Kategorie: Geborgen Wachsen

“Dann will ich nie wieder eine Jacke anziehen!”

Da stehen wir. Es wird langsam kalt. Die Winterjacke des letzten Jahres wurde aus der Truhe heraus geholt und passt leider nicht mehr. Doch nun soll es eigentlich raus gehen in die Kälte. “Dann zieh bitte einen Pullover an und darüber die andere Jacke.” “NEIN!” “Bitte.” “Nein, ich ziehe nie wieder eine Jacke an!” Sagt es und stampft hinaus in die Kälte, so ganz ohne Jacke.

Als Kleinkind ist es schwer, mit einer solchen Situation umzugehen. Während uns Erwachsenen die Logik sagt “Es ist kalt, meine Jacke passt nicht, dann ziehe ich eben eine andere an und einen dicken Pullover”, ist das für Kinder kein schlüssiges Argument. Die Vorstellung weicht von der Möglichkeit ab, das logische Nachdenken funktioniert in der mit Verärgerung überladenen Situation nicht. Wut!

Jetzt wird nicht nachgedacht

Mit Argumenten werden wir gerade jetzt nicht einen Wandel des Denkens erreichen: “Es ist aber doch kalt!”, “Du holst Dir sonst eine Erkältung!” Alle Erklärungen bringen nun nichts. Das Kind hat in seinem Gehirn noch nicht viele ähnliche Situationen abgespeichert, auf die es nun zurück greifen könnte. Während wir auf ein Leben voller Erfahrungen mit Wärme und Kälte zurückblicken, ist es vielleicht gerade der dritte Winter des Kindes und Erfahrungen gibt es noch kaum. Unsere Worte “Du könntest dich erkälten” haben für das Kind nicht die Tragweite, wie sie es für uns vielleicht haben. Jetzt gerade kann das Kind nur emotional reagieren, der unsere Überlegungen steuernde Neocortex ist bei ihm noch nicht ausgereift.

Ist dir überhaupt kalt?

So stampft es da nun also in der Kälte auf. Keine Spur von Einsicht. „Merkst Du: Es ist doch ganz schön kalt!“ Aber das Kind schüttelt energisch den Kopf. Vielleicht ist ihm aktuell wirklich nicht kalt: Unser Temperaturempfinden unterscheidet sich nach Tagesform, aber auch dadurch, dass verschiedene Menschen eine unterschiedliche Dichte und Menge an Kälterezeptoren haben. Und auch durch die aktuelle Ablenkung und den Fokus auf die Wut spürt das Kind vielleicht jetzt gerade gar keine Kälte.

Der Weg aus dem Konflikt

Mit für uns logischen Argumenten werden wir in dieser Situation also keine Lösung finden. Gleichzeitig können wir die Aufgabe der Problemlösung noch nicht unserem Kleinkind überlassen: Es kann die Folge von “Na gut, dann läufst du eben ohne Jacke, du wirst schon sehen…” nicht abschätzen. Noch ist das Kind darauf angewiesen, dass Erwachsene die Situationen auflösen und gleichzeitig damit dem Kind auch zukünftige Lösungsansätze zeigen. Würden wir nun Druck ausüben und versuchen, das Kind in die Jacke zu zwingen, würde das Kind nur noch mehr in einen Gegenwillen verfallen und der Konflikt würde sich verschärfen. Zwang und Druck helfen uns gerade mit wütenden Kindern – aber auch sonst – nicht langfristig weiter.

Wir können das Kind deswegen nur begleiten: Wir können beschreiben, was wir wahrnehmen und fühlen: “Du bist ganz schön traurig, dass die alte Jacke nicht mehr passt.”. Wir können beschreiben, was wir sehen: “Du bist ganz schön wütend. Aber ich glaube, Dein Körper friert schon ein wenig. Schau, du zitterst schon.” Wir können die Jacke dabei haben und sie dem Kind geben, wenn es sich beruhigt hat und merkt, dass es doch kalt ist. Wir können eine alternative Planung machen, wenn das Kind den großen Teil der Wut hinter sich gebracht hat und wieder bereit für Worte ist: “Wenn dir die Jacke so gut gefallen hat, kann ich mal schauen, ob ich sie in deiner neuen Größe noch einmal bekomme.” oder “Was mochtest du besonders an der alten Jacke? Die Elefanten darauf? Vielleicht finden wir eine andere Jacke mit Elefanten oder bügeln dir ein Bild darauf.”

