Vor 1,5 Jahren schrieb ich einmal darüber, wie es so ist, zwei Kindern gerecht werden zu wollen. Damals war an den Babysohn noch nicht zu denken. Heute bin ich Mutter von drei Kindern. Drei Kinder unterschiedlichen Alters mit Wünschen. Dreimal Mutter mit zwei Händen. Und ich habe eine große Erkenntnis gewonnen: Ich wünschte, das zweite Kind wäre schon das dritte gewesen, denn es gibt so viele Fragen, die sich nicht mehr stellen. Zum Beispiel die danach, wie man allen Kindern gerecht wird. Denn: Man wird es nicht. Jedenfalls nicht auf die Weise, wie man bei einem Kind dachte, dass man es müsse. Man wird es schließlich doch, aber eben ganz anders.
Wenn ich daran denke, wie es mit nur einem Kind war, dann lächel ich manchmal über mich selbst. So viele Gedanken, so viele Sorgen, so viele „Regeln“ dazu, was wann und wie aber noch nicht so früh oder zu spät gemacht werden sollte. Denn mit dem zweiten Kind kam dann alles anders und viel ungeplanter. Und das dritte, nun, da werde ich wohl auch wieder sehen, dass heimlich ein großes Geschwisterkind mit der Beikost beim Baby anfängt. Denn das besondere an Geschwisterkindern ist, dass man natürlich auch ihre Bedürfnisse befriedigen muss, aber es gibt noch so viele mehr in der Familie, die das tun und die man es tun lässt – auch die größeren Geschwister.
Einer allein muss niemandem gerecht werden – zusammen geht es besser
Ich glaube heute, es ist gar nicht der richtige Ausdruck, wenn wir darüber nachdenken, ob wir einem Kind „gerecht werden“ können. Wir können Bedürfnisse wahrnehmen und befriedigen. Wir können da sein und zuhören und zugewandt sein. Aber ganz allein werden wir nur schwer einem Kind gerecht. Denn es tut so gut, wenn wir mehrere sind für ein Kind: Wenn wir andere unterstützende Hände haben und auch, wenn wir uns selber einfach mal zurück nehmen können und einfach nur Zeit für uns haben. Das zu erkennen, ist beim ersten Kind für mich noch schwer gewesen. Erst im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass ich gar nicht alles selber machen muss, ja mein Kind das gar nicht braucht und will. Beim zweiten Kind wurde dann klarer, dass ich allein diese große Aufgabe gar nicht übernehmen kann und muss. Kinder brauchen andere um sich und nehmen gerne auch andere helfende Hände entgegen.
Der Perspektivwechsel
Aber was bedeutet dieses „gerecht werden“ eigentlich für ein Kind? Es bedeutet, seine Bedürfnisse wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Das ist natürlich bei einem einzelnen Kind einfacher. Doch mit mehreren Kinder ergibt sich hieraus auch eine große Chance: Denn wir sehen die Kinder wirklich nach ihrem Alter differenziert an. Und ein dreijähriges Kind, das ein kleines Babygeschwisterchen bekommt, kann aus neuen Augen betrachtet werden. Es kann gesehen werden als großes Geschwisterkind und vielleicht werden ihm dadurch ganz andere Aufgaben ermöglicht als zuvor. Es ist nicht mehr das kleinste Kind, es ist das große Kind und darf es auch sein. Und wir Eltern dürfen die Perspektive ändern und wahrnehmen, was dieses große Kind alles schon kann und dass ein Warten auch in einem bestimmten Rahmen gut machbar ist. Das große Kind kann klein sein und zugleich darf es auch wachsen und sich neuen Herausforderungen stellen.
