Anne ist Ende 2015 mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter nach Kalifornien ausgewandert – ohne große Pläne. Mittlerweile haben sie sich dort eingelebt und ihren eigenen Weg gefunden. Auf ihrem Blog Little Steps berichtet sie von ihrem Leben dort. Hier erzählt sie heute von ihrem Weg, Geborgenheit in San Diego zu leben: „Es dauerte, bis ich begriff und fühlte, dass Geborgenheit unabhängig vom Wohnort ist, sondern in der eigenen Familie geschaffen wird.“
Anne, Du bist vor 1,5 Jahren mit Deiner Familie ausgewandert. Warum seid Ihr ausgewandert und wie viele Personen seid Ihr zum damaligen Zeitpunkt gewesen?
Mein Mann und ich sind mit unserer damals 1,5-jährigen Tochter nach Südkalifornien ausgewandert. Wir liebten die Staaten bereits seit vielen Jahren und schon nach unserem ersten gemeinsamen Urlaub vor 10 Jahren fühlten wir uns im Anschluss zurück in Deutschland nicht mehr zu Hause. Dieses Gefühl ließ uns die ganzen Jahre über nicht los und somit nahmen wir an der Greencard-Lotterie teil und mit dem Gewinn erhielten wir die uneingeschränkte Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.
Welche besonderen Situationen haben sich direkt beim Auswandern ergeben? Gab es Probleme, hast Du Tipps für zukünftige auswandernde Familien?
Nachdem wir sowohl ohne sicheren Job, als auch ohne Unterkunft ausgewandert sind und auch hier vor Ort alles neu herausfinden mussten, gab es natürlich einige besondere und herausfordernde Situationen. Wir sind damals aber auch sehr blauäugig und abenteuerlustig ausgewandert und im Nachhinein würde ich mich in vielen Dingen vielleicht besser informieren. Ich denke, es ist auf jeden Fall sinnvoll, schon mal in der Gegend gewesen zu sein und sich im Vorfeld so viele Informationen einzuholen, wie möglich (Lebenshaltungskosten, Betreuungsangebot für Kinder, Bewerbungsverfahren, Versicherung usw.).
Nun bist Du schwanger und bekommst bald ein Baby. Wie unterscheidet sich die Vorbereitung auf die Geburt in Deutschland und San Diego? Wie hast Du die Schwangerschaft dort erlebt im Vergleich zu hier?
Die Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen sind denen in Deutschland sehr ähnlich. Allerdings werden diese hier von einer Hebamme übernommen und lediglich ein Termin ist bei einem Frauenarzt notwendig. Der größte Unterschied ist wohl, dass es hier keine Hebammenleistung wie in Deutschland gibt und wenn ich an die Wochenbettzeit zurück in Deutschland denke, wird mir diesbezüglich ganz schwer um´s Herz. Da bin ich froh, dass ich nun zum zweiten Mal entbinde und mit mehr Selbstsicherheit unser Baby begrüßen darf. Ansonsten ist es hier auch möglich, zu Hause oder in einem Geburtshaus zu entbinden und oftmals greifen Frauen unter der Geburt auf die Hilfe einer Doula zurück.
Welche Unterschiede nimmst Du ansonsten wahr im Leben zwischen Eltern und Kindern? Was ist einfacher, was ist schwieriger? Wie macht Ihr es Euch geborgen?
Die Amerikaner sind sehr auf Sicherheit und Hygiene bedacht und somit sieht man hier die amerikanischen Eltern auf dem Spielplatz oft ihre Kinder überwachen, anstatt wie es in Deutschland üblich ist, am Spielplatzrand zu sitzen und die Kinder frei in ihrem Spiel zu lassen. Außerdem fühlen wir uns hier oft wie Exoten, wenn unsere Tochter auch ohne Kleidung oder Windel am Strand spielen darf.
Was wir allerdings am Leben unter amerikanischen Eltern sehr schätzen, ist, dass sehr viel mehr Toleranz und Gelassenheit untereinander herrscht. Ein Wort wie „Rabenmutter“ gibt es hier nicht und es kommt nicht selten vor, dass man Frauen auch ihre Kleinkinder in der Öffentlichkeit stillen sieht. Es wird weder darüber geurteilt, ob eine Frau ihr Baby bereits nach 3 Monaten in eine Betreuung gibt, noch darüber, ob sie ihre Schulkinder sogar zu Hause unterrichten möchte.
Die mitunter größte Herausforderung für mich war, das Thema Geborgenheit für mich und uns als Familie so weit von dem Heimatort neu zu definieren. Die Sehnsucht nach der Heimat hat mich lange Zeit begleitet und es dauerte, bis ich begriff und fühlte, dass Geborgenheit unabhängig vom Wohnort ist, sondern in der eigenen Familie geschaffen wird. Als ich das für mich verinnerlicht hatte, konnte ich mich unserem neuen Leben ganz anders öffnen und kreiere mir selber gleichzeitig aber auch immer kleine Herzmomente aus der Heimat, wie frisch gebackenes Brot, Kinderbücher aus Deutschland oder ein Glas Nutella. Doch tiefe Geborgenheit wird mir dadurch nicht geschenkt, sondern vor allem durch den Halt, die Liebe und Achtsamkeit in unserer kleinen Familie.