Tag: 23. Dezember 2015

Über das schwerste Jahr meines Leben und die Liebe und Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Triggerwarnung: Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Stalking

Wer in diesen Tagen das ZEIT Magazin liest, wird darin eine Geschichte finden von einer Familie: Mutter, Vater und zwei Kinder. Der Mann ist Diplom-Kulturwissenschaftler und seit vielen Jahren in verschiedenen Vereinen aktiv, besonders aber im Netz. Die Frau ist Diplom-Pädagogin. Sie hat sich dem Ziel verschrieben, Eltern zu begleiten und ihnen einen liebevollen, verbundenen Erziehungsstil nahezubringen. Sie macht dies in Kursen und Workshops und seit einiger Zeit im Internet: Sie schreibt Artikel über geborgenes Aufwachsen, über Elternschaft. Aufgrund der steigenden Reichweite ihres Blogs wird das Bloggen und Schreiben irgendwann zum Schwerpunkt ihrer Arbeit, womit sie auch Geld verdient. So kann sie das, was als Hobby begann, zum Job machen neben der Begleitung ihrer Kinder zu Hause. Sie haben zwei Kinder, die sie sehr lieben.

Hier könnte eine gemütliche Familiengeschichte aufhören. Aber sie tut es nicht: Es ist auch die Geschichte von einem Mann, der realitätsfern dachte, er sei mit dem Familienvater befreundet. Er fühlt sich von diesem Vater verstoßen und versuchte fortan, anonym die Familie zu terrorisieren. 8 Monate lang. Es ist meine Geschichte, unsere Geschichte.

7y14

2014 war das schwerste Jahr meines Lebens. Es war das schwerste Jahr für uns alle als Familie, denn es stellte uns auf die Probe als Paar, als Familie, als Eltern, als Menschen. Es ist nicht so, dass ich nicht vorher durch schwere Zeiten ging. Damals als mein ältester Bruder viel zu jung starb, als meine Großmutter an Krebs erkrankte und starb. Das Leben ist nicht planbar. Ich dachte immer, ich hätte schon viel gesehen und erlebt und es gäbe so schnell nichts, was mich aus der Bahn werfen konnte. Ich habe immer das Glas halb voll gesehen, es geht schon weiter irgendwie. Aber in diesem Jahr kam ich an meine persönlichen Grenzen an das Gute zu glauben und daran, dass irgendwann wieder ein guter Morgen anbrechen würde ohne Angst und ohne Beschimpfungen und Drohungen von einem Menschen, den ich nie im Leben gesehen habe.

Über acht Monate hinweg erhielten wir – mein Mann und ich – anonyme Telefonanrufe oder Anrufe über gefälschte Rufnummern, Essenslieferungen in der Nacht und am Tag, Bedrohungen und Beschimpfungen auf unseren Blogs und per Mail, Gewalt-, Vergewaltigungs- und Morddrohungen. An die gesamte Familie gerichtet. Es lässt sich nicht in wenige Worte fassen, welche Grausamkeit und Angst wir erlebten. Zu Teilen lassen sich die Erlebnisse, Gedanken und Emotionen überhaupt nicht in Worte fassen. Lange Zeit habe ich geschwiegen über das, was wir erlebten, weil mir die Worte fehlten, das Grauen wirklich zu beschreiben. Den dumpfen Schmerz, die Angst, die zum ständigen Begleiter wurde vor einem unbekannten Menschen und seinen Gedanken.

Das Glas ist halbvoll geblieben: Denn es ist auch die Geschichte einer Ehe, die nicht ins Wanken kam. Von einem Paar, das unter großer Not zusammen blieb, sich aneinander lehnte und gegenseitig Kraft gab. Wenn ich in diesem Jahr eines gelernt habe, dann war es, meinem Mann blind zu vertrauen. Ich spürte mehr denn jemals zuvor, wie wichtig Geborgenheit ist und welche Kraft eine Familie geben kann. Und ich erlebte, wie wichtig es ist, von Anfang an bindungsorientiert mit Kindern zu leben, damit sie in schweren Zeiten eine sichere Basis haben. Glücklicherweise konnten wir alle aus diesen Kräften schöpfen.

Es sind Narben geblieben, besonders bei mir. Auch wenn der Täter verurteilt wurde, das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist und ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich dem Menschen einmal in die Augen blicken konnte, der versuchte, unser Leben zu zerstören und ich dabei erkannte, was für ein wirklich armer Mensch er ist. Die Ängste und Verletzungen gingen zu tief, als dass die Zeit sie bisher hätte heilen können. Ich bin froh, dass sie aber an den Kindern vorbeigegangen sind.

Deswegen findet Ihr hier meine Artikel und Beiträge zum geborgenen Aufwachsen. Weil ich fest an eine bessere Zukunft glaube, wenn wir unsere Kinder liebevoll und geborgen aufwachsen lassen. Weil ich mir sicher bin, dass wir auf diese Weise die Welt verändern können und unsere Gesellschaft, wenn wir Liebe geben und teilen. Ich glaube, dass Menschen wie der, der uns so viel Leid zugefügt hat, zu wenig von dem bekommen haben, was wir unseren Kindern heute geben und geben müssen.

Manchmal gehen wir durch schwere, dunkel Zeiten. Es hilft, wenn wir uns in diesen Momenten festhalten können an einer Liebe, die uns verbindet, die uns bedingungslos annimmt – egal in welchem Alter wir sind.

Eure
Susanne_clear Kopie

Wie es zu dem Artikel im Zeit Magazin kam, könnt Ihr bei meinem Mann nachlesen.