Letztens war ich mit dem Sohn vormittags einkaufen in einem großen schwedischen Möbelhaus. Der Sohn spielte an einem dieser Plastikterminals, mein Telefon klingelte und ich ging ran. Es war eine Erzieherin aus dem Kindergarten meiner Tochter, denn es gab ein Verwaltungsproblem, das dringend geklärt werden musste. Ich telefonierte, packte mit einer Hand Kissen und passende Bezüge in den Wagen und ließ den Sohn spielen. Ein älterer Mann lief an mir vorbei, schüttelte den Kopf und sagte zu seiner Frau „So sind sie, die Mütter heute. Mehr am Handy als mit den Kindern beschäftigt!“.
Szenenwechsel: Ich sitze – wieder mit dem Sohn – in einem Café und warte auf ein zweites Frühstück, das heute das Mittagessen wird. Den Vormittag haben wir damit verbracht, in Prenzlauer Berg von Laden zu Laden zu gehen und Küchenutensilien, Geburtstagsgeschenke für eine Freundin und Ostersachen zu kaufen: Schokolade und Bücher für die ganze Familie und Großeltern. Der Sohn ist hungrig und ein wenig schlecht gelaunt. In einem der Läden durfte er sich auch etwas aussuchen und wählte ein kleines Schokoladenherz. Am Nachbartisch schaut eine Frau zu uns herüber, lächelt den Sohn an: „Na, da isst einer aber schon früh Schokolade. Ob die Mama weiß, dass das nicht so gut ist für so einen kleinen Mann?“
Ich bin die Mutter, die also lieber das Handy bedient als auf ihre Kinder zu achten und die Kinder mit Süßigkeiten voll stopft. Ich bin auch die, die ihre Kinder manchmal anmault, die ihnen auch mal Fastfood zu essen gibt oder die sie bis in die Nacht wach sein lässt. Ich habe „dunkle Elternseiten“. Aber ich bin auch die, die immer da ist, die sie nach Bedarf vom Kindergarten abholt, die ihr Kind erst mit drei Jahren in den Kindergarten gibt, die lange stillt und ihre Kinder mit im Bett schlafen lässt. Ich bin die, die Gänseblümchenketten bastelt und mit ihnen zusammen durch Tunnelrutschen rutscht trotz Höhenangst.
Was ich damit sagen will: Ich denke, wir haben alle gute und schlechte Seiten. Wir alle haben mal schlechte Tage oder dringende Dinge zu erledigen oder tun unseren Kindern mal eine besondere Freude, weil wir sie mal auf dem Handy spielen oder außer der Reihe einen Schokobonbon lutschen lassen. Wir alle sind Menschen.
Denken wir also beim nächsten Mal, wenn wir eine vermeintlich schlechte Mutter oder einen vermeintlich schlechten Vater sehen, einfach mal an uns selbst und an unsere ganz persönlichen „Ausrutscher“. Natürlich gibt es Dinge, die nie richtig sind, unter keinen Umständen, wie körperliche oder psychische Gewalt gegen Kinder. Doch es gibt wirklich viele Dinge, über die wir uns täglich bei anderen aufregen, die aber eigentlich nichts über den Menschen aussagen. Es sind Momentaufnahmen aus einem Leben, die wir sehen oder erfahren. Sie sagen uns nicht, ob der Mensch vor uns eine gute oder schlechte Mutter oder ein einfühlsamer oder gefühlskalter Vater ist. Es sind nur kleine Begebenheiten. Und gerade deswegen sollten wir aufhören, andere für den Augenschlag eines Momentes zu verurteilen, an dem wir teilhaben. Ihnen vielleicht an einem ohnehin schon schlechten Tag ein schlechtes Gewissen machen, einen besonderen, schönen Tag kaputt machen durch belehrende Blicke. Wir sind nicht die Frau mit dem Handy, nicht die, die ihr Kind Pommes essen lässt – heute nicht. Aber vielleicht an einem anderen Tag. Und dann wünschen wir uns auch nicht solche Vorurteile.
