Ruhe bewahren – Tipps gegen das elterliche Schreien

 

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Wir haben rosa Hasen an unserer Wohnzimmerwand. Wie es dazu kam? Der Sohn spielte am Vormittag mit Stempeln. Ganz unbemerkt trug er einen der Stempel von seinem kleinen Maltisch weg ins Wohnzimmer. Stieg damit auf das Sofa und stempelte freudig das Holzregal und die weiße Wand hinter dem Sofa an. Ich kam dazu, blickte ihn an, blickte die Wand an. Und ich begann, zu zählen: 5, 4, 3, 2, 1. In manchen Situationen hilft es mir, einfach zu zählen, zu warten und dann erst zu sprechen. Denn: Ich weiß ja, dass er es nicht böse gemeint hat und dass er mich nicht ärgern wollte. Aber Stempelfarbe an der Wand? Ob der Schmutzradierer das weg bekommt? Zum Sohn sagte ich nach meiner Pause: „Du hast die Wand angestempelt. Machen wir sowas?“ Er blickt mich an und schüttelte den Kopf. Dann hüpfte er wie ein kleiner Gummiball vom Sofa herunter, rannte auf seinen kleinen Beinen ins Spielzimmer. Es rumpelte, ich sah in der Türöffnung einen Ball vorbei rollen. Dann wieder Getrampel, er kam zurück gerannt, kletterte wieder aufs Sofa. In der Hand ein rotes Tuch mit Teddybären. Er blickt mich an, nahm das Tuch und hielt es über die angestempelte Wand: „Mama, Stempel versteckt, so!“ Und ich musste lachen. Über die Idee, die angestempelte Wand mit einem roten Teddytuch zu verstecken und über die Leichtigkeit dieses Kindes. Ja, eigentlich ist es doch so einfach. Was sind schon ein paar angestempelte Hasen an der Wand? Ein Tuch rüber oder ein Bild und niemand sieht sie. Oder man malt einfach einen Bilderrahmen drum herum.

Aber manchmal ist es auch nicht ganz so einfach. Da ist man dann doch sauer. Oder traurig oder wütend. Das Kind anschreien bringt nicht wirklich etwas. Denn: Das Kleinkind denkt noch ganz anders als wir. Es versteht wirklich nicht, was wir meinen. Und vom Schreien bekommt es vielleicht Angst vor uns, versteht aber nicht wirklich, warum wir so aufgeregt sind. Deswegen können wir uns dieses Anschreien sparen – es bringt niemandem etwas. Was also tun, wenn wir wirklich sauer sind?

1. Zählen

Mein Lieblingsmittel vor dem Lospoltern ist das Zählen: Ganz kurz Inne halten und rückwärts zählen von 5 bis 1. Wenn man merkt, dass man sehr aufgebracht ist, auch von 10 bis 1. Bei mir hilf das ganz wunderbar, um mich erst einmal zu besinnen und zu denken: Okay, also so schlimm ist es nicht.

2. Rausgehen

Wenn es doch etwas Schlimmer ist und ich weiß, dass Zählen nicht ausreicht. Drehe ich mich einfach kurz um und gehe raus aus der Situation. Oft schaffe ich es noch, zu sagen „Ich brauche kurz einen Moment, ich bin gleich wieder bei Dir“. Oder in Situationen, in denen ich weiß, dass die Kinder das unter sich regeln müssen. An manchen Tagen streiten sie sich immer wieder um dieselben Spielsachen: Einer hat etwas in der Hand, der andere möchte das haben. Dann hat der etwas in der Hand und das wird vom anderen Kind begehrt. Wenn ich an solchen Tagen ständig eingreifen würde bei „Mama, der Bruder/die Schwester hat mir das weggenommen“, würde ich den ganzen Tag neben den Kindern sitzen und wäre total erschöpft. Deswegen erkläre ich ihnen, dass wir viele Spielsachen haben und sie sich die Dinge aufteilen müssen. Wie, das müssen sie verhandeln. Und dann gehe ich raus. Manchmal gehe ich in die Küche, mache mir einen Kaffee und genieße die ganz kurze Auszeit und Ruhe für mich. Das gibt mir Energie.

3. Perspektive ändern

Und wenn wir einen kurzen Moment für uns hatten, eine kleine Pause, dann können wir darin nachdenken: Ist es wirklich so schlimm? Ist es schlimm, dass das Kind mit dem Glitzerstift das Badezimmerregal verschönern wollte? Ist es schlimm, dass es sich selbst die Haare geschnitten hat? Oft werden wir dann denken: Na ja, es ist jetzt nicht schön oder ich hätte es mir nicht so gewünscht oder es macht jetzt gerade Arbeit, die ich nicht gebrauchen kann, aber richtig schlimm ist es eigentlich nicht. Wir dürfen auch ruhig mal etwas anders machen. Warum essen wir nicht einfach mal ausnahmsweise alle die Spaghetti mit den Händen? Manchmal stellen wir genau dann fest, wie schön es ist, Kind zu sein und wie viel Spaß solche „verrückten“ Dinge mal im Alltag tun können.

