Schlagwort: Entwicklung

Warum Kinder in ihr Spiel versunken sein sollen – Ein bisschen Flow für den Alltag

Wasserspiel

Gestern haben wir zauberhafte neue Badepralinen für die Kinder hergestellt aus Kakaobutter, Natron, Zitronensäure, Stärke und Glitzersternchen. Diese wurden heute sogleich ausprobiert in der Badewanne und dabei konnte ich den Sohn in seinem Spiel mit Wasser beobachten. Der Wasserhahn lief und immer und  immer wieder versuchte er, den Strahl ergreifen zu können. Seine kleine Hand versuchte, den Strahl zu packen wie ein Seil – und schloss sich dann doch immer wieder nur in sich selbst. Ganz verzückt ließ er das Wasser durch seine Finger rinnen und beobachtete seinen Lauf. Es erschien mir fast, als würde er es zum ersten Mal so bewusst wahrnehmen. Seine Hand drehte sich unter dem Wasserstrahl und er beobachtete, wie das Wasser in alle Richtungen spritzte. Minutenlang saß er so da und beobachtete und probierte.

Wie Erwachsenen würden es als „Flow“ bezeichnen: das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit. Kinder haben sie noch problemlos, diese Momente des „Flow“, in denen ihr Handeln einfach dahin fließt, in denen sie sich ganz einer Sache hingeben und ihr Bewusstsein gar nicht mehr zu trennen ist von der Handlung. Ein Moment, in dem sie ganz und gar ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache richten, auf eine Handlung, eine Beobachtung. Alles andere in der Umgebung wird vergessen. In diesem Moment sind sie die Handlung selbst. Ablenkung ist kaum möglich. Eine Ermahnung, eine Stimme von Außen wird tatsächlich nicht wahrgenommen, so sehr sind sie konzentriert. Die Zeit fliegt geradezu dahin und wird nicht wahrgenommen.

Der Antrieb für dieses Handeln liegt in ihnen selbst. Ihr Forscherdrang verleitet sie dazu, sich dieser Neugierde hinzugeben. Es beobachtet, erprobt, nimmt Grenzen wahr und testet sie aus. Was kann ich? Was kann ich nicht? Kann ich den Wasserstrahl anfassen? Immer wieder werden neue Erkenntnisse ausprobiert, auf die Probe gestellt und so immer weiter erkannt, was man mit einem Gegenstand tun kann, wofür er da ist. Das Kind nähert sich durch Experimente einer Sache an, um sie ganz und gar zu verstehen.

So ist es nicht nur mit dem Wasserstrahl, sondern mit so vielen neuen Dingen, die das Kind kennen lernt. Es probiert sich und den Gegenstand aus und erfährt auf diese Weise, wofür es ihn nutzen kann. Und je älter es ist und je mehr Fähigkeiten es hat, umso intensiver wird es sich mit dem Gegenstand auseinander setzen, neue Fähigkeiten daran ausprobieren und immer mehr Wissen sammeln darüber, wie es damit umgehen kann. Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget hat dies seinerzeit als das Wechselspiel von Assimilation und Akkomodation bezeichnet, wodurch das Kind sich letztlich sein Wissen von der Welt aneignet.

Für uns bedeutet dies: Lassen wir das Kind spielen. Zeigen wir ihnen nicht sofort, wofür wir denken, dass ein Gegenstand benutzt wird. Lassen wir das Kind selbst probieren, wozu er da ist. Zeigen wir nicht gleich, wie ein Spielzeugauto aufgezogen, ein Ball gerollt oder ein Musikinstrument benutzt wird. Geben wir Zeit, nehmen wir uns und unsere Erwartungen zurück. Genießen wir es, wenn es sich in einem Zustand des Versunkenseins befindet und immer Neues ausprobiert, sich erprobt und so seine Welt verstehen lernt. Greifen wir nicht zu schnell ein in das Spiel, sondern lassen wir das Kind experimentieren. Ermahnen wir nicht und sind nicht verärgert, weil das Kind unsere Stimme nicht hört. Versuchen wir einfach, uns auch hinein zu versetzen: zu verstehen, warum und was das Kind versucht. Nehmen wir einen kleinen Teil dieses kindlichen Denkens und Handelns in uns auf für unseren Alltag und lassen uns auch davon inspirieren und den „flow“ in unseren Alltag kommen. Denn manchmal würde es uns auch sehr gut tun.

