Gerade ist es wieder etwas leiser geworden um den Hebammenprotest, obwohl die Situation noch immer brenzlig ist und keine Lösung bislang gefunden wurde. Doch gerade vor ein paar Wochen wurde mir bei der Arbeit wieder vor Augen geführt, wie wichtig die Arbeit der Hebammen ist:
Ich hatte einen Termin zur Schlafberatung bei einer Mutter mit einem sieben Wochen alten Baby. Telefonisch sagte sie mir vorab, dass ihr Baby erhebliche Schlafprobleme hätte, besonders Probleme mit dem Einschlafen, aber auch die Nächte schlimm seien. Ich fragte nach, erzählte, dass Schlafen eben erst einen Rhythmus finden müsste, dass Aufwachen normal sei, aber sie versicherte, dass ihre Probleme über das normale Maß hinaus gingen und sie am Ende ihrer Kräfte sei. Bei dem Hausbesuch traf ich tatsächlich eine Frau an, der es nicht gut ging, die schlecht aussah und erschöpft war. Und ein unruhiges Baby. Als ich es betrachtete, hatte ich schon eine Idee, hörte mir aber erst die Geschichte der Mutter an. Neben ihrem Bericht über die aktuelle Lage kamen wir auch schnell auf die Geburt zu sprechen. Sie berichtete, dass das Baby in der 38. Woche geboren wurde. Eine anstrengende Geburt im Kaiserschnitt mit vielen Eingriffen. Sie war emotional noch nicht darauf vorbereitet, dass das Baby schon kommt. Aber es war völlig gesund. Dadurch, dass es früher kam, gab es aber terminliche Probleme bei der Nachsorge: Die Hebamme, die die Nachsorge eigentlich machen sollte, hatte einen Bandscheibenvorfall und konnte sie nicht mehr versorgen. Sie fand auf die schnelle keine neue Nachsorgehebamme. Im Krankenhaus wurde ihr gesagt, sie solle dann einfach zur Frauenärztin gehen und dort nach dem Rechten schauen lassen, ob sich alles gut zurück bilden würde, das sei kein Problem. Sie hatte Stillprobleme von Anfang an, im Krankenhaus wurde ihr auf der Wöchnerinnenstation das Anlegen gezeigt, aber es klappte nicht so recht, die Brustwarzen wurden wund, besonders auf einer Seite, und ihr wurde gesagt, sie müsse zufüttern. Später würde der Kinderarzt weiter beraten und sehen, ob das Kind genügend zunehmen würde. Zu Hause klappte es mit dem Stillen nicht, der Kinderarzt riet zur künstlichen Säuglingsnahrung, da das Kind nicht genügend zunehmen würde. In der zweiten Woche nach der Geburt wurde die Schlafsituation auch immer schlimmer, denn es hatte erhebliche Einschlafschwierigkeiten, schrie viel, ließ sich auch schwer tragen. Sie hielt lange aus, ging immer wieder zum Kinderarzt und vermutete Blähungen, aber es konnte keine Besserung hervor gerufen werden. Sie war am Ende ihrer Kräfte.
Ohne Hebamme – Hilfe kommt fast zu spät
Die Frau hat nichts, nicht die geringste Kleinigkeit „falsch“ gemacht. Sie hat alles gegeben, was sie konnte. Das Problem war: Sie hatte keine Nachsorgehebamme. Die Hebamme hätte sich während eines Hausbesuches zur Nachsorge Zeit genommen, sich das Stillen in Ruhe anzusehen, hätten den Bericht zur Geburt in Ruhe gehört und sich das Kind angesehen. Sie hätte gesehen, dass dieses Kind bei einer Physiotherapie/Osteopathie gut aufgehoben wäre, da es sehr wahrscheinlich eine Blockade hat, die das Stillen behindert und auch Schmerzen in anderen Positionen hervor ruft. Sie hätte ihr früh helfen können, wodurch sie wahrscheinlich nicht mit dem Stillen hätte aufhören müssen und nicht völlig verzweifelt wäre. Aber es war keine Hebamme da, weshalb sie erst sehr spät Hilfe bekommen hat, als sie schon ganz am Ende ihrer Kräfte war.
