Der Familienalltag ist nicht immer einfach, findet auch Stephanie Schönberger. Doch es reicht meist nicht, „nur“ ein paar Yogabewegungen zu machen, um dem Stress zu entkommen. Für wirkliche Entspannung braucht es ein Umdenken – und genau das bietet das Yoga: „Die Idee, dass in uns, dass in jedem natürlichen Wesen Eigenschaften sind, die unsere Sichtweise beeinflussen, die unser Fühlen, Denken und Handeln maßgeblich bestimmen, kann helfen, unser eigenes emotionales Auf und Ab besser einzuordnen.“ (Schönberger 2017, S. 132) Besonders im trubeligen Familienleben kann Yoga eine Unterstützung sein, findet Stephanie. Mir hat die Autorin von „Das Karma, meine Familie und ich“ einige Fragen zum Thema Yoga und Familie beantwortet:
1. Stephanie, Du praktizierst Yoga, unterrichtest und hast auch ein Buch darüber geschrieben. Wie bist Du zum Yoga gekommen?
Während meiner ersten Schwangerschaft vor elf Jahren. Bis dahin hatte ich mit Yoga relativ wenig am Hut. Tatsächlich fand ich es sogar suspekt. Ich arbeitete damals als Ressortleiterin bei einer großen Frauenzeitschrift und viele meiner Kolleginnen begannen zu der Zeit mit Yoga. Wirkten deshalb aber nicht signifikant entspannter. Ich verstand den ganzen Hype darum nicht wirklich. Dann wurde ich also schwanger und mein Leben in der Redaktion gefühlt deutlich unlustiger, denn schwangere Frauen und Mütter waren als Inventar nicht vorgesehen. Zumindest empfand ich das so, auch, als man mir zu verstehen gab, dass ich nach der Geburt nicht mit einer Halbtagsstelle rechnen könne. Ich war unglücklich und hatte plötzlich Angst vor der Zukunft. Eine Kollegin überredete mich dann zu einem Yoga-Kurs für Schwangere. Das war, wenn man so will, die Initialzündung. Denn das, was ich dort mit simplen Übungen in meiner ersten Stunde erlebte, war eine ganz große innere Heiterkeit und Gelassenheit, die lange anhielt. Das Feuer oder die Begeisterung für Yoga ist seitdem nie wieder erloschen. Diese erste Yoga-Stunde hat mein Leben tatsächlich komplett verändert, denn ohne sie würde ich heute wahrscheinlich nicht hauptberuflich als Yoga-Lehrerin arbeiten. Und hätte mir das damals jemand prophezeit, ich hätte ihn ausgelacht.
2. Was nimmst Du aus dem Yoga für den Alltag mit, was hat sich dadurch besonders verändert?
Mein Denken und ich hoffe auch mein Handeln haben sich durch Yoga verändert. Was weniger an den Körperübungen, den Asanas, liegt als an der Yoga-Philosophie, die ich als absolut befreiend und frei machend erlebe und erfahre. Sie sagt, ganz salopp: „Du musst Deinen inneren Frieden finden, dann kannst Du andere in Ruhe lassen.“ Womit dem Frieden in der Familie und der Welt schon mal sehr geholfen wäre. Der Yoga zeigt uns auch, wie wir diesen inneren Frieden finden können, übrigens, ohne, dass wir uns dabei auf den Kopf stellen oder sonst irgendwie verrenken müssen. Es geht darum, seinen Blickwinkel zu verändern, zu erkennen, was uns wirklich handeln lässt, nämlich unsere Sehnsucht nach einem guten Gefühl. Es geht auch darum zu bemerken, wie stark wir durch unsere Erziehung, unsere Erfahrungen, unser soziales und kulturelles Umfeld im Denken und Handeln geprägt sind. Was ja nicht schlimm sein muss, aber oft doch zu sehr festgefahrenen Strukturen führt. Bei Sätzen wie zum Beispiel „Das hat man schon immer so gemacht“ sollten wir uns erlauben, genauer hinzufühlen, ob das für mich noch stimmt.
Yoga ist eine der ältesten Psychoanalysen der Welt und die Yogis erklären uns, warum wir ticken, wie wir ticken und warum wir manchmal austicken. Und sie geben uns Mittel und Methoden in die Hand, wie wir das Austicken vermeiden können. Yoga ist Selbststudium und sagt du musst dich verändern, wenn Du ein entspannteres Leben führen möchtest. Denn an deinem Stress, deiner Unzufriedenheit sind nicht deine Kinder oder dein Partner Schuld, sondern deine festgefahrene Sichtweise auf dich und die Welt.
