Kürzlich las ich auf Kleiner Drei den sehr berührenden Artikel „Bruchreif“ von Hakan über den Generationenkonflikt zwischen Vater und Sohn. Kurz darauf folgte ein Artikel von Sophie Lüttich von BerlinFreckles über das Zitat in diesem Text:
“Ich will nicht der Grund sein dafür, dass es dir scheiße geht”, sage ich, “aber du kannst dein Glück nicht von meinem Leben abhängig machen. Das ist unfair mir gegenüber.”
Sophie schreibt darüber, wie wunderbar es ist, Kinder zu haben, aber dass dieser Umstand nicht ihr Leben ausmacht, dass es so gut und wichtig ist, anderes zu haben und ihr Glück im Leben nicht allein dadurch entstanden ist, Kinder zu haben. Ich habe eine Weile über beide Texte nachgedacht, die ich beide auf ihre Weise ganz großartig finde. Und genau an dem oben stehenden Zitat und auch an dem, was Sophie schreibt, sind so viele Probleme unserer Zeit festzumachen. So viel, was uns Eltern unter Druck setzt, was und im Alltag behindert, geht genau auf dieses Gefühl zurück, dass Kinder uns komplett machen sollten, uns glücklich machen sollten, dass wir das größte Glück durch Kinder haben sollten. Aber das ist nicht so. Kinder machen uns nicht per se glücklich und sie sollen es auch gar nicht.
Es ist nicht die Aufgabe von Kindern, uns glücklich zu machen
Kinder haben keine Aufgaben. Sie sind nicht da, um uns Liebe und Geborgenheit zu geben, um uns zu versorgen mit Dingen, die wir nicht bekommen. Sie sind nicht kuschelige kleine Wesen, die man an sich drücken kann, wenn man es gerade möchte. Wer so denkt, wird zwangsweise enttäuscht werden, wenn das Baby schreit oder weint und eben nicht da ist, um Bedürfnisse von Erwachsenen zu befriedigen. Kinder und Babys sind in erster Linie für sich selbst da und werden von uns umsorgt – nicht anders herum. Wir geben ihnen Liebe und behandeln sie respektvoll. Und eines Tages werden sie auch uns und die Menschen in ihrer Umgebung in der Weise behandeln, wie wir es ihnen gezeigt haben. Aber dies ist nicht die Voraussetzung dafür, dass wir mit ihnen richtig umgehen.
Kinder können die Last des Verzichts nicht auf ihren kleinen Schultern tragen
Gerade deswegen ist es auch nicht richtig, davon zu sprechen, was man alles für sein Kind tut. Kinder können diese Last nicht auf ihren kleinen Schultern tragen: Die Last all der Hoffnungen und Erwartungen, die wir in sie stecken. Die Last des Verzichtes, den wir für sie eingehen. „Für Dich habe ich meinen Job aufgegeben“, „Für Dich bin ich zu Hause geblieben“, „Deinetwegen habe ich mein Hobby aufgegeben“ – „… aber ich habe es gern getan aus Liebe“. Diese Sätze sind trotz (oder wegen?) des ABERs zu groß und zu schwer für Kinder und selbst für Jugendliche. Denn sie sind nicht fair. Kinder stellen keine Forderungen, die man ihnen später vorhalten kann. Kinder sind da und genau so, wie sie sind. Wir können ihnen einen Rahmen geben, unsere Zuwendung. Aber wir sollten ihnen dafür keine Rechnung präsentieren, keine Erwartungen haben und ihnen kein schlechtes Gewissen machen.
