Gerade sitze ich viel bei meinen Kindern und beobachte sie: Wie sie miteinander umgehen, wie sie sind. Ich schaue mir an, welche Positionen sie in unserer Familie einnehmen und welche Temperamente zusammenkommen. Im nächsten Jahr wird ein drittes Kind dazu kommen. Es wird einiges verändern an uns Eltern und auch an ihnen als Kindern. Aber die Große bleibt die Große, der Kleine wird zum Mittleren. Ein weiteres Kind verändert nicht nur bei den Eltern etwas, sondern auch bei den Kindern. Trotz allem wird wohl eines bleiben: Meine große Tochter bleibt das Vorbild des Sohns.
Meine eigenen Brüder sind so viel älter als ich gewesen, dass wir eigentlich schon kaum noch als Geschwister wahrgenommen wurden. Ein Jahr nach meiner eigenen Geburt wurde mein ältester Bruder schon Vater. Und doch sind sie meine Brüder und ich habe immer ein wenig zu ihnen aufgeschaut als Kind. Bei meinen eigenen Kindern ist es heute anders: Etwas mehr als 3 Jahre trennen sie. Eine lange Zeit für ein Kind und doch noch nah aneinander.
Wenn wir unterwegs sind, sehe ich, wie mein Sohn der großen Schwester durch das Laub hinterher rennt. Wohin sie geht, geht auch er. Was sie sagt wird nachgesprochen. Mit einem Holzstock läuft sie klirrend am Zaun entlang. Er sucht einen Stock und tut es ihr gleich. Nicht nur im Spielzimmer müsste alles doppelt vorhanden sein, auch das Leben an sich muss alles in zweifacher Ausführung bereit halten. Er ist das kleine Echo.
An vielen Tagen ist sie, die Große, genervt: „Sag mir nicht immer alles nach!“ höre ich sie rufen. „Ich will auch so einen Stein haben!“ schreit er draußen und rennt seiner Schwester hinterher. Sie ist das große Wunder. Der Mensch, der ihm in den Gedanken in unserer Familie noch am nächsten ist. Ein Mensch, der auch Kind ist und wie ein Kind denkt. Nur ein bisschen größer, ein bisschen älter und doch so voll neuer beneidenswerter Fähigkeiten. Die längeren Arme erreichen problemlos die Keksdose auf dem Schrank, die längeren Beine sind immer Sieger im Wettrennen. Es herrscht Neid, aber auch maßlose Bewunderung für diesen so großen anderen kleinen Menschen.
An manchen Tagen ist es besonders laut, für mich besonders anstrengend. Besonders dann, wenn die große Schwester von ihrem kleinen Bruder besonders genervt ist. Wenn sie mich anblickt mit ihren Augen, die mir sagen, dass dieser Bruder wirklich das ist, was sie sich nie gewünscht hat. Manchmal frage ich mich in diesen Momenten, was ich ihr da zugemutet habe. Dem Kind, das mehr als drei Jahre Einzelkind war. Doch dann sehe ich ihn an: Neben der Liebe, die ich für ihn spüre, sind da die kleinen Augen, die auf die große Schwester gerichtet sind. Die Augen, die alles von ihr wahrnehmen und bewundern. – Auch dann, wenn sie selber es nicht will, wenn sie von der Aufmerksamkeit und der ständigen Nachahmung genervt ist. Doch es sind auch Augen voller Liebe, voll Ehrfurcht.
Dann bin ich beruhigt, weil ich weiß: Auch wenn sie immer wieder mal genervt ist, wenn sie sich ihren kleinen Bruder wegwünscht, schenkt er ihr doch auch etwas, was ganz besonders ist. Etwas, worauf es im Leben ankommt und wovon man nicht genug haben kann: Liebe und Bewunderung. Ein Geschwisterkind trägt durch das Leben, teilt es mit guten und schlechten Momenten und ist doch beständig immer da. Es liegen noch einige Jahre vor ihnen, in denen der eine der anderen folgt. Und irgendwann werden es Jahre der Erinnerung daran, die das Gefühl hinterlassen, geliebt worden zu sein.
Geht es Euch auch so mit den Geschwistergefühlen?
Eure
Oh ich weiß noch sehr genau, wie ich damals immer zu meinem Bruder (4 Jahre älter) aufgeschaut habe und ihn bewunderte. Und wie weh es mir ab einem gewissen Punkt tat, immer ausgeschlossen zu sein von seiner coolen Welt und seinem Leben. Erst ganz spät habe ich gelernt, dass er damals schon immer auf mich aufpasste- aus der Ferne, um die Ecke des Schulhofs und später der Disco spähend. Damals war ich oft traurig über diesen Abstand, heute verstehe ich ihn anders.
Tolle Beschreibung einer ganz einmaligen Verbindung: Mein kleiner Bruder hat mir neulich erzählt, dass er mit mir das erste Mal in der Disko war. Konnte ich mich nicht dran erinnern – für ihn war es ganz groß.
Und unsere kleine Tochter bewundert die Große auch unendlich: Wenn sie in einem Bett sind schlafen beide besser. Da schmilzt mein Herz jedes Mal wieder und ich bin froh, dass wir uns für ein zweites Kind entschieden haben.
Jette
Ohja, das kennen wir sehr gut!! Die Kleine (19 M.) macht dem Großen (3,5) ALLES nach. Das erste was sie fragt, wenn er vor ihr wachgeworden ist – wo ist er? – aber er ganz genauso. Sie nerven sich aber sie lieben sich auch sehr. Und er passt auf sie auf, jetzt schon. Hat sie im Blick, auch in der Kita. Das ist ganz großartig und lässt mein Herz immer aufgehen.
Ich wundere mich immer, wie sehr unser Baby den großen Bruder anhimmelt, egal wie er den Kleinen ärgert, auch mal umschmeißt oder aus Eifersucht einfach überrennt. Und das Coolste ist: Diese natürliche Geschwisterliebe funktioniert bei uns auch ohne Blutsverwandtschaft. Das ist für mich als Pflegemama ein sehr beruhigendes Gefühl…