 

 

Lieblingsspiel im 14. Monat: Sortieren und Stecken

Jetzt ist der Sohn schon 14 Monate alt. Und mit den Vorsätzen für das neue Jahr möchte ich endlich wieder die Serie der Lieblingsspiele aufnehmen, die ich mit 9 Monaten begonnen hatte. Vielleicht schaffe ich es ja auch, die fehlenden Monate noch nachzureichen, denn Fotos von den Spielen gibt es hier eigentlich viele.

Nun aber zum derzeitigen Lieblingsspiel: Das sind Sortier- und Steckspiele. Zu Nikolaus hat der Sohn ein Steckspiel bekommen, an dem ihn besonders die Türen interessieren, das sonst aber ziemlich unbenutzt herum steht. Viel spannender ist es nämlich, kleine Teile in Schüsseln zu legen oder durch kleine Öffnungen zu schieben. Ab und zu stellt er dabei fest, dass es schwierig ist, die eigenen Finger oder die ganze Hand wieder heraus zu bekommen – besonders, wenn die Hand problemlos in eine Dose hinein ging und dann aber nicht mehr hinaus, wenn er etwas in der kleinen Faust hält.

Neben Dosen und Schraubgläsern aller Art hat der Sohn nun Steck-Dosen für sich entdeckt, in die er gerne ausdauernd verschiedenste Dinge (große Holzscheiben, kleine Schlüsselringe, Büroklammern, Spielgeld, Puppenbesteck) hinein steckt, die Dosen schüttelt, um die Spielsachen wieder heraus zu bekommen, seine Hand hinein steckt, sie stapelt und und und. Solche Dosen zum Steckspiel kann sehr hübsch selber machen, wie bei Eltern vom Mars gezeigt wird. Für meine Arbeit in den Spielgruppen habe ich einmal fertige Fühldosen gekauft aus Plastik – eine Alternative für alle, die weniger gerne basteln. Mit größeren Kindern wie der Tochter kann man damit auch ein schönes Spiel machen, wenn in den Dosen Dinge versteckt werden und dann erfühlt werden soll, was sich in der Dose befindet.

Steck-Dosen2

Und was bringt das Spiel dem Kind? Es übt sich dabei in Feinmotorik, erhält Informationen über Dreidimesionalität, lernt, dass Dinge auch weiterhin vorhanden sind, selbst wenn es sie nicht mehr sieht. Immer und immer wieder werden Dinge hinein gesteckt und wieder heraus geholt. Kleinkinder lieben diese Wiederholungen. Der Sohn hat darin auf jeden Fall momentan sein Lieblingsspiel gefunden.

9 Monate Windelfrei – eine Bilanz

Töpfchen

Kürzlich hat Franzi von „Einfach klein“ eine Bilanz von 18 Monaten windelfrei gezogen und zu weiteren Berichten aufgefordert. Dem möchte ich hier gerne nachkommen und über unsere bisherige „windelfrei“-Zeit berichten. An anderer Stelle hatte ich ja bereits davon berichtet, wie wir zu windelfrei kamen: Vor vielen Jahren hatte ich einmal das Buch „Es geht auch ohne Windeln!“ gelesen und mir dann, nach der Geburt der Tochter gedacht, dass es aber gut auch mit Windeln geht. Dann kam einige Jahre später der Sohn in unser Leben. Und er war so völlig anders als die Tochter mit einem ganz anderen Temperament und anderen Bedürfnissen. Es dauerte einige Monate – 5 an der Zahl – bis ich merkte, dass sein häufiges Weinen mit seinem Ausscheidungsbedürfnis zusammen hing. Er wollte einfach nicht in seinen nassen Stoffwindeln sein! Und so nahm ich den Gedanken des „windelfrei“ also doch noch einmal auf und begann, ihn abzuhalten.

