Fremde Kinder, die weinen – ungefragt anfassen oder nicht?

Heute ist eine Frau auf der Straße vor mir gefallen. Sie setzte sich hin, ich sprach sie an, ob ich ihr helfen könne. Ich ging nicht zur ihr und fasste sie sofort an, ich zerrte sie nicht hoch. Wahrscheinlich hätte sie auch befremdlich reagiert, wenn ich dies getan hätte. Doch warum machen wir sowas eigentlich mit Kindern, die uns fremd sind?

Kinder haben eben solchen Respekt verdient wie wir Erwachsene. Versetzen wir uns in die Situation: Wir fallen, es tut weh. Ja, wir wollen nun getröstet werden. Aber wahrscheinlich von einer uns bekannten, liebevoll zugewandten Person. Damit der Schmerz vorbei geht, wünschen wir uns eine Welle liebevollen Oxytozins, das den Schmerz davon spült. Oxytozin, das wir durch liebevollen, zugewandten Körperkontakt ausschütten. Es beruhigt. Was wir wahrscheinlich nicht wünschen: Noch mehr in Stress zu geraten durch eine fremde Person, die uns einfach anfässt. Durch die wir eben gerade nicht diese Oxytozinflut bekommen können, auch wenn sie vielleicht denkt, uns helfen zu können.

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Wenn ein fremdes Kind stürzt oder sich anders verletzt, können wir uns diesem Kind gegenüber verhalten wie anderen Menschen gegenüber: Wir können es zunächst fragen, ob wir helfen können. Wir können uns umsehen nach den Bezugspersonen und dem Kind sagen: „ich sehe schon, dass Deine Mutter/Dein Vater kommt.“ Wir können in Worte fassen, was wir gesehen haben: „Du bist gestürzt und das tat sicherlich weh.“ und wir können ihm vielleicht ein Taschentuch reichen, wenn es das möchte. Wir können auch trösten, wenn dieses Kind sagt oder signalisiert, dass es von uns getröstet oder auf den Arm genommen werden möchte.

Aber wir sollten auch in solchen Situationen immer die Grenzen des Kindes respektieren. Sollten feinfühlig wahrnehmen, wann ein Kind bereit ist und wann nicht. Von einer fremden Person einfach schnell auf den Arm genommen werden kann genauso verstörend sein wie wir Erwachsene es empfinden würden, wenn man uns einfach berührt. Manchmal sind liebevolle und ernst gemeinte Worte eine größere Geste des Mitgefühls als ein schnelles körperliches Handeln.

Wie geht Ihr mit solchen Situationen um?
Eure

Susanne_clear Kopie

6 Kommentare

  1. Ich würde so auch nicht einfach anfassen. Hab ich zuerst gedacht. Dann fiel mir aber eine andere Situation ein: In Zeeland hab ich letztes Jahr am Strand einen weinenden 6-7 Jährigen angetroffen, der seine Eltern verloren hatte. Kein Mensch hat sich um den gekümmert. Ich hab mich dann zu ihm hingekniet und seine Hand genommen und ihm in meinem radebrecherischen Niederländisch klar gemacht, dass wir zusammen seine Eltern suchen und ich bei ihm bleibe, bis wir sie haben. Dann haben wir zusammen gesucht, wobei ich kurz meine Hand auf seiner Schulter hatte. Der kleine Knirps war einfach völlig aufgelöst und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich ihn so tröste. Dann haben wir seine Eltern ein Glück bald gefunden. Ich glaube, da war die Berührung angemessen

    • Na klar, so eine richtige Notsituation ist nochmal was anderes. Aber auch da kann man ja je nach Situation erst einmal lieb fragen und eben wie Du beschreibst auch ganz sensibel sein.

  2. Es geht ja in dem Artikel auch nicht drum, nicht zu trösten. Es geht nur darum, den Kindern die Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, ganz kurz zu fragen: Brauchst Du Hilfe/Soll ich Dich mal in den Arm nehmen.
    Und natürlich sind schlimme Unfälle oder andere traumatische Ereignisse eine andere Sache. Hier geht es um den Alltag.

  3. Ich meine da muss man natürlich sehr grosse Unterschiede machen um was es sich handelt warum das Kind weint.
    Wenn es nur eine kleine Schramme ist,reisse ich selbst mein eigenes Kind nicht immer gelich an mich.
    Und wenn es was schlimmeres ist,fasse ich das Kind an und bringe es zu den Eltern,wenn diese nicht eh schon kommen.
    Folgenden Fall hatte ich auch schon oft,sei es im Schwimmbad,im Zoo oder ähnlicges: das Kind weint nach der mama und findet sie nicht. Da nehme ich das Kind natürlich sofort auf den arm und größte und suchen zusammen. Die Kinder haben sich immer schon während der suche beruhigen können.

  4. Posts wie dieser führen wohl genau zu dem Zustand, der gern beklagt wird: unser intuitives Verhalten wird so lange analysiert, bis es irgendwann auf der Strecke bleibt.
    Wenn jemand gestürzt ist, biete ich ihm selbstverständlich meine Hand an! Die er natürlich ablehnen kann.
    Und bestimmt stelle ich mich nicht neben ein schreiendes Kleinkind (mal angenommen, die Eltern sind wirklich nicht in der Nähe), schlenkere mit den Armen und sage „ich sehe, Du bist gestürzt“ …
    Man sieht sich ja dabei auch an und spricht miteinander, mit ein bisschen Einfühlungsvermögen sollte man da doch schnell merken, was erwünscht ist und was nicht.

    Manchmal kann man es auch zu kompliziert machen 😉

    • Liebe Antje,
      ich glaube, aber genau darum geht es ja: Anbieten. Es gehtnicht um Wegsehen und nichts tun, sondern um ein zugewandtes Schauen was in Ordnung ist.

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