Manchmal fällt es mir schwer, mich vom Perfektionswahn zu befreien. Dabei bin ich von Perfektion schon ziemlich weit weg, wenn es um den Zustand unserer Wohnung geht. Mit jedem Kind hat das Bedürfnis (und vor allem auch die Fähigkeit) zu einer perfekt aufgeräumten Wohnung abgenommen. Es gibt Orte in der Wohnung, die mir besonders wichtig sind, dass sie aufgeräumt sind für mein Wohlbefinden: der Esstisch, das Bad, die Fläche in der Küche, auf der ich das Essen zubereite. Und es gibt Orte, bei denen ich einfach nicht mehr so genau hinsehe: das staubige Bücherregal, die Wollmäuse unter dem Sofa. Aber ein wenig stört es mich doch immer. Besonders dann, wenn Besuch ansteht. Hektisch versuche ich dann oft, doch noch ein wenig mehr aufzuräumen, etwas mehr zu putzen. Dieses Gefühl, es müsse doch ordentlich sein, sitzt schon ziemlich tief. Außer wenn meine Alles-egal-Freundin kommt.
Natürlich frage ich mich auch immer, woher denn dieser Wunsch nach absoluter Sauberkeit und Ordnung kommt. Macht es mich wirklich zu einem besseren Menschen, wenn die Wohnung blitzt und blinkt? Was sagt es über mich aus, wenn ich es schaffe, neben Kindern und Arbeit auch eine ordentliche Wohnung zu bewerkstelligen? Bin dann besser organisiert? Reicht es nicht schon, dass ich drei Kinder und die Arbeit, Partnerschaft, Freunde miteinander in Einklang bringe? Niemand sagt Worte wie: Wie toll, dass Du es immer schaffst Dein Kind pünktlich von der Schule abzuholen. Oder: Super, dass Du immer Taschentücher dabei hast. Die Menschen schauen eher auf saubere Schuhe oder eben den Zustand der vier Wände. Hach, wie schön ordentlich es immer bei Dir ist. Doch meine Alles-egal-Freundin freut sich, wenn ich Kaffee zu Hause habe und mit ihr zusammen am Tisch sitze, der nicht einmal aufgeräumt sein muss. Schön, dass Du einen Kaffee für mich hast.
Ob meine Kinder mehr davon lernen, wenn sie in einer blitzblanken Wohnung groß werden würden? Sie sehen hier bei uns: Auch eine Wohnung ist Arbeit und wir alle müssen anpacken, damit sie ordentlich bleibt. Jeder hat seine Aufgaben je nach Alter und auch die Kinder decken den Tisch, befüllen die Waschmaschine, bereiten das Essen mit vor und räumen dann wieder die Küche mit auf. Sie lernen und sie sehen auch: Wenn man nichts macht, macht es sich auch nicht allein. Und sie erfahren: Es braucht viele Hände, um eine Familie zu versorgen. Und vor allem sehen sie: So ist es eben. Es muss nicht alles perfekt sein, es reicht gut genug. So wie wir nicht perfekte Eltern sein müssen, sondern nur gut genug muss auch alles andere nicht immer perfekt sein. Mit meiner Alles-egal-Freundin lache ich oft darüber, dass das Chaos immer ein wenig bei uns wohnt. Bei ihr wie bei mir.
Manchmal fällt es mir schwer, das anzunehmen. Und ich hoffe, dass meinen Kindern es einmal anders geht. Dass sie nicht auf die Äußerlichkeiten achten, sondern auf das, worum es beim Zusammenleben wirklich geht. Dass sie von Anfang an lieber die Dinge ruhen lassen und sich den Menschen zuwenden. Dass sie es schaffen, sich nicht verunsichern zu lassen, weil es doch so sein müsse oder sie es in Zeitschriften so sehen. Und ich wünsche mir, dass auch sie Alles-egal-Freundinnen und -Freunde haben: Die, die man immer zu Hause hinein lässt, weil sie einem immer gut tun und es ganz egal ist, wie dabei die Wohnung aussieht. Die, die gar nicht die Unordnung des Familienalltags sehen, sondern das charmante Chaos des Lebens, das eine Familie mit sich bringt. Die, mit denen man sich trotz allem drum herum zusammen hin setzt, einen Kaffee trinkt und lachen kann über all dies.
Auf die Alles-egal-Freundinnen und -Freunde dieser Welt. Schön, dass es Euch gibt!
Eure
Solche Freundinnen sind Gold wert.
Ich bin immer schon froh wenn eine Bekannte zu mir sagt „Bei dir sieht man ja, dass wenigstens ab und zu mal geputzt wird“ hahaha, ja ab und zu, oft vor Besuch oder lustig, bevor die Babysitterin kommt, dann ist mir mein Schweinestall nämlich peinlich
Tja, was soll ich sagen… Dieser Artikel passt wie Faust aufs Auge zu meinem Morgen. Heute Mittag kommen meine Eltern zu Besuch, nur kurz, und trotzdem habe ich heute Morgen erstmal anderthalb Stunden damit verbracht, Küche, Wohn- und Schlafzimmer in Ordnung zu bringen… Sogar den Abstellraum habe ich ein bisschen aufgeräumt!
Kenne diesen Perfektionismus also nur zu gut und schaffe es (noch) selten, mich davon zu lösen. Genau wie bei dir, Susanne, vor allem wenn ich weiß, dass Besuch kommt.
Irgendwie ein bisschen beruhigend, zu wissen, dass es nicht nur mir so geht. 🙂 Danke für diesen Artikel! Auf die Alles-Egal-Freunde des Lebens =)
Solch gute Freunde zu haben ist wirklich toll! Ich habe auch eine Alles-egal-Freundin mit der es einfach schön ist, Zeit zu verbringen, ohne sich vorher ein Bein auszureißen. Die Treffen sind einfach ungezwungen und ich wünschen jedem, eine solche Freundin 😉