Obwohl man manchmal liest, dass es schwierig ist, mit „älteren“ Kindern zu beginnen, hatten wir keine wirklichen Startschwierigkeiten. Es schien so, dass der Sohn nur darauf gewartet hätte, dass bei mir endlich der Groschen fällt: „Endlich verstehst Du mein Signal!“, schien er mir zu sagen. Er war beglückt, dass ich ihn abhielt. Die englische Bezeichnung „elimination communication“ passt meiner Meinung nach hervorragend für die natürliche Säuglingspflege. Denn bei der Bezeichnung „windelfrei“ könnte man irrtümlicherweise annehmen, auf Windeln würde ganz verzichtet werden. Natürlich klappte es nicht immer. Das lag meist daran, dass ich mit anderen Dingen beschäftigt war und sein Signal einfach nicht wahrnahm, während ich mit der Tochter (die in dieser Zeit anfangs noch nicht in den Kindergarten ging) in eine Sache vertieft war oder gerade etwas im Haushalt machte. Oder unterwegs war und ihn nicht abhalten konnte, weil es zu kalt war, wir gerade im Auto saßen oder oder…

Dann kam der Sommer und damit eine einfache windelfrei-Zeit. Draußen Abhalten war durch angenehme Temperaturen möglich (auch wenn ich trotzdem weiterhin Stoffwindeln verwendete und ihn auch dort hinein machen ließ, wenn es nicht anders ging) und auch in der Wohnung konnte er nackt herumtollen. Natürlich ging auch mal was daneben. Auch mal öfter. Besonders in Zeiten von Umbrüchen (Entwicklungsschübe, Zahnen, Krankheit) änderten sich die Signale. Da ich das Windelflies nicht mehr benötigte, weil er seinen Stuhlgang sehr genau anzeigte und das so gut wie nie in die Windel gemacht wurde, entdeckte ich, dass Windelflies ideal ist, um damit Urin aufzuwischen und sauber zu machen, weil es so schön reißfest ist und später trotzdem mit den Stoffwindeln mitgewaschen werden kann. Der Mann war weiterhin etwas skeptisch und fragte manchmal, ob es in unserer Wohnung noch Orte geben würde, an denen noch kein Kind eine Pfütze hinterlassen hätte. Doch ich machte weiter.

Als der Sohn anfing, selbständig in den freien Sitz zu kommen mit etwa 8 Monaten, kaufte ich ein Töpfchen und setzte ihn, als er gut allein sitzen konnte, für das „große Geschäft“ auf das Töpfchen. Zunächst war es ungewohnt für ihn, weil er das Abhalten gewöhnt war. Dann aber, als er uns als Vorbilder sah und verstand, benutze er das Töpfchen zunehmend, irgendwann auch für Urin. Er veränderte seine Ansagen und machte nicht mehr mit Blicken oder Geräuschen auf sein Bedürfnis aufmerksam, sondern fasste gelegentlich demonstrativ an die Windel, um mir klar zu machen, dass er musste. Natürlich gab es auch weiterhin viele Situationen, in denen auch die Windel nass wurde. Gerade  während der Eingewöhnungszeit der Tochter im Kindergarten war es nicht möglich, dort richtig auf seine Signale zu achten bzw. darauf einzugehen. Wenn ich aber merkte, dass er musste und ich ihn nicht abhalten konnte, erklärte ich ihm, dass er nun leider in die Windel machen müsse und ich sie ihm dafür schnell wechseln würde. Ich bin mir sicher, dass er mich verstand.

Allerdings war und ist er in Sachen Abhalten sehr wählerisch: Er möchte nur auf sein eigenes Töpfchen gehen und bevorzugt auch unser Waschbecken und unsere Toilette. An anderen Orten tut er sich schwer damit. Er wartet und schüttelt den Kopf. Oft nimmt er dann doch lieber den Weg, in die Windel zu machen.

Um den 10. Monat kamen die ersten Wörter und um den 13 Monaten kamen auch „pullern“ und „Kacka“ in den Sprachgebrauch. Dabei ist „Kacka“ oft für Stuhl und Urin im Gebrauch und bedeutet so viel wie „auf Toilette gehen“. Damit wird windelfrei nun noch einfacher, weil er tatsächlich oft einfach ansagt, dass er auf Toilette muss oder zumindest, wenn er gerade in die Windel gemacht hat. An Tagen, an denen ich die Möglichkeit habe, gut auf seine Signale zu achten, kann ich ihn vollständig abhalten. Stuhlgang erledigt er ausnahmslos in sein Töpfchen.