Was ich für meine Kinder alles nicht tue
Ich habe meinen Job an der Uni nicht für meine Kinder aufgegeben, sondern für mich. Nicht, damit es ihnen besser geht, sondern mir: Damit ich nicht gehetzt bin zwischen Lehre, Forschung, Promotion und Kindern. Ich habe mir – weil es glücklicherweise ging – einen Job gestaltet, der besser zu mir und dem passt, was mich glücklich macht. Ich habe meine Figur von damals auch nicht verloren, weil ich Kinder bekommen habe. Es ist nicht ihre Schuld, dass mein Becken deutlich breiter ist, meine Brüste nicht mehr so straff und das Bindegewebe insgesamt deutlich an Elastizität nachgelassen hat. Es ist sicher eine Entwicklung der Zeit und vielleicht auch, weil ich an der ein oder anderen Stelle recht nachlässig mit dem umgegangen bin, was manche Menschen als Schönheitsideal bezeichnen. Ich habe meine Kinder auch nicht nur ihretwegen in unserem Bett schlafen lassen, weil es nur so viel besser für sie sei. Ein großer Anteil daran lag auch an mir und dem Umstand, dass es so eben viel einfacher ist für uns. Ich gebe ihnen nicht die Schuld an schlechten Nächten, wenn sie nicht durchschlafen und ich deswegen schlecht gelaunt bin oder müde. Es ist eben so und ich versuche für mich so gut es geht damit umzugehen. Ich gestalte mir schöne kleine Inseln im Alltag, die mir gut tun.
Es gibt viele Dinge, von denen man vielleicht sagen würde, ich würde sie wegen oder für die Kinder tun – von Außen betrachtet. Aber ich tue sie für mich. Und ich werde sie später nicht meinen Kindern anlasten. Ich werde ihnen nicht sagen, dass ich für sie die Schmerzen der Geburt durchgestanden habe oder für sie mein Leben änderte. Ich habe all diese Dinge für mich getan. Ich bin an meinen Kindern gewachsen. Mein Leben hat sich verändert durch sie, aber nicht wegen ihnen. Viele Dinge haben eine andere Bedeutung bekommen, sind hervor oder zurück getreten, aber nicht unbedingt weil ich etwas tun musste wegen ihnen. Durch sie sehe ich viele Dinge anders, habe einen anderen Blick auf Menschen, Erlebnisse, Umwelt und das Leben an sich.
Wir begleiten uns, aber wir gehen nicht den Weg des anderen
Mein Glück, das sieht heute vielleicht anders aus als vor 10 Jahren. Aber ich bin nicht weniger glücklich. Ich habe Glück gefunden für mich ganz allein, unabhängig von den Kindern. Und ich weiß, dass es mich nicht glücklich oder zu einer besseren Mutter machen kann, wenn ich auf Dinge für meine Kinder verzichte, die mir wichtig sind. Ich gebe Dinge, die mir wichtig sind, nicht für meine Kinder auf. Oder fange mit Dingen an, weil ich Kinder habe und man das dann so tut. Ich gehe meinen Weg, der mich glücklich macht und habe Kinder, die auf diesem Weg mit gehen und die ich auch auf ihrem begleite.
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Ich danke Dir für diese tollen Worte, die sich jeder Mensch (ob Eltern oder nicht) zu Herzen nehmen sollte! Genau dieses Thema beschäftigt mich auch zur Zeit: Glück. Und nur ich selbst bin dafür zuständig. Wie ICH die Dinge sehe/fühle/finde, so sind sie. Und nicht nur wird die Verantwortung meines Glücks auf andere Schultern gepackt, auch begebe ich mich damit in eine Opferrolle. Der/die andere/n soll/en die Macht haben, über mein Glück zu entscheiden? ! NEIN! Die Verantwortung tragen NUR wir selbst. Egal, was wir tun. Mit allem anderen belügen wir uns selbst und werden nie glücklich sein (was auch kein dauerhafter, festhaltbarer Zustand ist, sondern ein immer währender Prozess!).
Selbstwertgefühl ist das a und o.
Sehr guter Beitrag mit vielen Ausrufezeichen. Ich mag Deine Einstellung und teile sie.
Ein toller Beitrag mit vielen sehr guten Denkanstößen.
Von zentraler Bedeutung finde ich „Es ist nicht die Aufgabe von Kindern, uns glücklich zu machen“ – Kinder haben keine Aufgaben. Sie sind nicht da, um uns Liebe und Geborgenheit zu geben…“, vielen Dank dafür.
Sehr gut geschrieben!!!
