Über das schwerste Jahr meines Leben und die Liebe und Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Triggerwarnung: Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Stalking

Wer in diesen Tagen das ZEIT Magazin liest, wird darin eine Geschichte finden von einer Familie: Mutter, Vater und zwei Kinder. Der Mann ist Diplom-Kulturwissenschaftler und seit vielen Jahren in verschiedenen Vereinen aktiv, besonders aber im Netz. Die Frau ist Diplom-Pädagogin. Sie hat sich dem Ziel verschrieben, Eltern zu begleiten und ihnen einen liebevollen, verbundenen Erziehungsstil nahezubringen. Sie macht dies in Kursen und Workshops und seit einiger Zeit im Internet: Sie schreibt Artikel über geborgenes Aufwachsen, über Elternschaft. Aufgrund der steigenden Reichweite ihres Blogs wird das Bloggen und Schreiben irgendwann zum Schwerpunkt ihrer Arbeit, womit sie auch Geld verdient. So kann sie das, was als Hobby begann, zum Job machen neben der Begleitung ihrer Kinder zu Hause. Sie haben zwei Kinder, die sie sehr lieben.

Hier könnte eine gemütliche Familiengeschichte aufhören. Aber sie tut es nicht: Es ist auch die Geschichte von einem Mann, der realitätsfern dachte, er sei mit dem Familienvater befreundet. Er fühlt sich von diesem Vater verstoßen und versuchte fortan, anonym die Familie zu terrorisieren. 8 Monate lang. Es ist meine Geschichte, unsere Geschichte.

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2014 war das schwerste Jahr meines Lebens. Es war das schwerste Jahr für uns alle als Familie, denn es stellte uns auf die Probe als Paar, als Familie, als Eltern, als Menschen. Es ist nicht so, dass ich nicht vorher durch schwere Zeiten ging. Damals als mein ältester Bruder viel zu jung starb, als meine Großmutter an Krebs erkrankte und starb. Das Leben ist nicht planbar. Ich dachte immer, ich hätte schon viel gesehen und erlebt und es gäbe so schnell nichts, was mich aus der Bahn werfen konnte. Ich habe immer das Glas halb voll gesehen, es geht schon weiter irgendwie. Aber in diesem Jahr kam ich an meine persönlichen Grenzen an das Gute zu glauben und daran, dass irgendwann wieder ein guter Morgen anbrechen würde ohne Angst und ohne Beschimpfungen und Drohungen von einem Menschen, den ich nie im Leben gesehen habe.

Über acht Monate hinweg erhielten wir – mein Mann und ich – anonyme Telefonanrufe oder Anrufe über gefälschte Rufnummern, Essenslieferungen in der Nacht und am Tag, Bedrohungen und Beschimpfungen auf unseren Blogs und per Mail, Gewalt-, Vergewaltigungs- und Morddrohungen. An die gesamte Familie gerichtet. Es lässt sich nicht in wenige Worte fassen, welche Grausamkeit und Angst wir erlebten. Zu Teilen lassen sich die Erlebnisse, Gedanken und Emotionen überhaupt nicht in Worte fassen. Lange Zeit habe ich geschwiegen über das, was wir erlebten, weil mir die Worte fehlten, das Grauen wirklich zu beschreiben. Den dumpfen Schmerz, die Angst, die zum ständigen Begleiter wurde vor einem unbekannten Menschen und seinen Gedanken.

Das Glas ist halbvoll geblieben: Denn es ist auch die Geschichte einer Ehe, die nicht ins Wanken kam. Von einem Paar, das unter großer Not zusammen blieb, sich aneinander lehnte und gegenseitig Kraft gab. Wenn ich in diesem Jahr eines gelernt habe, dann war es, meinem Mann blind zu vertrauen. Ich spürte mehr denn jemals zuvor, wie wichtig Geborgenheit ist und welche Kraft eine Familie geben kann. Und ich erlebte, wie wichtig es ist, von Anfang an bindungsorientiert mit Kindern zu leben, damit sie in schweren Zeiten eine sichere Basis haben. Glücklicherweise konnten wir alle aus diesen Kräften schöpfen.

Es sind Narben geblieben, besonders bei mir. Auch wenn der Täter verurteilt wurde, das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist und ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich dem Menschen einmal in die Augen blicken konnte, der versuchte, unser Leben zu zerstören und ich dabei erkannte, was für ein wirklich armer Mensch er ist. Die Ängste und Verletzungen gingen zu tief, als dass die Zeit sie bisher hätte heilen können. Ich bin froh, dass sie aber an den Kindern vorbeigegangen sind.