9 Monate leben wir nun „elimination communication“. Und auch, wenn der Mann anfangs und zwischendurch immer wieder ziemlich skeptisch war, findet er es gut, wie es jetzt beim Sohn funktioniert und dass auch er ihn nun problemlos abhalten kann. Die Kommunikation um die Ausscheidungsbedürfnisse hat tatsächlich auch an unserer Beziehung oder vielmehr an meinem Bild vom Kind  verändert: Babys sind unglaublich kompetente, kleine Wesen. So, wie sie ihren Hunger, ihr Bedürfnis nach Nähe oder den Wunsch nach Unterhaltung ausdrücken, zeigen sie auch, wann und ob sie auf Toilette gehen müssen. Es ist nicht notwenig, ihnen beizubringen, ihr Bedürfnis in eine Windel zu verrichten, um es ihnen später wieder abzutrainieren. Wenn wir genau hinsehen, können wir ihr Signal tatsächlich deutlich wahrnehmen. In Kombination mit Stoffwindeln kann man zusätzlich auch einen guten Beitrag für die Umwelt leisten, in dem man Wegwerfwindelberge nicht weiter ansteigen lässt. Und es hat den großen Vorteil (sowohl bei windelfrei als auch bei der Verwendung von Stoffwindeln), dass die Haut im empfindlichen Windelbereich viel besser versorgt wird. Kein einziges Mal hatte der Sohn bislang eine Windeldermatitis. Für uns war und ist es der richtige Weg, „elimination communication“ zu betreiben, auch wenn ich mir das anfangs nicht hätte denken können. Aber auch wenn ich all diese positiven Wirkungen sehe, halte ich weiter auch daran fest: Natürlich geht es auch mit Windeln, und man ist trotzdem kein schlechte Mutter und kann eine gute, tiefgehende Beziehung mit seinem Kind haben! Kein Dogma, aber einen Versuch ist es wert, oder?

 

 

Natur, Natur und einfach spielen lassen – Wie Kinder heute wachsen sollten

Wie_Kinder_heute_wachsen

Schon lange liegt das neue Buch von Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther auf meinem Schreibtisch. Ich bin lange nicht dazu gekommen, es gründlich zu lesen, denn ich habe meine Tochter im Kindergarten eingewöhnt. Nach wirklich langer Suche (und nachdem wir sie aus einem schlechten Kindergarten hinaus genommen haben), haben wir einen wunderbaren Platz für sie gefunden. Einen Kindergarten, in dem täglich hinaus gegangen wird bei jedem Wetter, bei dem einmal in der Woche ein Waldbesuch ansteht und einmal wöchentlich der Bauernhof aufgesucht wird. Dort wird mit Pflanzen Stoff gefärbt, Kinder klettern auf Bäume und bauen sich kleine Hütten im Wald. Noch nie zuvor kam meine Tochter mit so vielen Schürfwunden oder blauen Flecken nach Hause. Aber sie ist auch sehr glücklich dort. Und das mitten in Berlin.

In meinem Umfeld höre ich oft, dass Familien aufs Land oder zumindest an den Stadtrand ziehen wollen, weil die Kinder in der Stadt keine Natur erleben könnten und die Kindheit hier so eingeschränkt sei. Und nun kommen wir zum Buch von Renz-Polster/Hüther. Stimmt nicht, sagen die nämlich. Es kommt nämlich nicht nur auf den Raum an, sondern eben auch auf unsere Einstellung, unsere innere Haltung zu dem, was uns wichtig ist und zu dem, was wir denken, dass unsere Kinder „lernen“ müssen. Im Frühförderwahn denken wir zu oft, dass Lernspiele, Apps und Wissensbücher den Kindern alles Wichtige vermitteln. Doch Kinder lernen nicht auf diese Weise. Sie lernen durch das Tun. Renz-Polster und Hüther beschreiben das so wunderbar mit dem folgenden Bild:

Bäume brauchen Wurzeln, das weiß jedes Kind. Und ein kleiner Baum kann umso besser wachsen und gedeihen, je kräftiger seine Wurzeln sind, mit denen er sich im Erdreich verankert und seine Nährstoffe aufnimmt. Nur wenn es einem kleinen Baum gelingt, tief reichende und weitverzweigte Wurzeln auszubilden, wird er später auch Wind und Wetter, ja sogar Stürme aushalten.

Auch Kinder brauchen feste Wurzeln. Offenbar wissen das nicht alle Eltern, auch nicht alle Erzieher oder gar alle Bildungspolitiker. Sie halten das, was man an jedem Baum sehen, messen und zählen kann, also die Äste oder die Blätter oder auch nur die Früchte, für wichtiger als die verborgenen Wurzeln.