Eure
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Waaas, Du lässt Deinen Sohn Schokolade essen?! *Scherz* Ja, ich wünsche mir auch sehnlichst, dass die Be- und Verurteilungen aufhören. Egal, in welche Richtung sie gehen. Und egal, um was sie sich drehen. LG JuSu aka Mama Schulze
Liebe Susanne
Ein wahrer Post. Klar, wir leiden an solchen Kommentaren, und zweifellos sind sie doof. Gut, wenn wir sie selbst nicht aussprechen, ja nicht einmal denken. Aber das „Problem“ fängt meiner Ansicht nach anderswo an: Wir bewerten in gute und schlechte Handlungen, gute und schlechte Produkte, gute und schlechte Tage. Schokolade im richtigen Moment ist der Kracher, Telefonate können Leben retten. Auch kann man Barbiepuppen besser durch die Sandkastenwüste schicken als Waldorfpuppen und anderes mehr. Und gerade das „Perfekte“, was Mütter von sich und für ihre Kinder fordern, ist nicht immer das Beste für sie und ihre Kinder (z.B Überbehütung).
Ich wünsche dir und mir und allen Müttern einen fröhlichen, gelassenen Tag ohne Bewertungsraster im Kopf!
Herzlich, Martina
<3
Du hast es mal wieder auf den Punkt gebracht, toller Text!
Guten Morgen, das hast Du sehr schön geschrieben und ich stimme dir mit ganzem Herzen zu. Eine ähnliche Situation hatte ich gestern an der Kasse, als es nach einem stressigen Vormittag mit zwei hungrigen Kinder und langen Arztbesuchen, Pommes auf dem Band lagen (auf die sich meine Kinder total freuten). Das ich die restlichen Tage der Woche immer frisch koche und sonst im Bioladen zu finden bin, interessierte die nette ältere Frau nicht, die der Meinung war, ich würden meinen Kindern nur Fast Food geben. Man sollte dann einfach drüber hinweg sehen, aber mir hat der Satz schon einen Stich versetzt. 100 Dinge machen wir großartig und das eine, was nicht so toll ist, dass sehen die Anderen und Verurteilen es.
Liebe Grüße und Euch schöne Ostern, Tanja von Zuckersüße Äpfel
Als Vater bin ich da eher aus dem Schneider – man ist in den Augen der meisten, die so schnell urteilen, ohnehin „nicht so richtig verantwortlich“. Es fällt einem auch leichter, das abtropfen zu lassen oder auszusitzen – die Forderungen, Urteile, Erwartungen, die an Mütter permanent von außen herangetragen werden, bekommt man sehr viel weniger und abgeschwächter zu spüren.
Schöne Anregung zum Perspektiven -Wechsel. Lg Petra
Genau so ist es liebe Susanne! Ich habe es auch so leid, mich immer rechtfertigen zu müssen. Das sind doch nur Momentaufnahmen, Handy am Ohr, Pommes und Eis, Fernsehen…
Danke dass Du es ausgesprochen hast. Und jetzt lege ich das Handy beiseite, weil ich noch die Ostereier mit den Kindern auspusten muss 🙂
Tanja
Liebe Susanne, ein schöner Text, da musste ich an eine Situation heute morgen denken. Ich bin in den Bus eingestiegen mit Doppelbuggy und auf einem ausklappbaren Sitz saß ein kleines Mädchen (vielleicht maximal 3 Jahre alt) und davor stand ihre Mutter, der kleine Bruder war im Kinderwagen daneben. Aus diesem Grund mussten sie aufstehen und uns Platz machen. Das Mädchen wäre gern da sitzen geblieben und fing an lautstark zu protestieren und zu weinen (hätte mein Dreijähriger ganz genauso gemacht!)…Die Mutter setzte sie schnell auf einen Platz weiter hinten (wo man so davor stehen kann) und fuhr sie an „Halt die Klappe!“ – das fand ich etwas übertrieben als Reaktion, aber ich hatte das Gefühl, dass sie sehr gestresst war durch die ruckelige Bus-Situation…Den Rest der Fahrt sprang sie zwischen Baby und Tochter hin und her und war sehr aufmerksam(sprach mit der Kleinen über die Umgebung draußen etc.). Als wir ausstiegen (beim Bhf Zoo), lächelte sie mich an und meinte „Notbeschäftigung?“ (auf den Zoo anspielend). Alles in allem wurde sie mir dann sympathischer, wobei mir dieser Satz vorhin etwas harsch vorkam…
Kurz und gut, wahrscheinlich eine etwas überforderte Mama an einem Feiertag und wer weiß, wie die Nacht war…etc.