Deswegen findet Ihr hier meine Artikel und Beiträge zum geborgenen Aufwachsen. Weil ich fest an eine bessere Zukunft glaube, wenn wir unsere Kinder liebevoll und geborgen aufwachsen lassen. Weil ich mir sicher bin, dass wir auf diese Weise die Welt verändern können und unsere Gesellschaft, wenn wir Liebe geben und teilen. Ich glaube, dass Menschen wie der, der uns so viel Leid zugefügt hat, zu wenig von dem bekommen haben, was wir unseren Kindern heute geben und geben müssen.

Manchmal gehen wir durch schwere, dunkel Zeiten. Es hilft, wenn wir uns in diesen Momenten festhalten können an einer Liebe, die uns verbindet, die uns bedingungslos annimmt – egal in welchem Alter wir sind.

Eure
Susanne_clear Kopie

Wie es zu dem Artikel im Zeit Magazin kam, könnt Ihr bei meinem Mann nachlesen.

19 Kommentare

  1. Barbara Steger

    Immer wieder unfassbar was einem alles passieren kann. Wir können uns wahrscheinlich kaum vorstellen welche Wellen und Ausmaße diese Zeit gebildet hat. Nichtsdestotrotz hast du wöchentlich wunderbare Artikel geschrieben und anderen durch ihre manchmal schwierige Zeit begleitet und geholfen. Bleib so wie du bist.

  2. Viel Mut weiterhin. Auch wenn die Wunden bleiben werden aus dieser Zeit. Es wird besser werden. Ich habe 2009/2010 Panik gehabt, aber mir war bekannt wer es war und erst als ich anonym untergebracht mehrere Hundertkilometer entfernt in einem Frauenhaus war mit meinem Sohn konnte ich zur Ruhe kommen. Als mich dieses Jahr jemand aus dem Ort anschrieb geriet ich aber wieder in eine erneute innere Angst. Allerdings war es nie so heftig wie bei euch. Viel Kraft und gerade mit dem Hintegrund, eine entspannte Weihnacht.

  3. sternenglück

    Mir fehlen die Worte liebe Susanne… ich schicke euch ganz viel Kraft weiterhin und wünsche euch gesegnete Weihnachten.
    Alles Liebe
    Sternie
    von sternenglueck.blogspot.de

  4. Michaela Braun

    Habe den Artikel gerade ziemlich atemlos gelesen. Das muss eine ungeheure Belastung für euch gewesen sein. Hoffentlich könnt ihr jetzt wieder durchatmen und ohne Angst im Hinterkopf eure Familienleben genießen.
    LG, Micha

  5. muschelfinderin

    Das ist so krass. Das kann man sich immer nicht vorstellen, dass so was im realen leben passiert und nicht nur Sonntagabend im Tatort.
    Ganz wunderbar, dass es nun vorbei ist. Alles Gute für euch.

  6. Wow, ich hab gerade den ganzen Artikel in der Zeit gelesen und bin schockiert… das ist ziemlich heftig, bin froh das es für euch ausgestanden ist, auch wenn es noch Nachwirkungen hat. Gut, dass er verurteilt wurde, ich denke das kann als Präzedenzfall dienen.
    Ich hoffe dir geht es bald wieder besser, ich mag mir gar nicht vorstellen wie schwer das alles für dich/euch war!! Ich wünsche euch frohe Weihnachten, genießt die Feiertage (ohne Belästigung von außen ;-)) Alles Liebe, Ulli PS: Danke auch für die Antwort auf mein Mail, nachdem du eh so viele bekommst wollte ich mit einem „Danke“ nicht noch eines hinzufügen in deine Mailbox – hab mich aber sehr gefreut, dass du dir die Zeit genommen hast mir zu antworten!!

  7. Bianka Bensch

    Liebe Susanne,
    unfassbar, was euch da passiert ist. Ich kann so gut nachvollziehen, wie es dir geht. Ich hatte auch mal einen Stalker, da war ich erst 18 oder 19. Ein Ex, mit dem ich gerade mal drei Monate zusammen war. Er schrieb mir Drohbriefe, beschädigte mein Auto und so weiter. Seine Verfolgung gipfelte dann darin, dass er mit Molotow-Cocktails unser Haus angezündet hat!