..ein ganz toller text, der mich zum nachdenken angeregt hat! wie ist es eigentlich bei mir? bin ich noch auf meinem weg?
ich denke, ich habe immer auch meine eigene definition von leben und glück beibehalten – gerade auch dann, wenn es familiäre situationen gibt, die meine ganze kraft fordern..denn nur wenn ich in der lage bin, meine batterien wieder aufzuladen, kann ich eine starke und ausgeglichene wegbegleiterin für meine kinder sein !
danke für diesen artikel 😉
Danke! in unserer „wahnsinn – ich bin toll und muss auf jeden Fall immer alles können“ -Welt fehlt genau das, was der Artikel aufzeigt…
Dazu gibt es ein schönes Gedicht von Khalil Gibran (Arabischer Dichter, 1883-1931)
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Ich habe eben dieses wundervolle Gedicht lesen dürfen. Danke dafür! Passt zu dem oben geschriebenen Artikel.
Liebe Grüße
Danke, wieder mal ein sehr schöner Text Frau Mierau! Mein Impuls war auch immer, dass die Kinder nicht darum gebten haben geboren zu werden, sie waren an dem Entscheidungsprozess nicht beteiligt, somit müssen die Eltern mit den Folgen ihrer Entscheidung umgehen lernen. Das ist nicht immer ganz leicht, aber was, außer Schokoldae essen, ist immer leicht 🙂 Desweiteren weiß ich aus eigener Erfahrung was es bedeutet, wenn man als Kind versucht seine (in meinem Fall) Mutter glücklich zu machen und wie furchtbar es ist, wenn Kind es nicht schafft. 🙁 Es raubt mir heutzutage noch unendlich viel Kraft, wenn meine Mutter mich wieder mal braucht um glücklich zu sein.
Gerade gelesen und für mich eine Erinnerung die ich so dringend brauche im Moment zwischen Elternzeit und Identitätssuche. Vielen Dank!
Laura
http://www.meine-kleine.de
Ein wirklich schöner Artikel.
Ich habe diesen Artikel via Pinterest gefunden und endlich, endlich!, jemand, der es genauso sieht wie ich. Ich kann mich gut an meine Mutter, aber auch Schwiegermutter erinnern, wenn sie sagten „Wegen dir habe ich das und das nicht gemacht“ bzw. „Für dich…“.
Keiner von uns hatte an der Tür angeklopft und nach dem Leben gefragt, sondern alle wurden durch Zufall, weil genau gerade zu diesem Zeitpunkt eine Verschmelzung stattfinden konnte und monatelang im Mutterleib alles gut lief, in die Welt geschleudert. Ohne gefragt zu werden. Sondern – im besten Fall und positiv betrachtet – weil zwei Liebenden sich dazu entschieden haben.
Also ist es die Aufgabe der Eltern, die kleinen Geschöpfe so gut es geht glücklich zu machen und zu begleiten. Ihre Hand zu nehmen und durch das Leben zu geleiten, abhängig davon, wie lange die Hand gehalten werden möchte. Nicht andersherum. Ist genug Liebe beidseitig entstanden, dann reichen unsere Kinder uns später in Schwierigkeiten ihre Hände, um uns zu helfen.
Grundsätzlich stimme ich dem Gedanken zu, aber ich finde nicht, dass man keine Erwartungen an seine Kinder haben kann. Zumindest wenn diese ein bisschen älter sind. (Und dann stellen sie teilweise sehr wohl Forderungen, die man ihnen später vorhalten kann …)
Meine Tochter beispielsweise wollte unbedingt Ukulele lernen – was für mich ein finanzielles und zeitliches Opfer ist. Das laste ich ihr natürlich nicht an, im Gegenteil, es ist ein Opfer, das ich gerne bringe, und ich habe auch Freude daran, wenn sie sich für etwas begeistert. Ich erwarte aber im Gegenzug, dass sie das zu schätzen weiß, und regelmäßig übt, und ihr klar ist, dass eben nicht alles vom Himmel fällt. Dazu muss sie aber auch wissen, was ich in diesem Zusammenhang für sie tue/opfere, daher kommuniziere ich ihr das auch. Ohne Schuldzuweisung natürlich und ihr steht natürlich frei, den Musikunterricht wieder aufzugeben, wenn sie mit dieser Erwartung an sie nicht klar kommt.
Ich finde, das steht ja eigentlich nicht im Gegensatz, sondern ist ja auch logisch: Natürlich bezahlt man keinen Unterricht, wenn das Kind das nicht richtig durchführen möchte. Aber Du erwartest ja nicht, dass das Kind Ukulele spielen soll, weil Du es schön findest.