Kinder können im freien Spiel in der Natur Grundkompetenzen erwerben, die die Basis für alles andere sind. Diese Grundkompetenzen wie Selbstwirksamkeit, Hingabe, Mitgefühl, Geduld und Verbundenheit sind nichts, was man ihnen in einem Lehrplan beibringen könnte. Sie lernen durch sich und dem Zusammensein mit anderen. Sie erproben, machen Fehler, korrigieren, lernen. Und sie lernen dort auch ein Gut kennen, das wir in unserer hektischen Zeit kaum noch vermitteln können: Langsamkeit.

Renz-Polster und Hüther gehen sehr anschaulich vor und zeigen sanft auf, was es ist, was Kinder wirklich benötigen. Dabei werden diese Bedürfnisse auch noch durch wissenschaftiche Fakten aus der Hirnforschung untermalt. Auf diese Weise entsteht ein neues Bild vom Kind. Ein realistisches Bild, dem wir uns wieder annähern sollten. Sie nehmen Eltern die Angst, Zeitfenster der Entwicklung zu verpassen und Kinder möglichst früh möglichst optimal zu fördern. Und sie machen auch klar: Ja, Kinder können sich im freien Spiel verletzen und es ist auch immer ein wenig gefährlich in der Natur. Aber nur ein wenig. Und Kinder lernen durch die Auseinandersetzung mit der Natur auch einen besseren Umgang mit ihr. Dabei wird nicht aus dem Blick gelassen, dass heute nunmal heute ist und es auch Fernseher und Computer gibt. Wie sie selber schreiben ist „Medienbashing“ zu einfach. Computer und Co. sind nicht per se schlecht. – Auch das lässt Eltern wieder aufatmen, denn hört man heute zur Genüge, wie schädlich der Einfluss der Medien sein soll. Auf die Dosis und die Art kommt es an.

Es geht also gar nicht so sehr nur um die Natur und darum, dass Kinder mit Stöckchen und Eicheln spielen sollten. Es geht darum, dass Kinder Kinder sein sollen. Dass sie im freien Spiel in der Natur Dinge erlernen, die wir ihnen nicht beibringen können, die sie aber benötigen. Um Mitgefühl und Einfühlungsvermögen zu entwickeln, gibt es keine Apps oder Computerspiele. Das ist etwas, was man nur im Zusammensein mit anderen lernen kann und in der Auseinandersetzung mit dem Leben. Gerade diese beiden Eigenschaften sind es jedoch, die nach und nach verloren gehen in unserer Welt, die so sehr auf den Einzelnen fokussiert. In der wir uns mit Ellenbogen nach vorn bewegen wollen – oder zumindest unsere Kinder dies tun sollen. Wir wollen ja schließlich nur ihr Bestes.

Doch wenn wir dies wirklich wollen, müssen wir unsere Einstellung überdenken. Wir als Eltern, aber auch alle Erzieher und Lehrer. Wir müssen hinterfragen, wohin wir mit unseren Lehrplänen eigentlich wollen und wie die Zukunft gestaltet werden soll. Es ist ein Umdenken notwenig in unserer Gesellschaft, wenn wir uns eine schöne und gesunde Zukunft für unsere Kinder wünschen. Ein Umdenken, das viele Ebenen anspricht und viele Menschen. Das Buch von Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther kann ein erster Anstoß sein für Eltern. Und nach der Lektüre fühlt man sich geradezu verpflichtet, mehr in die Wege zu leiten.

Daher: Wer es noch nicht gelesen haben sollte, sollte es sich vom Nikolaus in den Schuh stecken lassen. Es gibt viele Dinge, über die man an langen Winterabenden nachdenken kann.

 

Noch nie so viel gelacht, geweint, gekuschelt – Mein erstes Jahr als zweifache Mutter

