Was wir längerfristig tun können, um das Vertrauen in die Gebärfähigkeit zu stärken

geburtskultur

Das Gebären ist in einer Krise: Die freiberuflichen Hebammen sind in Gefahr und damit die freie und selbstbestimmte Wahl des Geburtsortes. An anderer Stelle habe ich bereits ausgeführt, wie wichtig es ist, dass nun nicht nur schnell eine Lösung für die akute Lage gefunden wird, sondern es um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das auch gesamtgesellschaftlich angegangen werden muss. Frauen haben das Vertrauen in ihre Gebärfähigkeit verloren. Selbst innerhalb des Protestes für die Hebammen hört man immer wieder: Ohne Hebammen können wir nicht gebären! Natürlich sind Hebammen in der Schwangerschaft, bei der Geburt und in der Zeit danach von unschätzbarem Wert und unterstützen die Phase des Übergangs, begleiten und nehmen an die Hand, wo es notwendig ist. Doch in erster Linie sind es die Frauen, die gebären und die Vertrauen in ihre Gebärfähigkeit haben müssen, damit natürliche und selbstbestimmte Geburten möglich sind.

Wenn nachhaltig eine Lösung gefunden werden soll für das Problem, in dem sich die Geburtshilfe und die Gebährfähigkeit momentan befinden, muss – durchaus neben dem akuten Handlungsbedarf – eine gesamtgesellschaftliche Wende vollführt werden. In den letzten Tagen wurde ich aufgrund des vorangegangenen Artikels oft gefragt, wie das denn bewerkstelligt werden soll. Was kann man tun, um Frauen wieder an ihre Gebärfähigkeit zu erinnern und ihnen Vertrauen zu schenken?

Punkt 1: Geburtsvorbereitung ist kein medizinischer Hechelkurs, sondern Stärkung des Vertrauens in sich

Zunächst ist es natürlich wichtig, Schwangere richtig zu betreuen. Geburtsvorbereitungskurse sollten kein Ort sein, an dem nur medizinisches Faktenwissen vermittelt wird. Natürlich ist es richtig und wichtig, dass Paare über den Verlauf der Geburt Bescheid wissen und auch erfahren, dass die erste Phase der Geburt, die so genannte Eröffnungsphase, eine lange Zeit andauern kann oder wie weit der Muttermund geöffnet sein muss, damit das Baby geboren wird. Diese Rahmenbedingungen sind insbesondere für Paare wichtig, die in Krankenhäusern gebären, damit sie dort die Situation einschätzen und die Sprache des Personals verstehen können.

Der Schwerpunkt einer Geburtsvorbereitung sollte jedoch immer anders gelagert sein: in der Unterstützung des Selbstvertrauens. Es ist von großer Bedeutung, zu vermitteln, welche enormen Fähigkeiten der Körper hat, um eine Geburt normal und spontan zu ermöglichen. Paare können lernen, welche Hormone unter der Geburt wichtig sind und was man tun kann, um ihre Wirkung günstig zu beeinflussen. Es sollte erklärt werden, wie unglaublich flexibel das Becken ist und wie durch bestimmte Positionen die Geburt positiv beeinflusst werden kann. Von großem Nutze ist es, Rahmenbedingungen zu verdeutlichen, die sich direkt auf den Geburtsverlauf auswirken, wie zum Beispiel Ruhe und Intimsphäre bewirken, dass sich die Schließmuskeln lockern und erst so Geburt entspannt möglich ist. Erst wenn diese wichtigen Zusammenhänge erklärt sind Frauen auf dieser Basis wissen, dass sie selbst und ihr Körper fähig sind, ein Kind auf natürliche Weise zu gebären, können dann noch Methoden zum Umgang mit Schmerz wie Meditation, Atmung, Bewegung etc. erlernt werden.

Qualität in der Geburtsvorbereitung ist also ein wichtiger Aspekt, um Frauen in ihrer Gebärfähigkeit zu unterstützen.

Punkt 2: Positive Geburtsgeschichten stärken Vertrauen

Direkt mit dem Geburtsvorbereitungskurs zusammen stehen positive Geburtsgeschichten. Verheerend für einen Kurs kann es sein, wenn Frauen mit schlechten Geburtserfahrungen in dem Kurs zu viel Raum einnehmen und Erstgebärende mit Geschichten verängstigen. Für Frauen mit traumatischen Geburtserfahrungen ist es wichtig, einen Raum zu haben, um sich darüber auszutauschen und diese schlechten Erfahrungen zu verarbeiten. Dieser Raum ist jedoch nicht in einem normalen Geburtsvorbereitungskurs, sondern in einer Einzelberatung mit einer Hebamme oder Traumatherapeutin.

