Besuche auf dem Bauernhof sind toll. Früher haben wir meistens unseren ganzen Urlaub auf unserem Lieblingsbauernhof in der Uckermark verbracht. Nun, wo wir selber ein Haus auf dem Land haben mit Schafen, Pferden, Kühen und Hühnern in der Nähe, ist der Bauernhofurlaub nicht mehr so dringend notwendig. In diesem Urlaub wollten wir uns dann aber doch einen ganz bestimmten Bauernhof einmal näher ansehen: Das Ökodorf Brodowin.
Aus Brodowin kommt unsere Milch. Und jeder gute Coffeehipsterladen in Berlin verwendet Milch von dort. Also wollten wir uns unbedingt einmal ansehen, woher diese Milch kommt, die alle für die beste Milch halten. Was viele beim Griff ins Kühlregal nicht wissen: Brodowin ist gar nicht weit entfernt von Berlin, mit dem Auto etwa eine Stunde liegt es bei Chorin.
Immer Samstags gibt es dort eine Hofführung für Erwachsene und Kinder. Dabei erfährt man alles über den Hof und seine Produkte: Von der Anzahl der Kühe über den Umgang mit Kälbern und einem Einblick in die gläserne Molkerei bis hin zu Hühner- und Ziegenhaltung. Und man kann alles vor Ort ansehen, Tiere anfassen, Fragen stellen. Wirklich ehrlich wird dort über Tierhaltung und Wirtschaftlichkeit gesprochen.
Erste Station der Führung war einer der mobilen Hühnerwagen, die auf der Streuobstwiese stehen und in regelmäßigen Abständen umher gefahren werden. So haben die Hühner immer wieder frisches Gras, denn wie wir hier erfahren: Hühner brauchen nicht sandigen Boden, in dem sie scharren, sondern Gras. Da aber recht schnell bis auf die Wurzeln alles ausgescharrt ist, müssen Hühner bewegt werden. Dies hat auch den Vorteil, dass sich so Krankheiten nicht gut verbreiten können, denn die Hühner werden zu einem neuen Platz gebracht und der Hühnerkot wird von der Sonne auf dem alten Feld „desinfiziert“.
Nachdenklich stimmt einen die Information, dass bewusst eine Hühnerrasse ausgewählt wurde, die sowohl gut Eier legt als auch Fleisch ansetzt, damit männliche Nachkommen nicht wie in anderen Betrieben sofort getötet werden. Aber auf eine reine Legerasse zu setzen, würde sich finanziell nicht lohnen, weil Menschen den Preis für ein Ei eines gut gehaltenen Legehuhns nicht zahlen würden, der sich dann auf 1 Euro/Stück belaufen würde. Und wie wir erfahren ist es auch hier so, dass die Tiere, die keinen Nutzen mehr bringen, geschreddert werden.
Diese Informationen erinnern mich an das Buch „Landleben: Von einer, die raus zog“ von Hilal Sezgin, das ich kürzlich gelesen habe und in dem sie über Hühner u.a. schreibt:
Weil heutige Hühner so stark auf eine bestimmte Leistung – die Produktion von Eiern oder Fleisch – gezüchtet sind, sind die männlichen Küken überflüssig und werden noch am Tag des Schlüpfens aussortiert, begast und durch einen Schreder gedreht.
Weiter geht es im Anschluss zu den Kühen. Hier wird vorgewarnt: Die tragenden Kühe bitte nicht anfassen, sie sind sehr zickig. Die Kälber hingegen auf der anderen Seite des Stalls lassen sich gern streicheln und lecken mit ihren rauhen Zungen die Hände der Besucher ab. Die Kinder sind zuerst etwas zurückhaltend, müssen sich auch erst an den Geruch im Kuhstall gewöhnen. Dann aber wollen auch sie die Tiere streicheln. Die Kälber erhalten hier 100 Tage Vollmilch, davon in der ersten Woche die Milch ihrer eigenen Mutter, später gemischte Milch. Ich blicke auf mein fast zweijähriges Stillkind im Tragetuch und wieder stellen sich mir viele ethische Fragen. Wir erfahren außerdem, dass den Tieren hier nicht die Hörner geschnitten werden und darauf geachtet wird, dass sie erst ausgewachsen sind, bevor sie gedeckt werden. Die Mitarbeiterin erklärt, dass man anhand der Hörner erkennen könne, ob eien Kuh schon einmal getragen hat, denn dann gibt es Einschnürungen an den Hörnern. Werden Kühe zu früh trächtig, wachsen sie nicht mehr weiter, weil alle Energie in das Junge geht. „Wie bei uns Menschen“, erklärt die Mitarbeiterin, „wenn Kinder Kinder bekommen, wachsen sie auch nicht mehr.“ Das wusste ich noch nicht und nehme mir vor, es zu recherchieren. Kalbfleisch wird hier nicht produziert und es gibt Kühe, die auch 12 oder 14 Jahre alt hier werden. Aber es wird immer darauf geachtet, ob die Kuh in die Gruppe passt oder es andere Probleme gibt, die auch schon früher zum Schlachter führen. Mir wird klar, dass auch ein Ökobetrieb wirtschaften muss und es nicht alles rosarot ist, wenn man Tiere hält.
Nachdem wir einen Blick in die Gläserne Molkerei geworfen haben, geht es im Fußmarsch zu den Ziegen. Die Kinder dürfen die Ziegen mit Ölkuchen füttern: Einem Abfallprodukt, das bei der Herstellung des Sonnenblumenöls entsteht. Denn der Betrieb versucht wirtschaftlich zu sein und es wird geschaut, welche vermeintlichen Abfallprodukte doch noch irgendwo genutzt werden können. Da im Betriebsalltag wenig Zeit für Forschung bleibt, wie die Mitarbeiterin erklärt, wird mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde zusammen gearbeitet und Studenten von dort erproben an einigen Stellen Ideen auf dem Hof. So zum Beispiel auch mit dem Ölkuchen, bei dem die Studentin in vielen Experimenten probiert haben, ob und wie dieser an die Tiere verfüttert werden kann.
Danach geht es zurück zum Hof. Wir naschen auf dem Weg noch einige Brombeeren vom Strauch und nehmen im Hofladen unser Mittagessen ein.
Was zurück bliebt? Die Kinder fanden die Führung und den Besuch toll. Für mich haben sich viele Fragen ergeben in Bezug auf das Essverhalten unserer Gesellschaft, unserer Einstellung zu Preis und Warenwert und generell zum Konsum tierischer Lebensmittel. Deswegen war es nicht nur für das Wohlbefinden ein guter Ausflug, sondern auch, um neue Gedanken anzustoßen.