Tag: 4. Juli 2019

Wir gründen eine Kita – Folgende Punkte sollten beachtet werden

Janine Ringel hat zusammen mit ihrem Mann Stephan Ringel einen kleinen Kindergarten in Lübeck gegründet auf Basis einer Kindertagespflegestelle. Sie haben sich ein eigenes Konzept ausgedacht für den Kindergarten, aber auch für das Ankommen und den Aufbau der Beziehung zu den Kindern, die sie dort zusammen begleiten. Über das Ankommenskonzept, das sie erfolgreich praktizieren, hat sie bereits hier berichtet. Hier erklärt sie, wie die Schritte zur Gründung eines eigenen Kindergartens aussehen können.

Am Anfang war bei uns der Wunsch da, Arbeit und Familienzeit zu verbinden und einen Ort zu schaffen, den wir uns für unsere Kinder gewünscht haben, aber nicht fanden. Da wir selbst Pädagogen sind, lag die Gründung eines Kindergartens nahe. Wir entschieden uns für den Weg über die Kindertagespflege – es sind aber auch viele weitere Wege möglich, z.B. über Elterninitativen als Verein.

Wie sind die strukturellen Voraussetzungen? Oder dem Kind einem Rahmen geben

Die Voraussetzungen sind in jedem Bundesland/Kreis/Stadt unterschiedlich, sodass es sinnvoll ist, sich vorab individuell zu informieren. In Lübeck gibt es eine verpflichtende Grund- und Anschlussqualifikation zur Kindertagespflegeperson, die man – egal welche Vorausbildung vorliegt – ablegen muss. Diese berechtigt dazu, maximal fünf familienexterne Kinder zur gleichen Zeit zu begleiten. Wir finden, das ist eine wunderbare Anzahl für eine individuelle, bindungs- und bedürfnisorientierte Begleitung.

Kindertagespflege ist keineswegs nur für unter dreijährige gedacht: Kindertagespflegepersonen können Kinder bis zum Alter von 14 Jahren begleiten, zum Beispiel auch als Alternative zur Hortbetreuung/OGS- oder eben als bewusste Alternative zum Kindergarten. Uns erschien die Gründung einer Kindertagespflege als die passendste Rechtsform, da die Gründung eines privaten Kindergartens deutlich mehr Hürden bereithält und weniger Selbstbestimmung.

Was sind passende Räumlichkeiten oder dem Kind ein zuhause geben

Die Begleitung ist sowohl zuhause als auch in angemieteten Räumlichkeiten möglich. Wir haben uns bewusst für externe Räume entschieden, weil diese mehr unserer Idee eines kleinen Kindergartens entsprechen. Zum anderen aber auch und vor allem, weil wir selbst Kinder haben. Diese sollen die Möglichkeit eines geschützten, eigenen Raumes haben, der nicht vom Kindergarten berührt wird, mit eigenen Spielmaterialien und der Möglichkeit von „Kigafreien Tagen“. Der Vorteil des Begleitens Zuhause ist natürlich, dass die zusätzlichen Mietkosten wegfallen und eventuell schon Materialien vorhanden sind. Bei beiden Varianten gilt, dass die gängigen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden müssen und zumindest in Lübeck auch überprüft werden: Kindersicherungen, bruchsichere Folie an den Fenstern etc. In den meisten Fällen wird eine Wohnung/Immobilie im Erdgeschoss bevorzugt.

Die meisten Vermieter können sich unter einer Kindertagespflege erstmal weniger vorstellen. Sinnvoll ist es deswegen, einen Businessplan (der klar den voraussichtlichen finanziellen Erfolg der Einrichtung dokumentiert) dabei zu haben, sodass sie sicher sein können, dass das ganze finanziell erfolgreich ist. Auch praktisch ist es, eine Immobilie zu finden, die ein bisschen Arbeit erfordert- denn hier sind die Vermieter eher bereit, sich auf Kompromisse mit dem Mieter einzulassen. So haben wir unseren Kindergarten drei Monate lang selbst mit renoviert, Wände gestrichen und verputzt, Boden verlegt…dadurch haben die Vermieter wiederum sich auf das Abenteuer Kindertagespflege (samt „Kinderlärm“ etc) eingelassen.