Positive Geburtsberichte hingegen sind wunderbare Möglichkeiten, um Frauen in ihrer Gebärfähigkeit zu unterstützen. Auch Ina May Gaskin hebt in ihrem neuen Buch „Birth Matters – Die Kraft der Geburt“ die Bedeutung von Geburtsgeschichten hervor. Da Geburt in der heutigen Zeit hinter wohl geschlossenen Türen geschieht und wir kaum positive Geburtsgeschichten kennen und auch nicht die Möglichkeit haben – wie es in anderen Kulturen der Fall  ist – bei normalen Geburten dabei zu sein, ist es von großer Bedeutung, sie zu lesen und von anderen Frauen zu hören, dass normale Geburten möglich sind und wie sie ablaufen.

Es wäre wünschenswert, wenn es noch mehr Raum und Möglichkeiten gäbe, solch positive Geburtsgeschichten von spontanen Geburten ohne Eingriffe zu lesen.

Punkt 3: Geburten in den Medien – Zeichen setzen

Insbesondere in Film und Fernsehen werden Geburten problematisiert. Wir sehen schreiende Frauen, die auf dem Rücken in Betten liegen. Wir hören davon, wie Herztöne zurück gehen. Und in vielen Fällen enden Geburten in Serien und Filmen mit Kaiserschnitten. Die Medien beeinflussen uns in unserer Wahrnehmung und auch in dem, wie wir selbst über uns denken. Mit solch negativen Beispielen gehen wir auch negativer an die eigene Geburt heran. Darum ist es wichtig, solche Geburtsszenen kritisch zu betrachten und auch ein Zeichen zu setzen: Wir wollen nicht nur solche Geburten sehen! Wenn neue Filme und Serien mit dieser Art von Geburtsberichten gezeigt werden, müssen sich Menschen beschweren. Fernsehsender und Filmproduktionsfirmen müssen ein Feedback erhalten, das lautet: Zeigt normale Geburten!

Punkt 4: Lobbyarbeit

Die Probleme in Bezug auf die Haftpflichtversicherung der Hebammen sind nicht neu und auch generell ist zu bemerken, dass das Vertrauen der Frauen in die Gebärfähigkeit seit Jahren schwindet. Problematisch ist, dass es nur eine kleine Lobby gibt, die sich für die natürliche und selbstbestimmte Geburt einsetzt. Wollen wir in Zukunft wieder einen Schritt nach vorn gehen in Hinblick auf Stärkung der Gebärfähigkeit, ist es wichtig, diese Lobby zu unterstützen. Es gibt einige Vereine in Deutschland, die sich aktiv für die selbstbestimmte Geburt einsetzen. Ich persönlich engagiere mich in der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung – Familienbildung und Frauengesundheit – e.V. seit vielen Jahren. Dieser Verein setzt sich schon seit 1980 für Frauen, Eltern und Familien in Umbruchsituationen wie Schwangerschaft, Familienanfang und Wechseljahre ein. Darüber hinaus sind jedoch auch Vereine wie Greenbirth e.V., Mamaprotest oder Hebammen für Deutschland e.V., die sich für selbstbestimmte Geburten einsetzen. Diese Vereine benötigen Unterstützung in Form von Engagement und Spenden, um sich für ihre Ziele einzusetzen.

Punkt 5: Am Anfang beginnen – Kinder positiv an Geburten heran führen

Möchten wir wirklich tiefgreifende Veränderungen in der Geburtskultur erreichen, müssen wir – wie immer – am Anfang anfangen: bei den Kindern. Schon Kinder erfahren heute Geburt negativ. Sie hören, wie negativ von Geburten berichtet wird, sie sehen in Film und Fernsehen negative oder zumindest nicht selbstbestimmte Geburten, sie haben kaum positive Geburtsvorstellungen. All diese Geschichten und Erfahrungen setzen sich jedoch fest und formen ein Bild davon, wie Geburt eingeschätzt und erwartet wird. Deswegen ist es wichtig, dass wir unsere Kinder von Anfang mit positiven Geburten konfrontieren. Wenn wir mit ihnen über ihre Geburten sprechen, müssen wir nicht das Negative hervorheben, sondern die positiven Aspekte fokussieren. Wir können Bücher auswählen, die gut mit dem Thema umgehen und in denen die Mütter nicht nur mal schnell ins Krankenhaus geschickt werden wie bei „Conni und das neue Baby“. Hier wären Kinderbücher wie „Runas Geburt“ oder „Unser Baby kommt zu Hause“ zu nennen. Viele Geburtsvorbereiterinnen bieten zudem spezielle Kurse für Kinder und Schulen an: Hier erfahren Kinder je nach Alter unterschiedlich gewichtet alles Wissenswerte über Schwangerschaft und Geburt, können Fragen stellen und in praktischen Übungen erfahren, was in einer Schwangerschaft passiert und wie wohltuend unterstützende Maßnahmen wie Massagen sein können oder dass Babys nicht sofort nach der Geburt gebadet werden müssen und warum das so ist. Solche Unterrichtseinheiten lassen bei Kindern positive Gedanken zur Geburt entstehen und können daher langfristig die Einstellung zu Schwangerschaft und Geburt verändern.

