhe für uns. Menschen, die helfen, anpacken, die unterstützen, die zuhören, die da sind. Menschen die mitlachen, weinen oder Schultern zucken. Und manchmal brauchen wir auch den Moment der Ruhe. Das Geheimnis still in sich tragen. Anderen Menschen nichts sagen, sondern für sich behalten, einen Schutzraum für sich schaffen. Manchmal braucht man Ruhe, um Gedanken zu sortieren.

Manchmal ist es ein Geschenk, das man dem anderen machen kann, wenn man da ist ohne da zu sein. Es reicht zu wissen, dass jemand in der Nähe ist. Das Gefühl reicht. Bei Babys, Kindern und auch bei uns. Jemand ist da, der sich zuwenden könnte.

Eure

2 Kommentare

  1. Danke. Ich muss immer wieder lernen, dass mein Mann nach der Arbeit erstmal ankommen und da sein muss, seinen Schutzraum braucht, bevor er sich uns ganz zuwenden kann. Dann hat er auch mehr Nerven, dass er mir und unserer Tochter unseren nötigen Raum geben kann.

  2. Ein schöner und wichtiger Artikel. Ich frage mich allerdings, wie kann man lernen solche Signale besser zu deuten? Mir fällt es selbst sehr schwer Körpersprache zu lesen, sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen.
    Meine Tochter kenne ich heute als Kleinkind sehr gut und bin oft erstaunt, dass andere Eltern ihre Angst nicht erkennen (sie „versteinert“, wenn Fremde sie anfassen, andere deuten das häufig als „braves“ Stillhalten). Als sie ein Baby war, hatte ich aber enorme Probleme ihre Signale einzuordnen.

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