4. Erklären/Entschuldigen

An manchen Tagen, da ist man einfach erschöpft. Vielleicht war es eine schlechte Nacht oder der Arbeitsstress oder oder. Jedenfalls hat man generell wenig Ressourcen gerade für sich und ist deswegen empfindlicher. An solchen Tagen reagiert man auch empfindlicher darauf, wenn die Kinder „etwas angestellt“ haben. Und wenn man dann doch erschöpft schreit, dass das Kind nun bitte nicht quer durch die Wohnung schreien soll, dass es was zu trinken haben möchte, sondern einfach selber in die Küche gehen kann, dann fühlt man sich danach oft ziemlich schlecht. Denn was war denn jetzt so schlimm daran? Man hat überreagiert, weil es einem selbst nicht gut ging. Und dieses Verhalten müssen wir nicht vor uns rechtfertigen, sondern wir müssen unserem Kind erklären: Es tut mir leid. Es tut mir leid, ich bin gerade total erschöpft und habe einen schlechten Tag, weil ich schlecht geschlafen habe. Ich wollte Dich nicht anschreien. (Natürlich gibt man dem Kind in dieser Situation nicht die Schuld dafür, dass man schlecht geschlafen hat – auch wenn es so ist.)

5. Ressourcen

Und mit dem vorigen Punkt verbunden sind die Ressourcen, auf die wir zurück greifen müssen, um gar nicht erst in die Überforderung zu kommen. Was tut uns im Alltag mit Kindern gut? Was können wir für uns Eltern tun? Wo kann man sich eine schöne Auszeit nehmen? Und auch reflektieren: Okay, heute geht es mir nicht gut. Da ist es wohl keine gute Idee, noch auf den lauten Indoor-Spielplatz zu gehen. Da bleibe ich lieber zu Hause mit den Kindern, backe ein paar Waffeln, mache einen leckeren Tee und dann kuscheln wir. Oxytocin, das Liebeshormon, ist immer dabei beim Kuscheln und beruhigt uns. Oder wir lesen ein Buch. Oder schauen einen Film. Wir Erwachsenen wissen, wann wir schlechte Tage haben und wir können eigentlich genau planen, wie wir damit umgehen und was uns gut tut. Wer das verlernt hat, weil er seine Bedürfnisse zu oft hinten angestellt hat, kann sich jetzt hinsetzen und eine Liste machen, was er im Alltag sich Gutes tun kann: Ein Tee? Ein Kaffee? Eine Schüssel mit Wasser füllen und die Füße hinein stellen – und das Kind bekommt zugleich eine kleine Planschschüssel? So können wir auch unseren Kindern beibringen auf sich zu achten und zu lernen, wann sie eine Auszeit brauchen.

6. Hilfen

Wenn wir zu lange zu wenig für uns getan haben, wenn wir merken, dass wir die Kinder zu oft anschreien, dann brauchen wir vielleicht Hilfe, um wieder entspannt im Alltag mit unseren Kindern zu sein. Das können Freunde sein, die uns Dinge abnehmen, das kann Familie sein, die uns unterstützt. Das können auch professionelle Erziehungsberatungsstellen sein oder auch eine Mutter-Kind-Kur. Wichtig ist, dass wir und nicht durchbeißen, dass wir nicht denken, dass wir etwas schaffen müssen, was für uns nicht schaffbar ist. Jetzt gerade geht es vielleicht nicht mehr anders und man muss Hilfen annehmen. Das bedeutet nicht, dass man eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater ist. Es bedeutet genau das Gegenteil, weil man dafür sorgt, dass es wieder besser geht.

Es gibt viele Wege, um vom Schreien weg zu kommen. Der wichtigste ist: Hör auf Dein Herz! Höre darauf, wenn es Dir schlecht geht und tu Dir was Gutes. Höre auf Dein Herz, dass Dir sagt, dass Du Dein Kind nicht anschreien möchtest. Höre auf Dein Herz, wenn es Dir sagt, dass es Hilfe braucht.

