Zwei Kinder, zwei Wünsche, zwei Altersgruppen. Unterschiedliche Bedürfnisse, unterschiedliche Wahrnehmungen der Realität, unterschiedliche Reaktionen. Zwei Menschen sind nun einmal zwei verschiedene Menschen und bleiben es auch – selbst, wenn sie miteinander verwand sind. Und manchmal vielleicht auch gerade deswegen, um sich abzugrenzen, um zu demonstrieren, dass man anders ist, dass man ein eigenständiger Mensch ist und keine kleinere Ausgabe des anderen.
Ich schaue mir die Sonntagabendplanung mit meinem Mann an: Er möchte mit seinem Freund übers Internet ein Computerspiel spielen, ich eine schnulzige Serie sehen. Wir haben unterschiedliche Vorstellungen und finden es erst einmal blöd vom jeweils anderen, dass er so andere Pläne hat. Aber wir finden einen Kompromiss. Recht schnell sogar. Schließlich sind wir erwachsene Menschen und können uns austauschen, ineinander hinein versetzen und so mögliche Lösungen finden.
Auch unter Erwachsenen funktioniert es nicht immer sofort, dass man eine Lösung findet. Man muss reden, verhandeln. Mit Kindern ist es noch schwerer, denn sie sind eben nicht erwachsen. Kleine Kinder haben auch noch nicht die Möglichkeiten, sich in andere so gut hinein zu versetzen, wie es uns Erwachsenen gelingt. Sie haben noch keine ausgebildete Theory of mind. Sie lernen gerade erst, dass andere gar nicht immer das wollen, was sie selber wollen. Sie sind verwundert, dass Mama oder Papa vielleicht gerade jetzt im Wohnzimmer nicht Fußball speilen wollen und sie verstehen nicht, dass das Kind im Sandkasten gegenüber ihnen wirklich nicht die Schippe geben will.
Und dann treffen zwei Kinder aufeinander in einer Familie: Sie sind gerade in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung. Vielleicht haben sie die Entwicklung der Theory of mind beide noch nicht abgeschlossen, denn sie sind beide noch unter 5 Jahre, vielleicht ist auch eines schon darüber. Dennoch sind sie ganz verschieden und dies auch mit gutem Grund, sie sind verschiedene Menschen und jeder möchte in seiner Individualität betrachtet werden, möchte geliebt werden und seinen Wünschen und Bedürfnissen nachkommen.
Als Erwachsene stehen wir neben diesen beiden Kindern, die sich um ein kleines Einhorn streiten, darum, was es heute zum Essen geben soll oder wer auf Mamas Schoß sitzen darf. Anlässe, sich zu streiten, gibt es genügend. Gerade dann, wenn einer der Beteiligten oder beide noch nicht die Fähigkeiten haben, die Gefühle und Absichten des anderen vermuten zu können. Wir können in diesen Momenten nicht beiden Kindern gleichzeitig gerecht werden in dem Sinne, die perfekte Lösung für beide zu finden. Wir können versuchen, zu vermitteln. Wir können aufzeigen, wie man Kompromisse findet. Wir können Gefühle widerspiegeln und aufnehmen. Wir können erklären. Wir können sie auch selber machen lassen und sehen, welche Lösungen sie finden. Aber wir finden oft nicht die perfekte Lösung für beide.
Gerecht werden wir ihnen, wenn wir mal auf der einen Seite, mal auf der anderen Seite Recht geben. Mal den einen in den anderen Blicken lassen und ihm aufzeigen, dass dieser nun an der Reihe ist und beim nächsten Mal wieder den anderen. Wir werden ihnen gerecht, wenn wir wahrnehmen und zuhören – auch wenn wir nicht für beide eine zufriedenstellende Lösung finden. Wir werden ihnen auch gerecht, wenn wir sie eigene Wege finden lassen, denn auch das gehört zur kindlichen Entwicklung dazu. Um ihnen gerecht zu werden, müssen wir uns nicht beständig einmischen und erwachsene Lösungen anbieten. Gerechtwerden bedeutet nämlich nicht, dass wir immer eine Lösung finden müssen, die für beide gleich gut ist. Gerecht werden bedeutet, sie auf ihrem Weg so gut es geht zu begleiten.
