Als ich gestern mit meinem Sohn unterwegs war und durch die Straßen bummelte nach dem Mittagessen, hielt er auf einmal unvermittelt an, sah mich an und sagte: „Mama, es ist so kuschelig mit Dir!“ Es passte irgendwie für mich nicht in die Situation, in der wir uns befanden: Warm angezogen im Berliner Herbst auf einer windigen Straße. Wir standen dort und ich begriff, dass er auch gar nicht diese Situation unbedingt meinte, sondern so vor sich hin stampfend an meiner Hand wahrscheinlich gerade nachgedacht hatte. Er meinte nicht, dass es jetzt gerade so kuschelig sei, sondern insgesamt, unser Leben. „Ich freue mich, dass das so ist.“ sagte ich zu ihm und nahm ihn wieder an die Hand. Und ich freute mich wirklich und wusste auf einmal, dass das doch alles ist, was zählt.
Ich erinnere mich noch genau, wie mich bei meinem ersten Kind kritische Kommentare und Anmerkungen oft aus dem Konzept brachten – und kritisch beäugt werden konnte bei mir viel: Stillen nach Bedarf und dann auch noch so lange, das Schlafen im Familienbett, Bioessen, breifreie Beikost… Die Liste der Punkte, die bemängelt wurden lässt sich lang fortsetzen. Und obwohl ich doch wusste, dass es richtig war, dass wir gemeinsam als Eltern diese Entscheidungen trafen, nagte doch immer auch ein wenig das Gewissen an mir. Dass es vielleicht doch irgendwie nicht richtig sei, dass ich mein Kind vielleicht doch zu sehr verwöhnen könnte.
Das zweite Kind kam, beide Kinder wuchsen weiterhin nach dem auf, was wir für uns als geborgenes Aufwachsen definierten. Die Tochter wollte zwischenzeitlich nicht mehr in den Kindergarten, wir nahmen sie raus und sie blieb daheim – ein Privileg, weil wir in der Situation waren, unsere Arbeitszeiten beliebig anzupassen. Es schadete ihr nicht, sondern stärkte ihr Gefühl dafür, dass sie uns vertrauen konnte. Die kritischen Kommentare – zumindest aus dem näheren Umfeld – wurden etwas leiser, denn man war ja schon daran gewohnt, dass es etwas anders läuft bei uns. Ach, dieses zweite Kind würde nun noch länger gestillt? Und jetzt würden zwei Kinder mit im Bett schlafen und das große auch noch immer? Ein wenig setzten mir die Fragen noch immer zu, ich grübelte manches Mal darüber und hinterfragte mich. Doch irgendwie blieben wir einfach weiter auf unserem Weg.
Nun kommt das dritte Kind. Sie sind schon recht groß, die Kinder, die „so anders“ aufwuchsen. „Es ist so kuschelig mit Dir!“ sagt alles aus, was ich in den letzten 7 Jahren angestrebt habe. Es ist kuschelig bei uns, warm, ein Zuhause. Nein, es ist nicht immer alles rosig und wir haben in diesen 7 Jahren auch schwere Zeiten durchlebt. Doch gerade in diesen war das Kuschelige das, was uns und den Kindern geholfen hat. Was auch immer für kalter Wind da draußen weht, wissen sie, dass es wohlig warm zu Hause ist. Sie wissen, dass wir als Eltern da sind, dass sie uns vertrauen können.
Als wir gestern im Wind standen, da waren mir auf einmal all die Stimmen egal. All die kritischen Blicke beim Stillen, die Nachfragen zum Schlafverhalten, die Sorgen anderer um die Ernährung meiner Kinder. Ich wusste: Dieser Weg, den ich gehe, ist der richtige für uns. Ein bisschen wünsche ich mir, dass ich diese Erkenntnis auch schon beim ersten Kind gehabt hätte, dass ich mit einem Schulterzucken all diese blöden Kommentare hätte abtun können. Aber vielleicht kann ich zumindest dieses Wissen nun an Euch weiter geben:
Es ist egal, was die anderen sagen. Wirklich. Wichtig ist, dass Ihr den für Euch richtigen Weg geht, dass sich Eure Kinder bei Euch kuschelig und wohl fühlen. Das ist alles, was am Ende wirklich zählt und Euer Herz erwärmt.
Eure
Es ist immer egal, was die andern sagen (zumindest solange, wie man den anderen nicht schadet, natürlich). Nur man selbst weiß, was das Beste ist – und ganz genau so sollte man leben. Ich bin mit meinen Kindern einen anderen Weg gegangen als Ihr – aber auch anders als viele andere hier in der Umgebung. Wir drei mussten in den letzten 15 Jahren unfassbares Leid durchstehen, da ist die Kuscheligkeit vielleicht manchmal etwas kurz gekommen.
Jetzt hat sich alles eingepegelt, ich hoffe, es bleibt noch eine Weile so ereignisarm. Letztendlich sind es Wärme, LIebe und Kraft, die die Kinder zu guten Menschen machen und ein schönes Zuhause unterstützen.
Alles Liebe für Euch, Dörthe
Ich nehme Euch über den Blog genauso wahr, wie Euer Sohn es beschreibt. 🙂 Es ist schön zu lesen, dass Ihr Euch viel Flexibilität zutraut und zugesteht, dass Ihr den Kindern ihre Bedürfnisse erfüllen könnt. Sie werden es Euch danken.