Die Geschichte, wie es ist, ein zweites Mal Mutter zu sein, beginnt nicht bei der Geburt. Sie beginnt schon in der Schwangerschaft. In dem Moment, in dem man erfährt, dass man schwanger ist. Denn die zweite Schwangerschaft ist anders als die erste. Nicht nur, was vielleicht das körperliche Empfinden betrifft, die Gewichtszunahme und die Größenentwicklung des Babys. Sie ist anders, weil die Rahmenbedingungen anders sind: Man hat eben schon ein Kind. Ein Kind, das weiterhin die Aufmerksamkeit haben möchte, die man ihm immer gab. Das auf den Arm genommen werden möchte, das kuscheln möchte. Das erst einmal nicht versteht, warum man es nicht wie immer auf den Wickeltisch zum Zähneputzen hochhebt oder einfach auf der Straße trägt. Das auch nicht versteht, wenn man sich zum Bauchstreicheln zurück ziehen möchte. Denn das ist, was es in der zweiten Schwangerschaft weniger gibt: Bauchstreicheln. Da liegen und sich nur auf dieses Baby konzentrieren. Nachspüren, Ruhe und Stille genießen in Mengen bevor das Kind kommt. In der zweiten Schwangerschaft habe ich auf die erste zurück geblickt und dachte: Was hast Du damals eigentlich im Mutterschutz vor der Geburt gemacht, als Du nicht ein Kind hattest? Habe ich da wirklich im Bett gelegene, Haushalt in Ruhe erledigt, Spaziergänge allein gemacht…? Ja, denn es war das erste Mal. Ich habe das erste Mal sehr genossen und es war eine unwiederbringlich schöne Zeit. Tatsächlich unwiederbringlich, denn keine nachfolgende Schwangerschaft kann sein wie die erste.

Natürlich war auch die zweite Schwangerschaft schön, aber eben anders. Ich ertappte mich dabei, wie ich Autofahrten genoss, weil ich endlich Zeit hatte, um meine Hand in Ruhe auf dem Bauch liegen zu lassen. Autofahrten! Nicht selten hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, dass ich diesem zweiten Kind nicht die Aufmerksamkeit in der Schwangerschaft geben konnte, die ich meinem ersten Kind gab. Umso mehr genoss ich die kleinen Momente, die es gab. Das erste bewusste Spüren des Babys. Kleine Streicheleinheiten im Alltag. Quantitativ weniger, aber bewusster.

Das zweite Mal gebären war dafür ein großer Ausgleich für die weniger bewusste Schwangerschaft. Ich wusste, wie es läuft. Nicht nur theoretisch, sondern mein Körper wusste es. Ich hatte viel mehr Vertrauen in meine Gebärfähigkeit, denn ich hatte es schon einmal getan. Ehrlich, es war eine wunderbare Geburt und so traurig ich auch um fehlende Ruhe in der Schwangerschaft war, umso glücklicher war ich für dieses Wissen, das ich hatte vom ersten Mal.

Und nun war es da, in meinem Arm, mein zweites Kind. Ob zweite Kinder einfach so mitlaufen im Alltag? Nein. Natürlich tun sie es nicht. Sie sind Menschen, die in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen werden wollen, die auch erst einmal erkannt sein möchten. Sie stellen sich vor: „Guten Tag, liebe Familie, so bin ich! Und ich bin anders als Euer anderes Kind, denn ich bin ebenso einzigartig!“ Das war für mich an vielen Stellen nicht einfach. Meine Tochter, so dunkel und ruhig und verkuschelt. Mein Sohn blond, blauäugig, immer in Bewegung, immer in Entwicklung. Tag und Nacht. Sonne und Mond trafen aufeinander. Ich brauchte einige Zeit, um das zu verstehen. Und ich brauchte viel Zeit, um den Alltag zu ändern. Zwei Kinder mit gleich vielen Bedürfnissen. Die Bedürfnisse des ersten Kindes, die früher den ganzen vorhandenen Raum ausfüllten, werden ja nicht weniger, nur weil nun ein anderes Kind da ist. Es sind nun zwei so große Mengen. Früher dachte ich, mit einem Kind sei es manchmal anstrengend? Was für ein Irrglaube – so kam es mir vor. Abwägen, heißt es. Zuerst die wichtigen Dinge erledigen, zuerst das dringendere tun, zuerst das schreiende Kind versorgen oder – besser – es nicht zum Schreien kommen lassen. Raum haben, um neben den Bedürfnissen des ersten Kindes genug Aufmerksamkeit zu haben, um das zweite Kind wirklich zu sehen und zu erkennen, wie es ist und was es braucht. Es gab Tage, an denen ich vor dem Spiegel im Bad stand mit einem weinenden Baby im Arm. Tränen strömten über mein Gesicht und ich sagte zu mir selbst: „Du musst nur durchhalten. Es wird besser.“ Natürlich wurde es das. Ich wusste ja, es gibt Phasen. Gute und schlechte. Manche Zeiten waren hart: Die große Tochter mussten wir aus dem Kindergarten nehmen, weil es dort ein verhaltensauffälliges Mädchen gab, das die Kinder angriff und die Erzieherinnen nicht eingriffen. Zwei Kinder zu Hause im dunkelsten und längsten Winter meines bisherigen Lebens. Doch auch wenn die Aufgaben und Bedürfnisse doppelt so viel waren, hat sich auch eine andere Sache verdoppelt: Liebe. Doppelt so viel Liebesgefühl. Es hat sich nicht halbiert, sondern vermehrt.