Passender und schöner Text, der genau richtig kommt. Bin gerade drei Tage allein mit den drei Kindern und gefühlt beschwert sich immer einer, dass er zu kurz kommt. Und so tappt man doch immer wieder in die „perfekte Lösung finden“- Falle und scheitert kläglich;)
Hallo liebe Susanne,
Vielen Dank für den Bericht. Ich selber stehe gerade verzweifelt vor genau dieser Frage:“werde ich meinem Kind gerecht?“ Aus finanziellen Gründen habe ich mich entschlossen als Tagesmutter zu arbeiten. Für mich kam nicht in Frage meine Tochter abzugeben und in meinen alten Beruf zu gehen.
Jetzt stelle ich mir die Frage….. und weiß gerade nicht weiter…
Meine Tochter ist 16 Monate alt und eigentlich sehr aufgeschlossen wir stillen und genießen die gemeinsame Zeit.
Zur Zeit betreue ich zwei gleichaltrige Jungs von morgens bis mittags fünf mal pro Woche. Das klappt wirklich hervorragend. Jetzt kommt noch ein Mädchen etwas jünger dazu vier mal pro Woche auch von morgens bis mittags und ab März noch ein Junge erst ein Jahr alt und er kommt zwei mal pro Woche den ganzen Tag.
Kann ich bei so vielen Kindern meiner eigenen Tochter noch gerecht werden?
hey luisa, interessant meine mama hat auch ein eigenes kind mittlerweile drei jahre und waehrenddessen vollzeit als tagesmutter mit weiteren vier kindern gearbeitet.
das war nicht so schoen. meine mama war sehr traurig, wie sehr ihr kleiner unter dem teilen von mutter, spielzeug und haus gelitten hat. er wurde auch sehr agressiv hatte viele schlechte tage.
seit kurzem scheint es aber besser zu gehen, mittlerweile ueberwiegen wohl die vorteile freunde so regelmaessig im haus zu haben.
Toller Text, der auch die unterschiedlichen Bedürfnisse meiner Kinder trifft. Toll der Zusammenhang und Brückenschlag zur „Theory of Mind“. Ich habe mal gelesen, dass wenn Kinder anfangen zu flunkern, erste Schritte zur Entwicklung einer „Theory of Mind“ getan sind. Das ist spannend zu beobachten und lässt einen mit Neugier und Gelassenheit diese spannende Entwicklungsphase beobachten. Vielen Dank für den Artikel, der die Theory of Mind der Geschwister unterschiedlichen Alters aufzeigt. Zwillinge haben es in diesem Punkt manchmal besser, ähnlichere Interessen…
Danke für deine ermunternden Worte, denn bei drei Kindern fühlt sich
immer einer benachteiligt und das muss nicht einmal direkt geäußert
werden, sondern kann auch durch Taten erfolgen. Sich auf die Ebene der
Kinder zu begeben und nicht nacht Erwachsenenlösungen zu suchen ist eine
große Herausforderung wie ich finde.
Sie zu begleiten ist auch
mein Ziel, aber oft sind auch meine Nerven angespannt und es ist
schwierig bei allen Disputs immer gelassen und einfühlsam zu bleiben.
Liebe Grüße
Stephi
Sehr schöner Beitrag. Vielen Dank dafür.
Momentan sind meine beiden noch sehr harmonisch.
Das wird sich bald ändern wenn die Kleine sich fortbewegen kann.
https://kellerbande.wordpress.com/2014/10/15/was-wird-mit-einem-zweiten-kind-anders/
Liebe Grüße
Anja von der Kellerbande