Meine beste Freundin. Wir kennen uns seit Kindertagen und haben so viel gemeinsam erlebt: Große Lieben, kleine Schwärmereien, haben voneinander abgeschrieben, haben Schulbrote geteilt. Wir waren füreinander da. Und langsam wurden wir auch älter. Wir verließen die Schule und schworen uns ewige Freundschaft. Wir heirateten und irgendwann wurden wir schwanger. Das war der Moment, an dem wir merkten, dass wir doch ganz unterschiedlich sind.
Es ist schon komisch, da kennt man sich das halbe Leben. Die geheimsten Geheimnisse hat man miteinander geteilt. Wenn es einen Menschen gab, den ich mitten in der Nacht anrufen konnte, dann sie. Sie hätte sich wohl auch nicht gewundert, wenn ich einfach nachts vor ihr gestanden hätte. Wenn sie es bei mir tat, wunderte ich mich jedenfalls nie. In den dunkelsten Stunden war sie da. Die hellsten und lustigsten Momente hatten wir oft gemeinsam. Manchmal gab es Phasen, in denen wir auch unsere eigenen Wege ginge, doch wir wussten, dass es uns gab und wir im Notfall füreinander da wären. Eine Schnellwahltaste voneinander entfernt.
Selbst das Älterwerden an sich machte uns nichts aus. Wir mochten nicht mehr die gleiche Musik und gingen auch in unterschiedliche Clubs, aber im Herzen waren wir doch beieinander. Als wir anfingen, mit festen Partnern zusammen zu wohnen, standen wir nachts nicht mehr vor der Tür der anderen, aber das Gefühl war noch da, dass wir es könnten. Als wir schwanger wurden, erzählten wir es unseren Partnern und dann uns und freuten uns miteinander. Der nächste große Schritt stand bevor, gemeinsam. Ein neues Abenteuer für Erwachsene. Wir überlegten, wie unsere Kinder wohl so wären und ob sie auch gemeinsam auf der Schulbank sitzen würden. Ob eine von ihnen die Draufgängerin wäre und die andere die Ruhige. Wir schwelgten in unseren Erinnerungen an unsere gemeinsame Schulzeit. Ab und zu, wenn wir ins wirkliche Leben zurück tauchten, merkten wir schon Unterschiede zwischen uns: Ich freute mich auf eine natürliche Geburt im Geburtshaus, für sie kam nur die Klinik in Frage, vielleicht auch ein Kaiserschnitt, das wusste sie noch nicht. Als wir zusammen Babysachen einkauften und ich mich für das Tragetuch entschied, nahm sie zwar auch eins, aber weniger begeistert. Und im eigenen Bett sollte ihr Baby auch schlafen. Wir sahen darüber hinweg und lachten und freuten uns. Heimlich erzählten wir unseren Partnern davon, dass unsere beste Freundin schon ein bisschen merkwürdig sei in diesen Dingen. Sie und ich.
Als unsere Kinder auf der Welt waren, stillten wir, aßen gemeinsam Kuchen und trugen unsere Kinder durch die Stadt. Sie ging zu PEKIP, ich zu Pikler. Mit sechs Monaten stillte sie ab, ich stillte weiter bis zum zweiten Geburtstag. Wir lachten darüber und sagten, dass wir ja schon immer unterschiedlich gewesen seien. Im Stillen runzelten wir auch die Stirn über den Weg der anderen. Ob das so gut war für sie und ihr Kind? Das Alltagsleben holte uns ein. Sie ging schon wieder arbeiten als ich noch im zweiten Jahr der Elternzeit war. Wir sahen uns weniger. Wir riefen einander nicht mehr nachts an, wenn wir nicht weiter wussten, weil wir ja sowieso andere Wege ginge. Wir sprachen es nicht aus, aber wir spürten unsere Verschiedenartigkeit und sahen, wie verschieden unsere Kinder wurden. Ich ging nicht zum Frühenglisch und auch nicht zum Kindertanz mit meinem Kind. Während ihr Kind die ersten Worte schrieb, malte meins grüne Pinguine mit vier Beinen. Etwas besorgt berichteten wir unseren Partnern, dass das Kind der anderen so gar nicht nach den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft aufwachsen würde.
Als meine Freundin mit ihrem Kind an einem schönen Sommertag nach Hause ging, an dem wir mit unseren Kindern auf dem Spielplatz waren und darüber diskutierten, ob zwei Kinder heute nicht bedeuten würden, dass man zu wenig Zeit und Geld in das erste Kind investieren könnte, schaute ich zuerst auf meine zwei matschverschmierten Kinder hinab und blickte ihr lange hinterher. Dann drehte ich mich um und ging in mein Leben. Zu meinem Partner, mit dem ich bis in die Nacht redete und der nun Platz eins der Schnellwahltasten belegte.
Freundschaften kommen und gehen, wir verändern uns und unsere Freund/innen auch. Manchmal in die gleiche Richtung aber viel öfter in verschiedene Richtungen.
Meine allerbeste Freundin aus meiner Jugendzeit musste ich schon vor Jahren ziehen lassen, als sie mit ihrem jetzigen Mann zusammenkam. Irgenwann passten wir einfach nicht mehr zusammen. Wir verstehen uns immer noch sehr gut, aber wirklich nur wir zwei und gewisse Themen müssen aussen vor bleiben, was die Freundschaft natürlich etwas weniger tief macht. An ihre Stelle traten „Lebensabschnittsfreundinnen“, wunderbare Frauen, die einem einen wichtigen Teil des Weges begleitet haben und dann wieder eigene Wege gingen. Dank Internet hat man immer noch Kontakt, auch wenn man sich wieder voneinander weg entwickelt hat.
Und eben vor Kurzem durfte ich eine wunderbare neue Freundin finden, was mich mit tiefer Dankbarkeit erfüllt, denn solche Menschen sind wertvoll und wichtig. Ob wir ein Jahr oder zehn Jahre gemeinsame Wege beschreiten werden, wird sich zeigen, aber es ist ja auch nicht so wichtig.
Danke, dass du hier so offen darüber schreibst, mich berühren deine Worte sehr…
Mich beschäftigt dieses Thema auch immer wieder, ich frage mich, warum einen manche Menschen nur ein Stück des Weges begleiten und wieso es so schwierig ist, unterschiedliche Ansichten bezüglich des Lebens mit Kindern in einer Freundschaft „unter einen Hut zu bringen“. Aber vermutlich ist es auch hier so, dass einfach alles seine Zeit hat und das Leben ein steter Wandel ist….