    Ich bin sehr froh, dass Stalking inzwischen eine Straftat ist und dass es bei euch relativ glimpflich ausging. Er ist jetzt verurtielt und ich hoffe sehr für dich und euch, dass ihr alle wieder das Leben genießen könnt und die Narben dieser schlimmen Zeit irgendwann heilen. Wenn das jemand schafft, dann seid ihr das!

    Liebe Grüße,
    Bianka
    http://www.attachment-parenting.de

  8. Sandra Schneider

    Ihr habt mein ganzes Mitgefühl! Von Herzen wünsche ich euch, dass die Schrecken bald verblassen und Normalität und das Gefühl der Sicherheit zurückkehren! Mit jedem Tag ein bisschen mehr. Scheut euch nicht auch professionelle Hilfe anzunehmen, wenn es euch gut tun könnte. Gerade in der Schwangerschaft, wo man mit offenem Herzen durchs Leben geht, kann so eine Zeit der Angst tiefer treffen als geahnt. Bewundernswert, dass du liebe Susanne in der Lage warst solch ruhige liebevolle Artikel zu schreiben! Es gibt eine Menge Leute, die euch im Herzen verbunden sind, die ihr nicht kennt, denen ihr durch eure Artikel geholfen habt. Lasst euch etwas von ihrer Liebe die Herzen wärmen!

  9. Hannah Schulz

    Liebe Susanne,
    ich habe eben den Artikel im Zeit Magazin gelesen und war erschüttert. Und beeindruckt. Von euch beiden, von eurer Kraft weiterzumachen und davon dass ihr bei euren Überzeugungen zum Leben im Netz geblieben seid.
    Ich wünsche dir und euch alles Gute und weiterhin viel Kraft, aber vor allem erst einmal wunderschöne Weihnachten!
    Liebe Grüße,
    Hannah

  10. Liebe Susanne, auch ich bin tief betroffen von dem, was Ihr erleben musstet. Und beeindruckt. Verwundert nicht, spiegelt es doch die Kraft und den Zusammenhalt wider, den Ihr immer wieder ausstrahlt. Und ja, auch ich stimme aus vollem Herzen Deinen letzten Sätzen zu, auch ich glaube, dass das geborgene Aufwachsen unsere Kinder stärkt und ihnen eine Basis in Fülle von Liebe gibt für all jenes, was ihnen vielleicht nicht so Schönes begegnen mag; eine Basis, auf der sie aufbauen können. Und das umgekehrt jemand wie dieser Mensch, der euch das angetan hat, aus einem Mangel an eben dieser Kraft und Geborgenheit handelt. Alles Gute für Euch und erholsame Festtage!

  11. lilienblüte

    Ich habe den Zeit-Magazin-Artikel grade gelesen. Obwohl ich deinen Blog bisher nicht gelesen habe, wünsche ich euch viel Kraft für die Aufarbeitung der Geschichte und hoffe, dass mit dem Urteil wirklich dauerhaft ein Schlussstrich unter die Geschichte gezogen wurde. Frohes Fest und guten Rutsch.

  12. Liebe Susanne,
    Ich wünsche Dir und Deiner Familie aus tiefstem Herzen, dass diese schlimme Zeit bald nur noch ein verblassender Schatten in der Vergangenheit ist. Dass ihr nun die kommenden Festtage losgelöst von der Angst verbringen könnt und wirklich besinnliche Weihnachten habt. Und danke dass ihr damit an die Öffentlichkeit geht und damit ein starkes Zeichen setzt.
    Alles Liebe für euch,
    Christine

  13. Liebe Susanne, auch ich lese gern bei dir mit und habe manchmal den Eindruck, euer Leben zu kennen – aber das ist natürlich Quatsch und ich hoffe, dass ihr nicht noch einmal Erfahrungen mit Menschen macht, die diese Differenz nicht erkennen. Ich wünsche euch, dass ihr über diese Zeit nach und nach hinwegkommt und die Geborgenheit in eurer Familie halten könnt. Wunderschöne Weihnachtstage! Linnea