Ich bin auch die Mutter, die oft das Handy in der Hand hat und versucht auf dem Weg zwischen Kita und Zuhause noch zu Telefonieren…oder die, die an der Supermarktkasse bei den Haribo-Rollos nachgibt, weil sie keine Lust auf großes Theater hat….. weil sie weiß, dass es nicht davon abhängt, ob der Sohn später noch ein gesundes Abendessen isst, oder nicht 😉
Liebe Grüße und schönes Osterwochenende,
Julia
Ich finde die Zusammenfassung der Gedanken sehr schön.
Manche Kommentare hierzu etwas einseitig!!!
Zu jeder Zeit – und wirklich zu jeder Zeit!!! – Sind Mütter be- und verurteilt worden. Nur heute, vielleicht auch im Rahmen der emanzipatorischen Entwicklung, empfinden wir sie anders.
Früher wurde auch toleriert, dass fremde Menschen das eigene Kind „miterziehen“ – heute will man dann jemandem „übers M….fahren“?! DAS finde ich eher peinlich, wenn ich damit meine eigene Erziehungspolitik darstellen will. Dann wundert es mich nicht, dass unsere erwachsener werdenden Kinder so „rotzig“
reagieren.
Auch hier ist Perspektivenwechsel gefragt (sofern Zeit dafür ist) – ich nutze gelegentlich die Zeit diese Leute anzusprechen und lasse mir Ihre Sicht genauer erklären – das kann ganz schön spannend werden 🙂
Doopooch, Du bist die Mutter die ihrem Kind Pommes gibt. Aus Lust und weil Pommes und Schokolade toll sind und es (in Maßen) keine Schlechten Lebensmittel gibt und das Maß bist in dem Moment für Dein Kind Du!
Liebe Susanne,
vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag! Wie leicht geht es mir selbst in Gedanken so, wenn die Mutter vor mir an der Kasse nur Fertiggerichte kauft (Aber weiß ich, ob nicht gerade ihr Mann im Krankenhaus liegt und sie sich mit wachen Kindern Nächte um die Ohren schlägt?). Und gerade in letzter Zeit, wenn ich mit zwei Kindern unterwegs bin, fällt mir das offene Urteilen vieler Menschen auf. Mütter scheinen dann für alle zur Verfügung stehende Objekte zu sein, denen man ungefragt die Meinung über sie und ihre Kinder mitteilen darf. Wie oft war der „kleine Mann“ also unordentlich angezogen („Da hat die Mama wohl nicht aufgepasst“), dem Baby hing die Mütze über den Augen, der Große hat eine Schnoddernase („Naa, Mutti, keine Taschentücher dabei?“) oder auch die Kinderwagenfarbe war die falsche („Blau? Für ein Mädchen?!“). Ich muss noch lernen, damit umzugehen, Zielscheibe wohlmeinender oder auch aggressiver Meinungsäußerung zu werden…
Liebe Grüße
Linnea
Liebe Muttis und Papis!
Lasst euch doch nicht von denen, die meinen, ihren Senf dazugeben zu müssen, verunsichern. Sicher, die, denen es egal ist, sagen nicht, dass ihr es gut macht, man kriegt es meist nur zu hören, wenn man es angeblich „schlecht“ macht. (Zählt doch mal mit, wieviele stumm vorbeigehen – wenn da ein einziger von vielleicht 20 oder 30 Menschen das Maul aufmacht, versucht es zu ignorieren).
Macht euer Ding, wenn es richtig schlecht läuft, kann man ja mal was sagen, aber dann sprechen euch Leute an, denen ihr vertrauen könnt.
Vielleicht müssen wir „Schweiger“ auch einfach nur öfter was sagen. Ich habe tatsächlich schon oft gedacht, die macht das gut, ich finde es toll, wie die mit dem Kleinen umgeht, schön, dass er mit seiner Tochter draussen ist, und und und – wir sollten halt öfters mal loben statt meckern.
