Tag: 21. September 2018

Geborgen anderswo: Mutter werden in Indien – Wochenbett und Rückreise

Anka ist 37 Jahre alt, als sie mit ihrem Mann, der als Wissenschaftler dort forscht, nach Indien zieht und ein neues Leben beginnt in einer anderen Kultur. In einem früheren Artikel erzählte Anka hier wie es war, in Indien schwanger zu werden. Heute
beschreibt sie, warum sie einen Teil des Wochenbetts mit einer Freundin teilte und wie die Rückreise nach Indien war.

Unsere Tochter wurde drei Tage nach dem geschätzten Termin geboren. Selbst in diesen letzten Tagen des Wartens konnten wir noch Tango tanzen, obwohl ich weite Strecken nicht mehr gut gehen konnte. Tanzen ging und es war wunderschön, langsam, sanft und innig, geborgen in der Umarmung, in der Musik, in der Bewegung. Es war auch schön zu sehen, wie sehr das andere Menschen berührte, dass wir so miteinander waren.

Am Abend vor der Geburt tanzten wir vor der Staatsgalerie unter freiem Himmel. Als wir gegen Mitternacht ins Bett gingen, spürte ich, dass es nun wirklich begann. Am nächsten Tag gegen 19 Uhr war unsere Tochter in unseren Armen. Die letzten Stunden der Geburt mussten wir vom Geburtshaus ins Krankenhaus umziehen, weil das Fruchtwasser grün war. Eine Vorsichtsmaßnahme, die zum Glück keine weiteren Komplikationen nach sich zog. Schon wenige Stunden nach der Geburt verließen wir das Krankenhaus – auf eigene Verantwortung. Vielleicht hätten wir das nicht gewagt ohne den telefonischen Zuspruch unserer Hebamme. Die aber ermutigte uns und ihr Vertrauen half uns zu vertrauen. Wir wachten neben diesem kleinen schlafenden Wunder zwischen uns im Bett. Wir ließen uns Zeit miteinander anzukommen. Wir badeten in Liebe und staunten über das Gefühl, nun zu dritt zu sein.

Geborgen im Kreis der Frauen

Bei der Geburt war übrigens nicht nur mein Mann dabei, sondern auch eine gute Freundin. Sie war es auch, die mit mir den Geburtsvorbereitungskurs besuchte. Denn was, wenn das Baby früher gekommen wäre, bevor mein Mann da sein konnte? Außerdem wünschte ich mir immer auch eine Frau dabeizuhaben, eine Frau, die sich mit der archaischen Kraft der Frauen verbinden und mich so unterstützen kann. Diese Freundin informierte übrigens, während ich in den Wehen lag, einen ganzen Kreis von Frauen. Die hatte ich vorher mit Kerzen versorgt. So war ich während der Geburt im Kreis der Frauen geborgen. Auch das bedeutet für mich Geborgenheit, wenn man so zwischen den Welten lebt: den Kreis zu öffnen und über die Kleinfamilie hinaus sich mit Menschen zu verbinden.

Die ersten Ausflüge

Wir genossen die ersten Spaziergänge und Cafebesuche – etwas das mir in Indien wirklich fehlt – das Mädchen im Tragetuch bei Papa. Einen Kinderwagen planten wir nie. Er macht in Indien auch nicht viel Sinn und ist auch längst nicht so verbreitet wie in Deutschland. Von Anfang an liebten wir beide das Tragen. Den ersten längeren Ausflug machten die Papa und Tochter schon wenige Tage nach der Geburt, denn für die Rückreise brauchte das Baby einen Pass und ein Visum. Wir legten das kleine Bündel auf ein weißes Tuch und machten Passfotos. Dann fuhr der Papa mit Baby los um aufs Amt und ein paar Stunden später waren sie zurück. Wie groß sich solche sonst selbstverständlichen Dinge im Wochenbett anfühlen!