Gelassenheit
Mit einem weiteren Kind wachsen nicht mehr Hände und Füße an den Eltern. Aber es wächst die Gelassenheit. Die Erkenntnis, dass das schon so läuft. Nein, wir können nicht immer sofort springen (schon gar nicht in verschiedene Richtungen) – aber wir müssen es auch gar nicht. Manchmal brauchen wir Eltern einfach noch ein oder zwei Kinder mehr, um das wirklich zu verstehen. Große Kinder lernen, dass sie sich kümmern können. Sie lernen, was Empathie wirklich ist und haben die Chance, zu erfahren, dass ein Aufschieben keine Absage ist. Sie werden noch einmal anders groß – mit allen negativen Aspekten, aber auch den vielen, vielen positiven Dingen, die kleine Geschwister mir sich bringen. Sie erfahren viel über sich, über ihr Verhältnis zu anderen und auch, dass wir Eltern für sie da sind. Denn natürlich sind wir das auch bei jedem weiteren Kind: Wir sind die Eltern, die es lieben, die sich ein schönes Leben für ihr Kind wünschen und alles dafür tun, was uns möglich ist. Und manchmal, gerade im Leben mit Kindern, ist weniger einfach mehr. Weniger Gedanken machen, weniger einmischen, weniger Regeln. Und so klappt es dann auch, allen ihr Stück zukommen zu lassen vom großen Familienkuchen.
Eure
Danke vielen Dank für diesen Beitrag. Ähnliche Gedanken, als Mutter von einem Sohn , gingen mir schon oft durch den Kopf.
Lieben Gruß, Mareike
Ich habe mal einen ganz ähnlichen Artikel geschrieben. Und ich kann dir nur Recht geben: Mit jedem Kind sieht die Welt auf einmal ganz anders aus. Und irgendwie werden die Sorgen nicht mehr, sondern weniger.
Man ist halt einfach erfahrener.
Ich hoffe dass es bei uns auch so wird. Heute habe ich dazu aber mal eine Praxisfrage. Mein Großer ist 2 und die kleine Maus ist 8 Monate. Gestern abend gab sich folgendes Bild: Der Große wollte endlich selbstbestimmt ins Bett. Wir haben damit erst vor kurzem angefangen, daher ist er doll müde wenn er dann freiwillig ins Bett will und dementsprechend leicht reizbar. Gestern wurde aber zur gleichen Zeit die Kleine wach und hat sich ohne Stillen nicht beruhigen lassen wollen. Also bin ich vom Großen zur Kleinen ins Schlafzimmer und mein Mann ist zum Großen rein. Ich hab ihn nur noch „Meine Mama“ brüllen hören. Der Papa hat zwar versucht ihm zu sagen, dass Mama seine Schwester stillen muss, aber er hat nicht aufgehört. Nach fünf Minuten war dann Ruhe und laut meinem Mann, hat er dann die Hand von Papa gewollt, vorher war Anfassen absolut nicht gewünscht, und war dann recht schnell eingeschlafen.
Aber was kann ich praktisch da tun? Ich mag es nicht wenn eins meiner Kinder sich halb in den Schlaf brüllen muss, nur teilen kann ich mich auch nicht. Das Baby mit in sein Zimmer zu nehmen ist auch keine Option, weil sie dann nur neugierig rum schaut und nicht einschlafen wird…
Ich bin bei sowas echt ratlos…
Ich denke das Baby geht erstmal vor, wenn es stillen möchte, auch wenn es für den Sohn schwer ist…Der Papa war ja bei ihm und er war nicht allein als er eingeschlafen ist….
Hallo Claudia! Ich kenne dein Problem! Vorweg, es wird sich eure individuelle Lösung entwickeln. Mein Großer ist jetzt knapp 2 1/2, meine Kleine 14 Monate und bis vor wenigen Monaten hab ich beide noch in den Schlaf gestillt. Das Einschafstillen hab ich ihm so sanft wie möglich abgewöhnt, dann ist er immer auf dem Sofa eingeschafen bis ich die Kleine im Bett hatte, bzw. hab ich dann irgendwann gewartet bis er eingeschlafen ist. Vor ein paar Tagen haben wir ihn dann mit neuem Spielzeug in sein Zimmer gelockt und seitdem will er von selbst mit seinem Papa in sein Zimmer, spielt dann noch ein bisschen und schläft irgendwann friedlich in seinem Bett ein.