  14. Sehr geehrte Frau Mierau,

    meine Güte, ich habe das eben zufällig bei der Zeit auf FB gelesen. Noch am Anfang des Artikels dachte ich ‚aha, Bloggerin, vielleicht hab von ihr mal was gelesen, irgendwie kommt mir irgendwas bekannt vor‘. Dann hab ich gesehen es handelt sich um diesen Blog, ‚geborgen wachsen‘, einen der schönsten Blogs, die es gibt zum Thema Kinder und Familie. Wenn nicht sogar mein Lieblingsblog.
    Ich möchte Ihnen und Ihrer Familie mein ernsthaftes Mitgefühl aussprechen. Weil ich Ihre Gedanken und Gefühle so wunderbar finde, mich damit verbunden fühle.
    Weil ich geschockt bin, dass Sie trotzdem weitergeschrieben haben, diese ganzen wundervollen Gedanken und Bilder und Gefühle. Konnte ich nur lesen und sie mir und meinem Kind zu Gute angedeihen lassen, weil Sie sich dafür entschieden haben nicht aufzuhören. Und das in diesem Kontext, das möchte ich Ihnen einfach hoch anrechnen.
    Und weil ich selbst Gewalterfahrungen/-androhungen erlebt habe und weiß wie sie Menschen beeinflussen. Ich habe Verlust erfahren, ich habe Trauer erfahren, ich habe unsichere Zeiten erfahren, Leid und Stürme. Nichts ist meinen persönlichen Augen so wie Gewalt anderer Menschen (oder deren Androhung).

    In diesem Sinne meine verbundensten und aufrichtig ehrerbietenden Grüße, dass Sie weitermachen wie Sie es immer taten. Ihnen, Ihrem Mann und Ihren Kindern eine fröhliche, besinnliche Wiehnachtszeit und alles Gute für das kommende neue Jahr.

    Herzlich, Ihre Verena

  15. Liebe Susanne,
    ich habe den Artikel gestern in der Zeit gelesen und muss sagen, dass er mich gar nicht mehr los lässt. Ich bin völlig sprachlos und schockiert. Geblieben ist ein mulmiges Gefühl der Unsicherheit zu meinen eigenen Aktivitäten im Netz. Ich danke dir dafür, dass du das mit uns teilst, da es auch die andere Seite zeigt. Die Seite der Gefahren und nicht nur die positive Seite der virtuellen Community. Ob und wie man sich vor den Gefahren schützen kann, ist eine andere Frage.
    Vor allem aber, bin ich beeindruckt, wie ihr es geschafft habt, so weiterzumachen und dabei immer noch eine Inspirationsquelle und Aufmunterung für andere zu sein.
    Ich wünsche dir und deiner Familie viel Liebe und alles Glück der Welt.
    Sabrina

  16. Liebe Susanne,
    ich bin erst heute dazu gekommen, Euren Artikel zu lesen. Ihr habt einen sehr hohen Preis dafür zahlen müssen, in der Öffentlichkeit zu stehen. Das Erfahrene ist wirklich furchtbar. Ich finde es großartig, dass Ihr Eure Erfahrungen mit dieser Öffentlichkeit teilt, denn damit bekommt das Thema mehr Außenwirkung. Ich hoffe, dass Euch solche Erfahrungen nicht wieder passieren und dass die Wunden vernarben, dass nicht zu viel Misstrauen zurückbleibt. Es ist wunderbar zu sehen, dass Ihr das so gut gemeistert habt und auch meistern werdet.
    Stalking ist Gewalt und die Auswirkungen lassen sich nicht kleinreden.
    Ich bin auch sehr froh, dass Ihr Eure Blogs weiterführt. Das ist ein sehr gutes Zeichen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Ich bewundere Euren Mut, Eure Entlossenheit, Eure nicht vorhandene Sprachlosigkeit und Eure gegenseitige Unterstützung. Danke nochmals fürs öffentlich machen.
    Liebe Grüße.

  17. Goldwaendlerin

    Erst heute habe ich deinen Beitrag und die verlinkten Artikel gelesen und fühle mich sehr betroffen. Es tut mir unheimlich leid, was du und deine Familie erlebt habt und ihr habt mein tief empfundenes Mitgefühl. 2014 war das Jahr, in dem mein Sohn auf die Welt kam und mein Selbstbild und meine Vorstellungen von Erziehung über den Haufen warf. Und auf deinem Blog habe ich zum ersten Mal von AP gelesen und über deine Texte habe ich meinen persönlichen Weg für mich und meine Familie gefunden. Dass es dir gleichzeitig so schlecht ging, stimmt mich sehr traurig, aber ich bin auch dankbar, dass du trotzdem weiter gemacht hast. Es hat mein Leben berührt.
    Ich wünsche dir und euch, dass die Wunden bald heilen und ihr gut damit abschliessen könnt.

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