Was tut Ihr Euch Gutes, um im Alltag gelassener zu sein? Vielleicht können wir hier eine Sammlung für alle erschöpften Eltern zusammenstellen:

 

 

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13 Kommentare

  1. Narayani Shakti Meena

    Wenn meine Nerven aus Schlafmangel oder anderen Umständen sehr dünn sind, ich gereizt bin,emotional Achterbahn fahre, tut’s mir gut, mich gemeinsam mit meiner Tochter aufs Rad zu setzen und einfach loszuradeln. Mir hilft Luft und Bewegung meistens sehr. Wenn der Haussegen mal so richtig schief hängt und ich wütend werde, ich nicht raus möchte, das Wetter nicht mitspielt,dann hilft mir in die Hände klatschen. So reagiere ich meine Wut einfach ohne zu schimpfen ab. Wenn das nicht geht, gehe ich manchmal auch einfach auf dem Balkon und hasche eh bissel Sauerstoff. Was mir persönlich auch noch hilft ist der Hausputz;-) aber auch einfach mal zwischendurch hinlegen und alle fünf gerade sein lassen, hilft schon sehr, um wieder Kraft zu schöpfen. Auch mit Kind durchaus möglich. Ich sag meiner Tochter dann einfach, dass ich kaputt bin und ich mich ausruhen will um wieder Kraft zu sammeln. Ich finds erstaunlich wie relaxt sie das nimmt. Meistens spielt sie dann ganz ruhig neben mir oder wir schauen uns ein Buch an. Im Yoga gibt es eine Übung die nennt sich Simhasna- der Löwe. Wenn man merkt das die Wut am steigen ist, Augen weit aufreißen,einatmen und beim ausatmen brüllen wie ein Löwe. Geht auch lautlos ( falls Kinder in der Nähe sind) Diese Übung löst emotionale und körperliche Spannungen.Das ist mein Liebling, wenns mal schnell gehen soll, kein Rad, kein Bett oder Balkon in der Nähe ist. 😉

    • Danke für Deine Tipps. Das mit dem Löwen probiere ich mal aus 🙂
      Lockert bestimmt auf alle Fälle die Situation auf.

  2. Ich finde Schreien auch ganz furchtbar. Früher, als ich „nur“ meinen Grossen hatte und der noch so im Kleinkindalter war, da war ich viel gelassener und relaxter, da hat mich so schnell nichts aus der Ruhe gebracht. Jetzt mit 2 Kindern und erneutem Schlafmangel und fern der Heimat ohne Babysitter oder sozialem Netz um mich rum, da gab es echt Phasen, da merkte ich oh oh das ist alles schon viel zu laut und die Haut sehr, sehr dünn. Mir hilft es dann auch, mich immer wieder daran zu erinnern, dass alles eigentlich halb so schlimm ist, dass sie es eben nicht mit Absicht machen und dass sie auch einfach nichts dafür können, dass Du grad Deine innere Ruhe und Gelassenheit nicht findest.
    Danke für Deine Tipps, ich glaube ich werde mir das Zählen ein bisschen angewöhnen, denn oft ist es ja nach einem Moment schon wieder halb so schlimm.

    Wenn die Jungs mal besonders anstrengend scheinen und ich müde und schlecht gelaunt bin, dann hilft bei uns auch nur ein, raus, raus raus. Notfalls in Gummistiefel mit Schirm, aber das hebt die Laune bei ihnen und bei mir. Irgendwie zanken sie draussen witzigerweise auch seltener. Schon komisch oder?!?
    Und was mir immer hilft, dran zu denken, wie schnell diese Zeit vorbei geht.
    Meine Schwester ist 12 Jahre älter und ihre Kinder könnten nun auch bald Eltern werden, da sehe ich, wie schnell die Zeit rum geht und die Kids gross sind. Das hilft manchmal ungemein.
    Über die rosa Hasen werdet Ihr sicher auch noch ewig lachen, oder?
    Was macht Ihr nun damit?

  3. Hier ist es wirklich anstrengend oft. Ich denke viel darüber nach was wir besser machen können und dann tappe ich doch fast täglich in die Schreifalle. 🙁
    Irgendwie hilft aber auch nichts. Die Apfelina reizt und reizt und reizt. Selbst wenn ich es schaffe aus der Situation raus zu gehen, einfach das Zimmer zu verlassen, kommt sie sofort mit, kreischt „neiiiiiiin“ hängt sich an mich….. .
    Meistens schreie ich aber, wenn sie Aufforderungen nicht nachkommt. Ich bemühe mich wirklich um einen freundlichen Ton. Einmal. Zweimal. Dreimal…. .Wenn sie dann immer wieder „nein, mach ich nicht“ sagt und rumkaspert, „frech“ wird, dann werde ich schon oft wütend und schreie (und drohe) Ich will das nicht. Ich finde es furchtbar. Aber wir haben z.Bsp. jeden Abend wenns ums Zähne putzen und bettfertig machen geht Theater. Ich überlege wirklich sehr wie wir es ändern können. Strenger Ablauf (funktioniert nicht), machen lassen wann sie es will (funktioniert selten)….. es ist schwierig.
    Wir haben diese Probleme übrigens nur zu Hause. Draußen ist sie das liebste Kind auf Erden…