Ich wünschte, wir alle könnten derart flexibel sein.
Es hört sich so an, als brauche Euer Sohn auch eine kindergartenfreie Zeit und bekommt sie? Das macht mich ein wenig neidisch und daraus entstehen wahrscheinlich auch die Fragen der anderen. Vielleicht steckt in deren Verständnislosigkeit ja auch ein wenig Neid?
Liebe Susanne,
Vielen Dank für diesen wunderschönen und berührenden Artikel!
Es kommt mir vor, als würdest du mir aus der Seele schreiben. Mein Sohn ist nun 15 Monate alt und zu all den Dingen, die bei euch kritisch zu beäugen sind, hat unser Sohn uns nach und nach auch geführt. Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass es für diese Art des Umgangs mit dem Baby / Kind einen Fachbegriff gibt 😉
Wir haben einfach angefangen hinzuschauen, wahrzunehmen und auf unser Gefühl und vor allem auf meines als Mutter zu vertrauen.
Eingeschlagen sind wir diesen Weg als ich mit meinem 4 Wochen alten Sohn eine Woche auf der Intensivstation lag und um sein Leben bangte. Ich konnte dort nichts tun außer nicht von seiner Seite zu weichen, da zu sein und wahrzunehmen, was ihm gut tun könnte und dies auch entgegen der Meinung der Ärzte umzusetzen. Es gab keinen Verstand mehr, sondern nur noch Verzweiflung. Wenn der Kopf nicht mehr lenken kann, muss es das Herz an seiner statt tun.
Dennoch gibt es immer wieder diese Momente des Zweifelns von denen auch du schreibst. In solchen Momenten werde ich in Zukunft auf deinen Artikel schauen und mich erinnern, dass wir das Wahre mit dem Herzen sehen.
Ich danke dir, dass du diese persönlichen Momente hier teilst!
Bei uns war es nicht annähernd dramatisch, aber ähnlich. Nachdem die Tochter aus der intensivstation nach Hause kommen durfte und wir sie endlich bei uns haben durften haben wir alle „normalen“ vorstellungen zusammen mit wickeltisch und babybett aus dem Haus geschmissen – endlich konnten und durften wir darauf hören, was unser Kind uns sagt – das geben wir nicht mehr auf. Manchmal denke ich, dass es da einen Zusammenhang gibt. Wenn man das Kind einmal (und das noch direkt nach der Geburt) „weggenommen“ bekommt, weiß man es (und seine eigene enorme Aufgabe) umso mehr zu schätzen. Wenn mein Kind später denken kann „Mama, Papa, es ist schön, dass ich geboren (und auf der Intensivstation gerettet) wurde,“ dann ist unser Job getan. Denn dieser Gedanke würde mir (leider) bis heute nicht wirklich kommen. „mama, es ist so kuschelig bei uns“ ist da doch schonmal ein guter Vorläufer. 🙂
Ich glaube auch, dass solche schwierigen Erfahrungen nie spurlos an einem vorbei gehen, sondern wir grade an ihnen wachsen. Auch mein Sohn wurde mir das erste Mal direkt nach der Geburt „weggenommen“. Ich hatte ihn noch nicht einmal sehen können. Aber zum Glück nur für kurze Zeit. Um so schlimmer traf es mich dann 4 Wochen später. Ich kann dir dieses Gefühl gut nachempfinden. Und dennoch, wenn man diese Grenzerfahrung gegangen ist, sein kleines Würmchen mit allen Schläuchen, in dieser besonderen Situation, mit allen Ängsten und Sorgen zu versorgen, für es da zu sein, dann gibt dies neben allem , was es kostet auch Kraft. So ging es mir. Ich glaube alles im Leben schon irgendwie schaffen zu können – und sei es nur, weil Aufgeben keine Alternative ist 🙂
Und diese Einstellung zum Leben, ein bedingungsloses „ich bin l für dich da mein Kind“ ist wohl ein ebenso wertvolles Geschenk.
Ich wünsche dir und deiner Familie weiterhin alles Gute auf eurem Weg!
Das mit der Erkentniss beim ersten Kind kenn ich… Die kam bei mir auch erst nach und nach und beim zweiten war ich mir so sicher!
Klar kommen auch bei mir manchmal wackelige Momente wenn man komisch beäugt wird, aber da steh ich mittlerweile drüber.
<3
Ich finde diesen Artikel wieder so wunderschön geschrieben und denke manchmal du wärst genau so eine Mama, wie ich sie früher gebraucht oder mir gewünscht hätte, womit ich meine Mama auf keinen Fall schlecht machen möchte. Es waren irgendwie auch andere Zeiten und neben der Herzlichkeit standen eben auch Gehorsam und Angepasstheit ganz oben auf der Werteliste. Jetzt muss ich sehr daran arbeiten, nicht ebenso angepasst zu sein und es allen Recht machen zu wollen. Denn genau das ist so hinderlich, wenn man ganz die Bedürfnisse der Kinder bzw. unsere Bedürfnisse als Familien wahrnehmen möchte. Leider schaffe ich es noch nicht immer, dass es mir ganz egal ist, was die andere sagen oder denken. Allerdings gelingt es mir meist, es wenigstens für den Moment auszublenden und grübel dann später darüber nach. Auch das ärgert mich, weil es einfach Energieverschwendung ist. Meine Hoffnung ist, dass ich wenigstens genau die Mama für meinen Sohn sein kann, die er sich wünscht und braucht. <3