Ich war zeitweise auch am verzweifeln, aber es wird immer irgendwie.
Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen helfen und wünsche dir viel Kraft für diese Übergangszeit.
Liebe Susanne, das klingt alles sehr schön… ich würde es aber nicht unterschreiben… ich habe „nur“ zwei und bin darüber auch sehr dankbar und glücklich, aber ich finde nicht, dass alles leichter wird…. vieles Alltägliche schon, weil man einfach routinierter wird, aber gerade dieses „gerecht werden“, finde ich schon schwierig… ich finde es manchmal emotional ziemlich herausfordernd und stelle es mir mit jedem Kind schwieriger vor. Meine Große liebt ihr Schwester so heiß und innig, hat aber auch sehr damit zu tun, dass sie nun nicht mehr allein ist und das zerreißt mich oft.
Kannst du nicht mal was über Geschwistereifersucht schreiben und wie du damit umgehst? Oder gibt es sowas bei euch gar nicht???
Ich habe gerade erfahren, dass ich mit dem 3. Schwanger bin. Die großen sind 3 und fast 2. Und ich plötzlich in Panik..Danke. genau so eine Sichtweise habe ich gerade gebraucht!! Ich persönlich finde mit 2en vieles einfacher, sie sind 16 Monate auseinander und spielen viel zusammen. Aber gerade der älteste will öfter mal was mit mir allein machen, und mit 3 wird das ja nicht einfacher. Aber es wird gehen.
Liebe Susanne,
das hast Du sehr schön geschrieben und genau das war auch meine Erkenntnis nach der Geburt unseres zweiten Kindes vor 10 Monaten. Und diese Erkenntnis kam jetzt erst, nach 10 Monaten, innerem Konflikt mit mir und diesem Kampf es perfekt machen zu wollen. Es genauso weiter zu führen wie mit nur einem Kind, jedem gerecht zu werden und vor allem beiden Kindern die gleiche Aufmerksamkeit zu geben, alle Bedürfnisse zu erfüllen etc…. Die Erkenntnis kam jetzt, nachdem es mich dahin gerafft hat am Rande des Burnouts, ohne Schlaf weil ich jede Nacht bis zu 15 Mal wach bin mit dem kleinen Sohn. 10 Monate die ich mich gegeißelt habe, mich selber schlecht gemacht habe weil ich immer das Gefühl hatte am Ende des Tages nicht genug getan zu haben, nicht jedem genug Aufmerksamkeit gegeben zu haben, der Haushalt auch nicht mehr so perfekt lief. Ich hab mich runter gewirtschaftet, um jetzt nach fast einem Jahr endlich begriffen zu haben, daß ich alles richtig gemacht habe. Das ich nur hätte meine Sichtweise und meine Ansprüche an mich selber hätte ändern müssen. Meinen Kindern ging und geht es super, ich hätte mir das ganze Martyrium sparen können. Aber es brauchte diesen Wandel, dieses reflektieren was da gerade geschieht. Dieses gemeinsame wachsen als Familie und das für jeden einzelnen von uns. Ich hätte mir nie die Mühe machen müssen, irgendetwas für andere mehr zu tun und dabei selber kaputt zu gehen. Nun bin ich schlauer, denn auch mir sind in der Zeit nicht mehr Hände und Füße gewachsen, aber der Geist und die Erkenntnis sind gewachsen 🙂 Liebe Grüße Melanie
Liebe Susanne,
vielen Dank für deinen tollen Text. Ich folge dir schon lange und doch bin ich heute erst auf deinen Text gestoßen. Ja. Viele Sachen sind einfacher geworden mit zwei Kindern, aber unser Grosser (5) scheint noch ein Jahr danach mit dem Nicht-Mehr-Einzelkind-sein zu kämpfen. Er fordert sehr viel Einzelspielzeit mit dem Papa ein. Das ist auch gerade der Punkt, der uns trotz des sonst großen Wunsches nach einem 3. Kind uns davon Abstand nehmen lässt. Leider.