Meine Tochter ist nun fast 5 Jahre alt. Sie weiß schon viel über Geburten, was auch durch meine Arbeit kommt, aber auch, weil wir viel darüber sprechen. Gerade ist es wieder ein aktuelles Thema und sie fragt immer wieder nach ihrer Geburtsgeschichte.Für ihren Geburtstag schreibe und illustriere ich ihr nun ein Buch über ihre Geburt. Ich hoffe, Ihr damit auch ein Stück Vertrauen in die Gebärfähigkeit mitzugeben. Wie es sich entwickelt, das Buch, werde ich von Zeit zu Zeit hier im Blog zeigen.

 Was könnt oder wollt Ihr tun für Euch und Eure Kinder?

11 Kommentare

  1. Super guter Beitrag! Zu einem Punkt nur muss ich sagen, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass meine 3 völlig interventionsfreien, schnellen, schönen (Haus)geburten niemanden zu interessieren scheinen. Niemand will wissen, wie das geht, alle, auch werdende Mütter hängen sich gegenseitig an den Lippen, wenn es darum geht, sich ihre schlimmen Geschichten zu schildern. Außerdem habe ich mich so manches Mal im Nachhinein geglaubt, mich schämen zu müssen, wenn ich in Anwesenheit von Kaiserschnittmüttern meine Geburten erwähnt habe, weil ich ihre Gefühle damit verletzt haben könnte. Also werde ich künftig noch zurückhaltender. Aber wie gesagt, es interessiert ja sowieso niemand. Warum ist das nur so? Wollen die meisten Frauen es nicht anders? Wir könnten doch viel, viel mehr schöne Geburten haben. Unser Hebammenkurs ist dafür das allerbeste Beispiel. Wir wurden sehr gut von einer außerklinischen Hebamme „aufgeklärt“, was ich durchaus ursächlich dafür halte, dass wir Hebammen in den letzten 10 Jahren ca. 20 Babies zum deutlich überwiegenden Teil interventionsfrei zu Hause gekommen haben. Es ist mir kein einziger Kaiserschnitt (also 0% im Gegensatz zum Zeitgeist von 33%!!!) oder sonstige operative Geburtsbeendigung bekannt. Darunter ist sogar eine Mutter, die Zwillinge zu Hause im Geburtspool bekommen hat, davon eines, soweit ich mich erinnere, in Beckenendlage. Jede Geburt ist so völlig normal abgelaufen, doch die Allgemeinheit glaubt, dass Geburt ein hochriskanter Vorgang ist…

  2. Mir ging das Herz auf bei allem was Du geschrieben hast…Danke dafür.
    Ich werde nächsten Dienstag im Kindergarten meines Sohnes im Morgenkreis mit den Kindern über Schwangerschaft und Geburt reden.
    Für die ist das gerade sehr aktuell, Sie spielen viel „Geburt“ und Vater-Mutter-Kind.
    Gerade spekuliere ich über eine Übung „in Mamas Bauch“, wobei ich den Kindern gerne kurz ein Geüfhl „wie in Mamas Bauch- geborgen und warm“ mitgeben möchte…
    Wenn Du noch Ideen oder Erfahrungen hast, freue ich mich unglaublich über eine teilhabe 🙂
    Herzliche Grüße von Morija

    • Liebe Morija, meine Kollegin Anne hat in der aktuellen GfG-info einen tollen Bericht über ihre Arbeit als Geburtsvorbereiterin an einer Grundschule geschrieben. Die GfG-Info ist bei der GfG-Geschäftsstelle erhältlich.

      • Hmm…die ist in Berlin, oder?
        Meinst Du ich kann mir die zuschicken lassen?
        Das Projekt ist schon am Dienstag…gibts dazu Online was von der GfG
        Danke!

        • Genau, das ist dort, wo auch die Breifrei-Weiterbildung war. Du kannst die Zeitung gegen eine Gebühr zuschicken lassen. Ist auf jeden Fall lesenswert, diese Ausgabe.

