Meine Hände sind nicht weich, obwohl sie es sein können. Ich creme sie jeden Tag ein am Abend und schaue auf sie hinab. Oft gar nicht mit besonderer Aufmerksamkeit. Doch an Abenden wie diesem, da denke ich an sie, was sie den ganzen Tag getan haben. Ich denke an die rauen Hände meiner Mutter, an die faltigen Hände meiner Großmutter, die mir so oft über den Kopf gestreichelt haben. An die großen Hände meines Vaters, in die ich bei Spaziergängen meine kleine Hand legte. Meine Hände sind wie viele Elternhände, verrichten jeden Tag die Handgriffe, die immer getan werden. So viele, die so alltäglich sind, kaum bemerkt und einige, die ganz Besonderes ausdrücken.
Wie oft am Tag streiche ich damit über die Haut meiner Kinder? Streichle die Wange, nehme ein verletztes Knie in die Hand, wische einen Klecks Paste von der Wange eines meiner Kinder? Ich zähle nicht mit, aber es müssen unzählige Male sein. Unzählig ist auch die Anzahl der Male, an denen ich sie am Tag wasche: Weil wir gemalt oder gebastelt haben und Farbe oder Kleber an ihnen ist, weil ich mit einem Kind auf der Toilette war, weil ich sie im Garten zusammen mit ihnen schmutzig gemacht habe. Ich schmiere Brote, schäle Gemüse oder Obst, rühre mit einem Löffel im Kochtopf, um das Mittagessen zu bereiten für uns.
Jeden Tag verrichten sie so viele Dinge und werden kaum beachtet. Von mir. Doch meine Kinder beachten sie genau: Sie spüren, ob die Hand zart ist oder eher ruppig und ungeduldig. Schließe ich die Jacke langsam und fließend, oder schnell und zackig, weil wir dringend los müssen? Ihre kleinen Hände legen sich voll Vertrauen in meine großen, schleichen sich verstohlen nach der Schule den Weg dort hinein, um mit diesem Kontakt ein wenig Anspannung des Tages loszulassen. Kleine verletzte Finger oder Arme strecken sich entgegen, um angefasst, gestreichelt und versorgt zu werden.
Meine Hände, wie sie sich bewegen, ob sie zart und langsam sind oder schnell und angespannt, sagen jeden Tag für meine Kinder viel mehr aus als ein Kuss es kann oder ein dahergesagtes Wort. Sie sind es, die die wirkliche Botschaft übermitteln. Morgens, mittags, abends. Sie müssen nicht zart-rosenduftend sein, sondern einfach da, liebevoll und umsorgend. Das soll es sein, woran sich meine Kinder erinnern wie ich mich an die Hände erinnere, die mich einmal liebevoll und geborgen umsorgt haben.
Eure
Ja, wie wahr. Hände, Hautkontakt… Ganz viel Liebe!
Was für ein schöner Text! Und so treffend gerade…liege nebem dem 10 Monate alten Töchterlein im Familienbett. Alleine Schlafen beim Zahnen ist doof, da wollte sie die Mama nicht mehr gehn lassen. Danke, Susanne!
Wunderschönen geschrieben. Musste auch gleich an die rauhen Hände meiner Oma denken. Die viel und hart gearbeitet hatten, dann aber, wenn wir in ihrer Küche am Feuerherd saßen, ineinander ruhend in ihrem Schoß lagen, wenn sie uns unglaubliche Geschichten erzählte… Ja, solche Erinnerungen werden auch unseren Kindern bleiben.
Das werden sie! Ich habe als Kind auch immer die Kraft von Omas Händen beim Teig kneten bewundert und doch konnten sie filigran nähen..
Der Text erinnert mich an Kurt Tucholskys „Mutters Hände“. Passt sehr schön, finde ich.