Leben mit Kindern – Eine Frage des Blickwinkels

Da sitze ich also in meinem Garten inmitten von Lehm, Kies und Gras. Und anstatt den von mir für das Spiel vorgesehenen Spielbereich zu nutzen, hat der Sohn es sich mit den Sandspielsachen auf der Wiese bequem gemacht und unbeobachtet damit begonnen, den Lehm in das Gras ein zu arbeiten. Der ehemalige Rasen ist eine braune Fläche mit einem Durchmesser von etwa einem Meter. Darin befindet sich das Kind, barfuß mit den Füßen vor- und zurück in diesem Schlamm rutschend, von oben bis unten voller Lehm. Ich denke daran, dass ich jetzt eigentlich schnell los wollte mit dem Auto und dass er Haare waschen nicht mag und schreien wird und ich dann genervt sein werde. Ich denke, dass ich all das wirklich jetzt gerade nicht brauchte. Denn der Tag war sowieso schon anstrengend, die Kinder haben sich ständig gestritten und ich habe viel geschimpft. Und dann fange ich an zu lachen, weil es mit ein bisschen Abstand eben doch auch ziemlich verrückt ist alles.

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„Bei Euch wirkt sogar der Dreck immer so dekorativ“, schrieb mir gestern jemand auf Facebook zu einem Bild aus der Matschküche. Und tatsächlich ist es immer wieder im Alltag mit den Kindern eine Frage des Blickwinkels. Was aus der einen Richtung nach Chaos und Schmutz aussieht, ist aus der anderen ein schönes Stillleben. Das verwüstete Kinderzimmer bedeutet Arbeit und sieht furchtbar aus – und ist auf der anderen Seite ein Zeugnis eines ausdauernden Spiels am Nachmittag. Der Wäscheberg im Bad bedeutet Sortieren und Flecken, die wahrscheinlich nicht wieder heraus gehen. Aber er zeigt auch, dass die Kinder sich in der Natur bewegt haben mit ganzem Einsatz. Die Essensreste auf dem Tisch – und besonders darunter – müssen aufgesammelt und -gesaugt werden und lassen mich manches Mal verzweifeln. Aber die Kinder haben die Möglichkeit, selbständig und selbstbestimmt zu essen und probieren mit allen Sinnen.

Was auf der einen Seite dunkel erscheint, ist auf der anderen hell. Manchmal ist es nicht einfach, einen Schritt zurück zu treten und zu sehen, wie eine Situation auch aussehen kann. Wie beim Fotografieren gehe ich manchmal einen kleinen Schritt zurück und schaue, ob aus diesem Gesamtchaos doch ein kleiner Teil Wunderbares heraus schaut. Ich lege den Kopf schief und prüfe: Sieht es vielleicht von woanders doch anders aus? Und meistens finde ich einen kleinen Ausschnitt, der eben doch das Besondere zeigt, einen kleinen Zauber. Oder ich sehe wieder die andere, gute Seite. Manchmal ist es nicht einfach und oft kann ich es auch nicht und mir bleibt der Zauberblick verwehrt. Aber oft genug klappt es doch: Aus Lehm wird Gold, aus Ärger wird ein Lachen.

Probiert es aus. Es ist den versuch wert.
Eure
Susanne_clear Kopie

4 Kommentare

  1. jungeMami

    Absolut!
    Mir fällt es auch oft schwer, besonders an stressigen oder energielosen Tagen. Aber es tut uns Zuhause allen IMMER (ohne Ausnahme!) besser, abzuwarten statt zu drängeln, zu lachen oder erklären statt zu meckern und zu genießen statt zu jammern. Natürlich geht das nicht immer, wir sind ja auch nur Menschen. Aber wenn es ging, dann hatte es sich bislang immer gelohnt!

    Meine kleine Tochter kippte neulich das ganze Waschpulver in die (immerhin richtige) Spülkammer -keine Ahnung, wie sie da ran kam. Ich schrie nur: „Oh nein! Weg da! Giftig! Gefährlich! Alles voll! Wir wollen doch los!“ Usw.
    Sie aber strahlte mich an und sagte nur ganz stolz: „So. Kannste waschen. Hab ich super geholfen!“ Da musste ich plötzlich loslachen und sagte ihr: „du hast sooo Recht!“ Alle Wut war weg. Nur die Arbeit leider nicht…;-)

  2. Nicole

    Danke für den tollen Beitrag…ich werde mir diesen Artikel sehr zu Herzen nehmen, denn mir fällt es oft schwer es aus dem anderen Blickwinkel zu sehen.

  3. Katharina

    Oh ja – manchmal gelingt es. Und manchmal eben nicht. Ich weiß genauch was du meinst….und mache mir einfach keinen Stress mehr. Also ich versuche es zumindest. Erstaunlicherweise ist es fast nie schlimm, wenn man zu spät kommt, das Chaos mal nen Tag liegen lässt und erst wieder wäscht, wenn nur noch eine Unterhose im Schrank ist…wenn man die Dinge dann tu, wenn man die Kraft und die Zeit dafür hat, dann vermiesen sie einem auch nicht die Laune. Doch dafür muss man loslassen…von dem eigenen Anspruch und dem gefühlten von anderen….das ist das schwierigste.

    Schönen Sonntag dir!

  4. Ach ja, an den Perspektivenwechsel kann man gar nciht oft genug erinnern. Bei mir ist das meistens das Baby (1 Jahr), das, wenn ich nach Haus komme, auf den Arm will und nicht, dass ich die Spülmaschine ausräume. Einerseits ich selbst müde und kaputt, dazu die Hausarbeit, die leider auch nicht wegläuft, auf der anderen Seite dieser winzige, entzückende, bezaubernde kleine Dreikäsehoch, der nur ein bißchen Nähe und Aufmerksamkeit will und sich freut, dass ich wieder da bin. Da bin ich unersetzbar – auf Arbeit (zuhause und im Büro) nicht!

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