Über das Annehmen und Sehen

An manchen Tagen ist es nicht einfach zu erkennen, was eines meiner Kinder wirklich bedrückt. Ich könnte sagen, dass sie vielleicht „einfach schlechte Laune“ haben und so fühlt es sich auch an: Manchmal beginnt diese schlechte Laune schon morgens: das Frühstück ist falsch, die Lieblingssachen sind in der Wäsche, die Lieblingsbrotdose im Geschirrspüler,… Es ist einfach alles falsch, wie es scheint. Und egal wie sehr wir uns anstrengen, der Tag wird nicht besser. Manchmal ist es nicht rauszufinden, was wirklich dahinter steckt. Manchmal können die Kinder es nicht benennen und ich kann es nicht begreifen. Es bleibt nur das Annehmen und das Gefühl zu vermitteln, es zu sehen. Sie zu sehen.

So sehr ich mich manchmal bemühe, kann ich doch nicht nachfühlen, was meine Kinder gerade fühlen: Warum sie jetzt gerade so wütend sind, warum sie gerade heute nicht mit der sonst besten Freundin spielen wollen. Ich kann sie fragen, gehe in Gedanken die Ereignisse durch und doch finde ich einfach nicht den Zugang zu ihnen und ihren ganz eigenen Gedanken. Ich bin nicht sie, fällt mir an diesen Tagen auf. So sehr ich mich auch bemühe, werde ich mich nicht ganz in sie hinein versetzen können. Doch was ich tun kann, ist wahrzunehmen, dass heute etwas anders ist als sonst. Sehen, auch wenn ich nicht nachfühlen kann.

Dieses Hinsehen ist an solchen Tagen oft schon eine große Hilfe. Es anzunehmen, dass gerade etwas anders ist und das Kind auch ein Recht darauf hat, nicht jeden Tag bestens gelaunt und ein kleiner Sonnenschein zu sein. Wer von uns Erwachsenen ist schon so? Warum sollten wir von unseren Kindern dann erwarten, dass sie immer bestens gelaunt sein müssen?

Ein Kind wirklich anzunehmen bedeutet, es ernst zu nehmen in seinen Gefühlen. An guten wie an schlechten Tagen. Natürlich fällt es uns leicht, ein Kind zu lieben, das wenig weint und gute Laune hat. Doch lieben bedeutet eben auch, die andere Seite sehen und akzeptieren zu können. Wahre Liebe bedeutet, hinzusehen. Einem Menschen Aufmerksamkeit entgegen zu bringen und ihn wirklich wahrzunehmen – auch wenn man diese Seite gerade nicht mag. Es ist das größte Geschenk, das wir machen können, wenn wir einfach da sind, wenn wir hinsehen und ihnen zeigen, dass wir es tun. Auch dann, wenn wir manchmal nicht verstehen. Das Sehen und Annehmen reicht aus.

Eure
Susanne_clear Kopie

 

4 Kommentare

  1. kidsaholic

    Danke für diesen wunderbaren Beitrag! Als ich Kind war, war es nicht üblich, dass die Kinder mit all ihren Gefühlen angenommen und gesehen wurden. Entweder wst man brav, oder schlimm. Gehorsam oder unwrzogen. Deshalb musste ich es als Mutter erst lernen, meine Kinder anders zu begleiten. Sie nicht nur lieben, sondern mit meinem Verhalten zu zeigen. Ich sehe dich! Ich liebe dich und nehme dich an, so wie du bist. Leider erlebe ich sehr oft, dass Kinder nicht gesehen werden. Da heißt es:“ deswegen brauchst du jetzt aber nicht weinen. Wenn du weinst, dann erreichst du gar nichts. Was führst du dich so auf. Ist ja nix passiert etc… Ich bin mir sicher, dass die Eltern es gut meinen, und ihr Kind eventuell auf diese Weise trösten wollen. Jedoch bin ich deiner Meinung, dass Kinder mit all ihren Gefühlen gesehen und diese anerkannt werden sollen, auch wenn wir es nicht immer verstehen können! Durch diese Empathie wird unsere Beziehung zu unseren Kindern gestärkt und leben ihnen vor, Mitgefühl zu zeigen.
    Alles Liebe, Manuela

  2. HAMMAmama Barbara

    Liebe Susanne,

    das hast du wunderbar auf den Punkt gebracht.
    Ich denke dass es ein Grundbedürfnis von allen Menschen ist, ob klein oder groß, wirklich GESEHEN zu werden. Und so angenommen zu werden wie sie sind, mit ALLEN Facetten die sie ausmachen.

    Danke für die schönen Worte. Dein Beitrag mahnt mich, wieder mal mehr hinzusehen bei meinen Kurzen.

    Liebe Grüße
    HAMMAmama Barbara

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