Hebammen sind durch keinen anderen Berufsstand zu ersetzen
Ja, natürlich gibt es viele andere Berufszweige, die ähnliche Arbeiten verrichten wie Hebammen oder ähnliches Wissen haben wie Hebammen. Aber Hebammen sind die, die zuerst auf die Frau blicken können, die weiterhelfen und erst dann, wenn sie eine zweite Meinung brauchen, weiter verweisen. Und sie sind auch diejenigen, deren Arbeit von den Krankenkassen bezahlt wird (zu gering, aber für die Familien ist es wichtig, dass es jemanden gibt, der nicht privat bezahlt werden muss). Ich habe Kolleginnen, die als Doula arbeiten: Sie können Hebammen nicht ersetzen bei der Geburt. Sie arbeiten mit den Hebammen Hand in Hand, unterstützen sie, aber vor allem die Gebärende in den vielen Kleinigkeiten, für die die Hebamme vielleicht nicht die Zeit oder die Möglichkeit hat – besonders im Krankenhaus. Ich habe Kolleginnen, die als Stillberaterinnen arbeiten und wie ich auch von Hebammen angerufen werden, wenn sie bei Stillschwierigkeiten eine zweite Meinung benötigen oder einen anderen Blick. Früher habe ich im Geburtshaus Friedrichshain, das bereits 2012 schließen musste, für die Hebammen bei Bedarf Hausbesuche zur Stillberatung gemacht und Kurse zur Geburtsvorbereitung gegeben, weil sie einen anderen Schwerpunkt in der Kursarbeit wünschten als klassische Geburtsvorbereitung. Hebammen können Eltern auch einführen in die Möglichkeit, das Kind in einem Tragetuch zu tragen oder an entsprechende Trageberaterinnen weiter verweisen, wenn es den Bedarf gibt oder wenn es spezielle Situationen gibt, die eine besondere Trageberatung erfordern. Hebammen besuchen Frauen im Wochenbett und sehen und erfahren in dieser Zeit alles, was wichtig ist und sind die ersten Ansprechpartnerinnen für alle Belange. Es gibt einfach keinen Beruf, der dies auffangen kann, denn die vielen einzelnen Berufssparten, die sich drum herum gruppieren mit ihrem Fachwissen wie Stillberaterinnen, Trageberaterinnen, Babykursleiterinnen, Osteopathen, Familienbegleiterinnen, Mütterpflegerinnen etc. sind die zweite Anlaufstelle, die aber nicht den ersten Blick ersetzt. Und sie sind meistens privat zu bezahlen – was für viele Familien nicht möglich ist. Es ist wie bei einem Arzt, wenn wir zum Allgemeinarzt gehen und zu einem Spezialisten überwiesen werden. Hebammen sind nicht ersetzbar.
Mit der Hebamme an der Seite bekommen Mütter die Hilfe, die sie brauchen
Glücklicherweise konnte der Mutter und dem Kind geholfen werden. Es schläft nicht durch, aber es schläft besser und weint weniger. Es lässt sich besser in einer Babytrage tragen und auch beruhigen. Der Mutter geht es besser. Nicht super, aber besser. Sie selber muss noch verstehen, dass sie alles getan hat, was sie konnte und es nicht ihre Schuld war, dass ihr Start so schwierig war. Denn so war es. Es ist traurig, dass der Beginn dieser Eltern-Kind-Beziehung ganz anders hätte sein können, wenn die Rahmenbedingungen anders gewesen wären. Und zwar nur eine klitzekleine Änderung wäre nötig gewesen: Eine Nachsorgehebamme, die mit ihrem Fachwissen sofort erkannt hätte, was zu tun ist.
Deswegen: Setzt Euch bitte weiter für den Berufsstand der Hebammen ein. Sie haben es verdient, aber vor allem habt Ihr es verdient, die Hilfe zu bekommen, die ihr benötigt! Bevor Ihr am Ende Eurer Kräfte seid.