  3. würdest du über das buch für deine tochter schreiben und berichten??? greta fragt auch ständig nach der geschichte ihrer geburt und der ihrer schwester, sowas würde mich sehr interessieren! danke!!! kristina

  4. weib Yvonne

    Erlebe ich auch oft so – normale, schnelle, fast schmerzfreie Geburten?
    Gibt es ja gar nicht, da muss etwas schief gelaufen sein!

    Die Aufklärung in Kindergärten und Schulen ist immens wichtig, denn bald gibt es keine Frauen mehr, die über schöne Geburten berichten könnten(jedenfalls, wenn es so weitergeht)!

  5. Vorstadtpoetin

    So gerne ich hier auch lese, Passagen dieses Posts lassen mich ein wenig sprachlos zurück.

    Frauen mit „traumatischen Geburtserlebnissen“ haben in normalen Geburtsvorbereitungskursen nichts verloren? Sollen wir traumatisierten Mütter unter uns sein und uns gegenseitig noch mehr Angst machen?

    Mit Verlaub, das ist diskriminierend.

    Mein erster Geburtsvorbereitungskurs war genau ein solcher – Geburt? Friede, Freude, Eierkuchen. Kaiserschnitt? Kommt ganz selten vor. Braucht keine Frau, ist sowieso nur Geldmacherei der Kliniken. Schmerzmittel? Braucht ihr nicht, wenn ihr nur ordentlich atmet, euch an der richtigen Stelle entspannt und euch auf euren Körper verlasst.

    Pustekuchen. Das Leben ist kein Ponyhof. Nicht immer läuft alles glatt, und keine Frau hat etwas davon, wenn ihr das „verheimlicht“ wird.

    Wäre mein erster Geburtsvorbereitungskurs etwas ehrlicher gewesen und hätte nicht so getan, als wäre der Kaiserschnitt eine furchtbare Ausnahme und überhaupt total verachtenswert, wäre ich vielleicht nicht ganz so unvorbereitet gewesen und hätte auch nicht so sehr mit mir gehadert.

    In meinem zweiten Vorbereitungskurs (der einer für Zweit- oder Drittgebärende war) habe ich glücklicherweise völlig frei über meine traumatische Geburt berichten dürfen. Die Frauen fühlten mit mir und waren dankbar, dass ich meine Geschichte geteilt habe. Genauso wie ich dankbar war für die positiven Geschichten.

    Ich verstehe ganz einfach nicht, warum Du diese negativen Seiten, die eine Geburt ja aus verschiedensten Gründen haben kann, ausklammern möchtest.

    *

    Mein Kommentar ist sehr persönlich und basiert auch auf meiner ganz persönlichen Erfahrung, deshalb ist er nicht so sachlich und neutral, wie ich ihn vielleicht gerne formuliert hätte.

    Nichts für ungut.

    • Liebe Vorstadtpoetin,

      doch, natürlich haben auch traumatisierte Frauen Platz in einem „normalen“ Geburtsvorbereitungskurs. Es geht darum, dass es schwierig sein kann, wenn Frauen mit unverarbeiteten traumatischen Erfahrungen im Kurs auf einmal in ihr Trauma kommen und womöglich sich gegenseitig mit traumatischen Geschichten anstecken. Deswegen ist es – genau wie Du schreibst – auch wichtig, sich nicht gegenseitig anzustecken („Sollen wir traumatisierten Mütter unter uns sein und uns gegenseitig noch mehr Angst machen?“), sondern eben ein ausgewogenes Verhältnis da sein. Da ist die Kursteiterin gefragt: Gut ist es, vorher mit den Teilnehmerinnen zu sprechen und die Geburtserfahrungen zu erfragen und dann zugeschnitten drauf zu arbeiten. Blöd ist es, in einem Kurs in der ersten Stunde alle ungefiltert einfach ihre Geschichten erzählen zu lassen (hab ich schon erlebt).

      Das kann auch traumatisierend sein für Frauen, die noch keine Geburt hatten, aber andere traumatische Erfahrungen in ihrem Leben hatten wie Operationen, Missbrauch etc. Trauma-Geschichten können andere erlebte Traumata triggern ohne dass wirklich dieselbe Situation passiert sein muss.

      Und natürlich ist es total wichtig, alle Möglichkeiten der Geburten zu besprechen und auch, wie ein Kaiserschnitt erfolgt, was da passiert und auch auf die Rahmenbedingungen einzugehen, also wie es im OP ist, wie sich der Körper anfühlt dabei und so. Das gehört zur Qualität.

      Und wichtig dabei ist auch, Frauen dann das Selbstvertrauen zu geben, dass es vielleicht beim ersten mal anders als gedacht gelaufen ist, sie sich deswegen nicht schlecht fühlen müssen, weil es nicht „ihre Schuld“ ist und es aber bei der nächsten Geburt ganz anders sein kann.

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