Natürlich gibt es sie auch, die zauberhaftesten Momente: Zwei Kindern beim Schlafen im Familienbett zusehen. Wie sie sich an den Händen halten im Schlaf. Mit zwei Kindern kuscheln. Lachen, so viel Kinderlachen und ansteckende Freude! Die schönen Momente von Babys Entwicklung und der Stolz in den Augen eines Kindes, wenn es sich zum ersten Mal allein hinsetzt, allein aufsteht oder allein die ersten Schritte geht. Zu sehen, wie gut sich Geschwisterkinder tun. Eifersucht ist da, auf beiden Seiten, aber immer wieder auch unendlich große Liebe.

Je älter der Sohn wurde und je mehr er endlich das konnte, was er unbedingt wollte, desto einfacher wurde es. Routinen spielten sich ein. Man denkt, man hätte den Alltag schon im Griff beim ersten Kind. Aber es muss auch beim zweiten Mal alles neu ausgerichtet werden. Es ist wieder ein eigener und neuer Lebensabschnitt. Es braucht Zeit, um sich zurecht zu finden. Vielleicht sogar mehr Zeit als vorher, weil es ein weiterer Mensch ist, der in all dies einbezogen ist. Als Paar muss man sich wieder neu finden, wie auch beim ersten Mal. Und auch als Erwachsener jeder für sich: Wo stehe ich, wie bin ich als Mutter von zwei Kindern? Wie kann ich meine eigenen Bedürfnisse in diese quirligen Leben noch unterbringen? Wo will ich hin in meinem Leben und was ist mir wichtig?

Morgen wird mein Sohn 1 Jahr alt. In diesem Jahr bin ich nochmal neu und anders Mutter geworden. Es war ein Jahr voller Freude und Lachen, aber auch mit vielen Tränen und der Sorge, nicht allen gerecht werden zu können. An manchen Tagen am Anfang dachte ich, dass ich niemals auch nur an ein drittes Kind denken werde, weil ich der Aufgabe mit zwei Kindern schon nicht gewachsen bin. Heute, nach nun fast einem Jahr, sieht es wieder anders aus. Ich habe mich wiedergefunden und meinen Weg als Mutter von zwei Kindern. Ich habe gelernt, einen neuen Alltag zu haben. Ich habe in meinem Leben noch nie so viel gelacht, geweint und gekuschelt wie in diesem Jahr. Mit Abstand war es das verrückteste und aufregendste Jahr meines Lebens. – Und um nichts in der Welt würde ich es missen wollen.

Ein Babyjahr – über die ganz individuelle Entwicklung im ersten Jahr

Jedes Babyjahr ist anders. Jedes Baby durchläuft die Entwicklung einzelner Fähigkeiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Auch wenn der Entwicklungsplan, d.h. die Ordnung dessen, welche Fähigkeiten und Entwicklungsschritte aufeinander aufbauen, in etwa festgelegt ist, kann es in der zeitlichen Gestaltung sehr große Unterschiede geben: Manche Kinder krabbeln mit sechs Monaten, andere erst mit 12 oder noch später. In meinem Buch „FABELhaft durchs erste Babyjahr: Der gute Start für Eltern und Babys: Bewegung und Bindung, Spiel und Spaß“ habe ich die Entwicklung im ersten Lebensjahr beschrieben – möglichst unter Auslassung irgendwelcher Altersangaben, denn

Das persönliche Entwicklungstempo des Kindes kann man kaum beeinflussen. Jedes Kind nimmt sich seine Zeit, und bei jedem Kind ist die Reihenfolge der Entwicklungsschritte ein wenig anders.

Meine beiden Kinder haben mir mit ihrer unterschiedlichen Entwicklung noch einmal vor Augen geführt, wie sehr die Entwicklung auch vom Temperament abhängt und wie verschieden sie wirklich ist. Hier gebe ich Euch einen Einblick in die Entwicklung meines Sohns im ersten Jahr:

Ein_Jahr_Baby1

Noch im Bauch. Warm, weich, dunkel, gedämpfte Geräusche.