Aber trotzdem: lasst euch nicht verunsichern!
Danke das wird viele aufbauen
Sehr guter Text.da erkenn ich mich in vielem selbst wieder.ich persönlich finde nur die Eltern schrecklich die immer und überall rauchen müssen.das ist das einzige wo ich mir so meine Gedanken mache….
Das kenn ich gut.
Am besten hilft da Selbstbewusstsein und mit sich als Mama im ganzen zufrieden zu sein.
Mit sich Frieden schließen.
Dann kann man die anderen quatschen lassen.
Ein ganz toller Text den ich genauso unterschreibe!!!
Lg von Bella von http://www.freiraumkind.de
sehr schöner und wichtiger text. hab mir vor ein paar tagen auch mal gedanken zu dem thema gemacht, weil auch ich nahezu täglich in die verlegenheit komme, mich rechtfertigen zu müssen. inzwischen habe ich aus psychohygienischen gründen damit aufgehört 🙂 wen es interessiert, kann hier nachlesen: http://muttialarm.wordpress.com/mutter-sein-ist-krieg
liebe grüße! linda
Ganz toll geschrieben. Wir sehen immer nur Ausschnitte und dürfen darüber nicht urteilen
Gut das du das mal ansprichst bei mir sind es sogar die eigenen Eltern die nur urteilen selbst aber Nein Zeit inwestieren. Gut zu wissen das ich nicht nur das Gefühl habe das andere nur urteilen anstatt zu helfen.
Wann bitte hat das eigentlich angefangen dieses Urteilen über andere Mütter?? Saßen früher nicht die Mütter zusammen und sahen ihren Kindern beim Spielen zu, stehen sie heute und man traut sich kaum etwas zu machen ohne Missgunst und Verurteilungen zu ernten…. eine schreckliche Welt in der gute Mütter dann daran zweifeln gut zu sein – denn das sind wir doch alle – GUTE MÜTTER weil wir alle REALE MÜTTER sind!!!
Danke für Deine Worte liebe Susanne!!!
Liebste Grüße
JesSi Ca
Wie wahr! Super geschrieben!
Du kannst Gänseblumenkettchen basteln? Lass uns mal draußen treffen. 🙂
wow ich finde den arikel super, über meinem sohn (ca 5 Jahre) wurde von einer älteren dame unter der dusche mal gesagt: oh gott ist der dünn, da sieht man ja alle rippen. ich war baff. ich redete schließlich auch nicht über sie, denn jeder mensch ist anders und auch anders gebaut. ich rechtfertigte mich aber auch, obwohl nicht nötig: ich sagte: ja aber er bekommt genug zu essen. da war sie baff und zog von dannen. solche dinge finde ich fies zumal das für ein kind wenn es halb nackig im duschgereich steht echt nicht zum selbstbewusstsein beiträgt.
Wichtiges Thema! Man urteilt so schnell…ich fand diesen Artikel dazu so großartig: http://www.meinesvenja.de/2011/10/06/bekenntnisse-einer-cola-mutter/ LG! Ela
Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel! Du hast so recht. Und genau das ist es, was uns Mütter eigentlich stresst. Das Urteilen und verurteilt werden. Der Druck der Gesellschaft ist ziemlich groß. Wenn man dann nicht so einfach über den Dingen stehen kann, kann das zum Problem werden. Und mal ehrlich, wer kann da schon drüber stehen? Im ersten Moment vllt..aber es beschäftigt einen doch und man ärgert sich oder fühlt sich im schlimmsten Falle auch noch schlecht.
oh ja das liebe Urteilen, davon kann ich ein Lied singen und hab mir sogar auch schon mal Gedanken dazu gemacht – auch auf dem Blog, aber ich verlinke nur, wenn es Dir recht ist.
Liebste Grüße Deine hoffentlich nie zu schnell urteilende
JesSi Ca
na klar, verlink mal
Gerne, aber ich wollte kein „Ich nutze Deine Reichweite um meine Links zu verteilen“ Mensch sein 🙂
http://feiersun.de/gedanken/urteilen – Wie ich urteilte und das doch niemals wollte…..
Die Ärzte – Lass die Leute reden