Außerdem ist die Lage der Räumlichkeiten entscheidend: Da Natur für uns ein wichtiger Schwerpunkt ist, war es uns wichtig, naturnah gelegen zu sein und mit den Kindern viele wundervolle Orte aufsuchen zu können. Zugleich ist aber auch die Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz durchaus sinnvoll, um Eltern, die auch nicht direkt um die Ecke wohnen, anzusprechen- gerade bei einem individuelleren Konzept ist das durchaus sinnvoll, da das Einzugsgebiet oft größer ist als die direkte Nachbarschaft.

Wir haben vorher auch vorsichtig bei den Nachbarn angetastet, ob diese mit einem Kindergarten in direkter Nähe glücklich wären und sind zum Glück auf viel Freude und Neugierde gestoßen.

Bei der Wahl der Räumlichkeiten war für uns entscheidend, mehrere Räume zur Verfügung (oder einen großen Raum, den man gut abteilen kann) zu haben, sodass die Grundstruktur schon Geborgenheit gibt. Außerdem ist es wundervoll, wenn die Räume viel Sonnenlicht einlassen – wir haben zum Beispiel nach vorne eine große Fensterfront, durch die die Räume selbst im Winter sehr hell und freundlich wirken, was für viele Kinder Sicherheit und Klarheit vermittelt (das kann man aber natürlich auch durch helle Farben etc. selbst schaffen, wenn die Wohnung dies nicht hergibt). Wir haben zusätzlich mit Lehmfarben gearbeitet, die neben dem guten Raumklima auch Wärme und Behaglichkeit vermitteln.

Wie werde ich bekannter – Hallo ist da wer

In der ersten Zeit ist es schwierig, auf sich aufmerksam zu machen; eine Internetseite und ein Flyer mit einem Logo, das Aufmerksamkeit auf sich lenkt, sind da gute Grundvoraussetzungen. Der Flyer kann an Orten aufgehängt, wo es erlaubt ist und im besten Falle zum Konzept passt.  Bei uns waren das: Bioläden, vegane und vegetarische Cafes, Bio-Bauernhöfe, eine freie alternative Schule. Am effektivsten ist aber immer noch die Mund zu Mund Propaganda und diese braucht Zeit- und Geduld.

Das Herz des Ganzen oder Dein Konzept

Zu dem Ganzen gehört auch eine Portion Mut und Zuversicht, das zu verwirklichen, was für einen selbst Herzensanliegen sind und sich nicht verunsichern zu lassen. Ein Konzept ist für die pädagogische Arbeit sehr wichtig: Was sind die Grundwerte der Pädagogik, wonach wird im Kindergarten gelebt und gehandelt? Bei uns sind es: Bindungs- und Bedürfnisorientierung, Achtsamkeit, Gewaltfreie Kommunikation, Natur und Entspannung). Diese Punkte sollten beim Kennenlerngespräch mit Elternam besten direkt erläutert werden, um zu sehen, ob die gemeinsamen Erwartungen übereinstimmen. Ein Konzept sollte kein leeres Papier sein, sondern die wirklich gelebte Pädagogik in Schriftform.

Wieso das Ganze?

Mit einer Kindertagespflege/ einem kleinen Kindergarten wird man nicht reich, zumindest nicht an Geld. Man gründet eine kleine Selbstständigkeit, die Stadt unterstützt durch Anteile an der Pflege-, Renten- und Krankenversicherung oder der Mietkosten, die ebenfalls anteilig übernommen werden können. Am Ende bleibt trotz dessen nicht so viel übrig, wie man vielleicht vermutet. Es ist ein Weg des Ideals und des Herzens, nicht des Geldes. Und dennoch möchte ich an dieser Stelle Mut machen. Wenn es dein Herzensanliegen ist, Kinder liebevoll und geborgen in diese Welt zu begleiten, dann ist dieser Weg ein wundervoller Weg.

Janine Ringel ist Sozialpädagogin (BA) und Mutter von zwei Kindern (2014 und 2017 geboren). 2017 hat sie zusammen mit ihrem Mann den kleinen, bindungsorientierten, auf Achtsamkeit und GFK basierenden Kindergarten “Farbtupfer” in Lübeck für Kinder von 2-6 Jahren gegründet und arbeitet darüber hinaus in der Elternberatung. Sie ist ausgebildet in gewaltfreier Kommunikation nach M.B.Rosenberg. Mehr von Janine findet Ihr auf auf  farbtupfer.org oder hier   auf Instagram.