Im Wochenbett bei Freunden

Etwa einen Monat nach der Geburt musste mein Mann zurück nach Indien. Winkend und auch ein bisschen weinend stand ich mit dem Baby auf der Straße und winkte dem Taxi hinterher. In nur wenigen Wochen sollten auch wir nachfolgen, so war es geplant. Neben all dem Wunder war meine Wochenbettzeit aber auch eine Zeit voller Weh, denn ich hatte Unmengen von Milch und eine ganze Reihe von Brustentzündungen. Immer wieder warf mich das ganz schön zurück. Ich fühlte mich wie ein Schalentier ohne Schale. Blut, Schweiß, Tränen und Milch – das war an manchen Tagen mein Wochenbett. Leider hörten die Brustentzündungen auch nach der Abreise des Papas nicht auf und ich war immer noch sehr geschwächt. Als ich mit meinen Kräften ziemlich am Ende war, durfte ich bei einer Freundin unterschlupfen. Diese Freundin hatte zwei Wochen vor mir ihren Sohn bekommen. Wir teilten also für eine Weile das Wochenbett. Ich hatte ein Zimmer für mich und das Baby. Ansonsten schwammen einfach mit im Alltag dieser Großfamilie. Wir saßen zusammen auf dem Bett oder Sofa, stillten, redeten, erzählten wie es uns ergangen war. Wir spazierten durch den herbstlichen Wald (etwas so Deutsches!) und fühlten unsere Kräfte zurückkehren. Mit einer Freundin diese Zeit so nah teilen zu dürfen war ein großes Geschenk.

Zurück nach Indien

Irgendwann wurde mir klar, dass ich es nicht schaffen würde, acht Wochen nach Geburt zurück nach Indien zu fliegen. Ich war noch nicht genügend bei Kräften und ich musste auch unser temporäres Zuhause wieder auflösen. Auch einige Kisten mit Babysachen wollten verschickt werden und das ist mit Zolldeklarationen und Papierkram einigermaßen aufwändig. Also verschob ich den Flug. Und bat meinen Mann, zu kommen und uns auf dem Rückflug zu begleiten. Das tat er, ohne zu zögern. Er kam und holte uns ab.
Zehn Wochen nach der Geburt kehrten wir zu dritt nach Indien zurück. Vor der Reise und den langen Flügen hatte ich ziemlich Respekt. Ich erinnere auch sehr gut die Angst davor, in der Enge des Flugzeugs zu stillen, zumal die Flieger oft fast nur mit indischen Männern besetzt sind. Wie würden die reagieren, wenn ich meine Brust auspacke? Und wie und wo stille ich auf dem Flughafen eines arabischen Emirats? Es klappte sehr, sehr gut, wie auch bei allen anderen Flügen später auch. Meine Sorgen zerstreuten sich mit Hilfe eines Stillschals schnell. Ich stillte überall! Unser kleines Baby
schlief viel und war die meiste Zeit im Tragetuch. Auch bei den vielen weiteren Reisen, die ich in den letzten zwei Jahren oft alleine mit Kind machte, fand ich es immer ideal, das Wichtigste am Körper zu tragen und den Koffer hinter mir herzuziehen. Diese seltsamen
Zwischenzustände, wenn man von der einen Welt in die andere reist hat unser Kind von Anfang an als etwas kennen gelernt, das zu unserem Leben einfach dazugehört.

Am Flughafen erwartete unser Fahrer Krishna uns, voller Freude über das kleine Menschlein
und mit Babyschale im Auto. Was hier schon ziemlich exotisch ist. So gut wie niemand hat
Kindersitze im Auto. Zurück in Indien hatte ich keinerlei Stillprobleme mir. Es folgte ein milder Winter in Indien. Wie es ist mit Baby in Indien zu leben, erzähle ich beim nächsten Mal…

Anka schreibt auch auf ljuno über ihren Alltag in Indien mit ihrem Kind, wo sie jetzt seit 3 Jahren leben. Bilder aus ihrem Alltag findest Du auch auf Instagram hier.