  4. Autor Thomas S.

    Vielen Dank für die Tipps und den tollen Bericht.
    Wir haben bei unserem Sohn festgestellt, dass Schreien wirklich rein gar nichts bringt, ausser Stress und schlechte Stimmung. Wenn es doch mal passiert, dass Mama oder Papa lauter werden reagiert Marlon genauso. Schreien erzeugt Gegenschreien! Das heißt er lässt sich keineswegs einschüchtern bzw. nimmt das Gesagte überhaupt nicht auf. Fazit: Bringt also gar nichts. Deswegen besser ruhig bleiben, auch wenn es zugegeben bei bestimmten Situationen schwer fällt.
    … und vielleicht mal Gelegentlich an die eigene Kindheit zurückerinnern:)
    Beste Grüße,
    Thomas
    (Autor der Elternbücher „Achterbahn zum ersten Milchzahn“ + „Milchzahn die Zweite“) http://www.tscholty.de

  5. Narayani Shakti Meena

    uff heute ist es passiert und nix von alledem hat geholfen. :-((

    Lernübung: Nachsicht mit sich selbst und sich selbst vegeben?!!!!!! uff.

  6. Hm, so recht weiß ich nicht. Ich finde schreien durchaus ein erlaubtes und manchmal gutes Erziehungsmittel. Mein Sohn ist jetzt knappe 2. Er versteht sehr viel, aber eben noch nicht alles. Und er versteht mit Sicherheit nicht, warum ich es doof finde, wenn er Essen auf den Boden wirft. Oder warum ich nicht möchte, dass er mich beißt (er meint es nicht böse, das ist mir klar und ich bin ihm auch nicht ernsthaft böse.) Aber da er die Worte nicht versteht, mache ich ihm mit Stimme und Gestik und anderen Konsequenzen (aus dem Hochstuhl rausnehmen; ihn absetzen, wenn ich ihn gerade getragen habe; das Zimmer verlassen) klar, dass ich das ganz und gar nicht toll finde. Und das versteht er auch und klappt eigentlich ganz gut. Ich bin dann ja nicht den ganzen Tag auf ihn böse. Und es gibt auch nicht viele Verbote, die ein anschreien als Folge haben (hauen, beißen, Essen auf den Boden werfen.) Ich denke also eigentlich, dass schreien mal auch okay ist. Ein Dauerzustand sollte das natürlich nicht sein.

  7. Also, ich möchte wirklich nicht schreien. Aber mein Sohn ist 3, das sandwichkind, und er meint es böse. Ermacht vieles um mich aus der Fassung zu bringen. Gerne mit Ansage „sonst haue ich dich“. Und er ist stark! Ich weiß er macht es im Aufmerksamkeit zu bekommen, aber ich habe 3 kinder. Sie alle brauchen mich.

    • DeNisel

      Das kommt mir sehr bekannt vor 😉 Gerade heute war wieder so ein Tag, den ich gern streichen möchte. Und es kostet soviel Kraft, um sich gerade dann besonders dem Kind zuzuwenden -mal klappt es mehr und auch mal weniger gut 😉 Bei uns ist es meist dann extrem, wenn die „Umfeldvariablen“ instabil sind (Kita, Nachbarn, Freunde, Familie etc.), da steckt man nicht drin und manchmal dauert es eben auch bei mir etwas, bevor mir die Zusammenhänge bewusst werden. Ich nehme dann meine Kinder wortlos in die Arme und halte sie einfach nur liebevoll fest, wenn sie sich dann beruhigt haben kann ich ruhig das eigentliche „Problem“ 1. benennen u. anschließend 2. darüber gemeinsam sprechen, wodurch sich meist das Problem erledigt. 🙂

      PS.: Ich werde meist Lauter, wenn ich mich“unverstanden“ fühl. Und genau das erklär ich meinen Kindern auch so- ebenso, dass es mich traurig macht und mich zweifeln lässt…. (Tochter 4,5 J. + Sohn: 13)

      Morgen wird wieder ein besserer Tag, denn ich bin eine tolle Mum mit noch tolleren Kindern! :))

  8. Es gibt auch Schreien und Schreien, oder? Unser Ältester bat eine Wahrnehmungs/Filterschwäche, er ist manchmal einfach so in seiner eigenen Welt, dort kriegen wir ihn mit geduldigem Anreden nicht raus. Da müssen wir laut werden, um ihn überhaupt zu erreichen.
    Aber wir schreien ihn ja nicht böswillig oder diffamierend an.

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