Ein_Jahr_Baby2

Geboren an einem schönen Herbsttag zu Hause im Wohnzimmer.

Ein_Jahr_Baby3

1 Monat alt. Noch Neugeborenenakne. Mit den Armen und Beinen wird gestrampelt. Die Hände haben sich schon geöffnet.

Ein_Jahr_Baby4

2 Monate alt. Hand wird zum Mund geführt. Er lächelt. Die Bauchlage ist manchmal angenehm. Erster Husten kam, war anstrengend und ging wieder.

Ein_Jahr_Baby5

3 Monate alt. Die Hände haben sich vor dem Gesicht gefunden und werden befühlt und betrachtet. Spielzeug wird mit den Händen gegriffen, wenn es von der Seite angeboten wird. Es wird mehr gesehen (deswegen große Ablenkung beim Stillen), der Zahneinschuss ist da. Mit unermüdlichem Eifer wird versucht, sich auf den Bauch zu drehen. Es beginnt eine harte Zeit mit viel Weinen.

Ein_Jahr_Baby6

4 Monate alt. Wiegt 6500g und ist 65cm lang. Die Füße werden ertastet. Das Drehen auf den Bauch funktioniert (nach rechts). In der Bauchlage wird der Kopf oben gehalten und bereits der Handstütz genutzt. Spuckeblasen werden massenweise produziert.

Ein_Jahr_Baby7

5 Monate. Die Beine werden angezogen unter den Bauch und es geht schon langsam etwas voran. Alle diese Bewegungsversuche werden von Geräuschen wie aus dem Sportstudio begleitet.

Ein_Jahr_Baby8

6 Monate. Es wird gewippt. Er schiebt sich rückwärts, sagt „Ata“ und isst gerne Pastinakenstücke. Brei gibt es bei uns nicht.

Ein_Jahr_Baby9

7 Monate. Es geht vorwärts und es gibt viel zu entdecken. Immer in Bewegung.

Ein_Jahr_Baby10

8 Monate. Krabbeln und freies Sitzen gehören zum Alltag.

Ein_Jahr_Baby11

9 Monate. Zieht sich hoch zum Stand.

Ein_Jahr_Baby12

10 Monate. Steht frei und läuft an Möbeln entlang. Er sagt zum Kochherd und Essen „heisss“ und spielt mit Teller und Löffel füttern.

Ein_Jahr_Baby13

11 Monate. Läuft frei, schaut sich Bilderbücher an, bürstet die Puppe, füttert das Kuscheltier. Er winkt und klatscht in die Hände. Neben „heissss“ sagt er auch „auf“ (für alles, was auf oder an gehen soll), „Papa“ hat er auch schon ein paar Mal richtig verwendet, aber sein Lieblingswort und -subjekte sind „wau-wau“s.

Und nun wird mein Sohn in wenigen Tagen 1 Jahr alt. Er will draußen nicht mehr viel getragen werden, sondern läuft lieber allein oder an meiner Hand. Es ist so schnell vergangen, dieses Jahr und er ist groß geworden und hat viel gelernt und geschafft. Und auch, wenn ich schon einmal ein Kind durch das erste Jahr begleitet habe, ist es immer wieder ein Wunder und immer wieder anders.

Wie war Euer erstes Jahr?

Die ersten Schuhe – Alles Wichtige zum ersten Schuhkauf

Fuß2

Es ist ein besonderer Moment: der Kauf der ersten Schuhe für das Baby. Denn es geht nicht nur darum, möglichst gute, passende und verträgliche Schuhe zu kaufen. Es geht auch darum, dass das Baby nun seine ersten Schritte unternimmt und hinein läuft in die Welt. Ein kleiner Mensch auf zwei Beinen. So unglaublich! War nicht gerade eben noch die Geburt? Und nun läuft das Kind schon auf zwei Beinchen, noch etwas wackelig, durch den Raum. Irgendwann zwischen 9 und 18 Monaten machen die meisten Kinder ihre Schritte. Wann, das ist ganz unterschiedlich. Wichtig ist, dass das Baby nach seinem eigenen Tempo alle Bewegungsstadien durchmachen darf, die es es zum eigenständigen Laufen benötigt. Deswegen sollten Kinder möglichst nicht zu früh passiv hingestellt oder an den Händen herum geführt werden.
Weiterlesen