Insgesamt hat mich Yoga im Alltag nicht nur sehr viel entspannter gegenüber mir selbst sondern auch gegenüber anderen Menschen werden lassen. Wir bemühen uns schließlich alle.
3. Dein Buch ist ein Yoga-Buch für Familien. Warum kann gerade Yoga für Familien hilfreich sein?
Weil die Ideen der Yoga-Philosophie, um die es in dem Buch geht, so alltags- und familientauglich sind. Finde ich zumindest. Sie sagen, mach dir bewusst, dass wir alle wirklich nur das eine möchten, nämlich uns gut fühlen. Darum essen, darum trinken wir, darum arbeiten wir bis zum Umfallen, turnen auf der Yogamatte, geben Geld für Handtaschen, Schuhe, Smartphones oder was auch immer aus, darum zanken unsere Kinder um Bauklötzchen und anderes Spielzeug, darum kommen sie nachts in unser Bett, darum, schreien wir, so paradox das klingt, unsere Kinder oder unsere Lebenspartner an. Wir hoffen, und sind uns dessen oft gar nicht bewusst, dass es uns dann besser geht. Die Yogis sagen, wir greifen bei unserer Suche nach dem guten Gefühl leider oft zu den falschen Mitteln. Also habe Mitgefühl und Verständnis, für dich und das Verhalten der Menschen um dich herum. Verurteile sie nicht, denn sie wissen, wie übrigens du selbst auch, oft nicht, warum sie etwas tun. Versuche Gewalt in Gedanken, Worten und Taten zu vermeiden, bleib wahrhaftig, sei zufrieden mit dem, was du hast, beobachte dich und dein Verhalten und akzeptiere, dass du nicht alles unter Kontrolle hast, aber alles den Weg gehen wird, den es gehen soll.
Mir hilft das in anstrengenden Situationen, zum Beispiel morgens, wenn alle irgendwie pünktlich aus dem Haus müssen und sich permanent im Weg stehen und alle zunehmend gereizter reagieren sehr. Dann sage ich mir, wir wollen uns alle nur gut fühlen, sind aber auf dem besten Weg, ins Gegenteil hineinzuschlittern, weil wir so unbewusst und reaktiv handeln. Das macht mich umgehend milder. Und dadurch auch ruhiger, was hilft, gelassener und mitfühlender auf den Trubel zu reagieren.
Und die Yoga-Philosophie hat mir auch geholfen, meine Sichtweise auf die Erziehung zu verändern. Meine Yoga-Lehrerin sagte einmal zu mir: „Deine Aufgabe als Mutter ist es, dafür zu sorgen, dass Du deinen Kindern den Raum und den Rahmen gibst, innerhalb dem sie ihr Potential entfalten und in die Welt bringen können.“ Diese yogische Idee finde ich eine sehr schöne. Sie sagt auch, erlaube Deinen Kindern ihr eigenes Leben zu leben, aber sorge dafür, dass sie tiefes Vertrauen haben in sich und in dich, dass sie heranwachsen zu Menschen, die sich und ihrer Mitwelt nicht absichtsvoll schaden, die ein friedliches Bewusstsein entwickeln und lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und sie auch ohne Angst auszudrücken dürfen. Und die Kinder und in der Natur sein dürfen, dem Ort, wo sie natürliche Erfahrungen machen. Ich erlebe meine Kinder als sehr entspannte kleine Menschen mit großem Herz – ohne, dass ich mit ihnen Yoga-Übungen mache. Mein Sohn spielt lieber Fußball und meine Tochter voltigiert. Aber ich glaube tatsächlich, alle Kinder sind von Natur aus erstmal mitfühlend. Man sollte sie darin bestärken.
4. Kannst Dur mir ein konkretes Ritual nennen, das einfach im Alltag integriert werden kann und das Familien mehr Entspannung bringt?
Eines meiner Rituale ist, mir nach dem Aufwachen und vor dem Aufstehen zu überlegen, mit welcher inneren Haltung ich in Tag gehen will. Im Yoga nennt man das Bhavana, die innere Einstellung. Das hilft mir, mir eine Ausrichtung zu geben. Außerdem lohnt es sich, sich in der früh gleich mal anzulächeln, das hellt die Stimmung auf, denn Lächeln, selbst wenn es grundlos ist, entspannt. Haben Studien gezeigt.
Unser Ritual am Abend ist, dass jeder zwei Dinge sagen darf, die am heutigen Tag nicht so toll waren und dann drei Dinge sagen muss, die wirklich schön waren. Das macht alle entspannter und lässt alle friedlicher einschlafen und besser träumen.