Wir können viele Ideen und Anregungen einsetzen, anstatt das Kind zu beschämen, zu beschimpfen oder zum Anziehen zu zwingen. Manchmal brauchen wir einen kleinen Moment des Nachdenkens, damit sie uns einfallen. Aber diesen kleinen Moment sollten wir uns gönnen. – Für uns und unsere Kinder.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Ich spüre nicht die Liebe

Und da liegt es dann, dieses kleine Wesen in unserem Arm. Nach einer längeren oder kürzeren, nach einer einfachen oder schweren Geburt. Wir blicken es an, berühren es, staunen über den kleinen Menschen, der dort im Arm liegt – und fühlen… Ja, was eigentlich? Ja, es gibt die Liebe auf den ersten Blick. Die Liebe, die sich an die Geburt anschließt und sofort erscheint und einen wie eine Welle überrollt voller Emotionen. Neben dieser gewaltigen Flutwelle gibt es aber auch kleine Wellen oder auch erst einmal Ebbe. Es ist unterschiedlich, wie wir uns nach der Geburt fühlen und es ist unterschiedlich, was wir nach der Geburt fühlen.

Die große Angst

Wenn sich dieses große Gefühl direkt nach der Geburt erst einmal nicht einstellt, schleicht sich oft langsam die Unsicherheit ein: Du müsstest doch aber jetzt…? Warum fühlst Du jetzt nichts? Und diese Unsicherheit sich selbst gegenüber wandelt sich nicht selten dann in eine Angst: Wenn ich keine Liebe fühle, was tue ich meinem Kind an? Bindung ist so wichtig, mein Kind wird es immer schwer haben, wenn ich es jetzt nicht liebe!

Es ist gut, wenn dieses Gefühl in Worte gefasst wird, wenn es gegenüber Partner*in oder Hebamme formuliert wird. Dann kann beruhigt und geholfen werden. Nicht selten aber überwiegt erst einmal die Scham, die still macht. Die dazu führt, über die fehlenden Gefühle nicht zu sprechen, sondern diese schweren Gefühle und Gedanken in sich zu tragen, in sich zu konservieren und zu hoffen, dass es irgendwann anders wird oder sich irgendwie damit abzufinden.

Manchmal kommt die Liebe später

Wir müssen uns aber nicht schämen, wenn die Liebe nicht sofort kommt. Manchmal stehen andere Empfindungen nach der Geburt im Vordergrund und es ist kein Raum dafür da, gerade die Beziehung zum Kind einzugehen: die Geburt muss verarbeitet werden, Traumata verarbeitet werden, die Rahmenbedingungen der neuen Familie sind schwierig oder der Start war unglaublich kräftezehrend und die Beziehung konnte nicht aufgebaut werden, weil vielleicht das Kind oder die Mutter medizinisch versorgt werden mussten und keinen Kontakt hatten. Es kann viele Gründe dafür geben, dass das Gefühl der Liebe erst einmal nicht da ist.

Was tun, wenn die Liebe auf sich warten lässt?

Wenn sich das Gefühl der Liebe nicht zeigt, müssen sich Eltern also nicht schämen. Gut ist es aber, das fehlende Gefühl Fachpersonen gegenüber anzusprechen. Die erste Anlaufstelle kann die Hebamme sein. Sollte keine vorhanden sein, die Frauenärztin/der Frauenarzt, die entsprechend weiter verweisen können. Aber auch Familienberatungsstellen und auch der Verein Schatten und Licht können weitere Unterstützung bieten.

Je nach Ursache können Fachpersonen dann verschiedene Methoden anwenden, um den Gefühlsweg zwischen Baby und Elternteil anzubahnen: Das kann nach einer als traumatisch erlebten Geburt ein Bondingbad (pdf) sein oder aber eine Gesprächstherapie oder andere Form der Begleitung. Manchmal braucht es auch “einfach” Zeit und die Gefühle entwickeln sich nach und nach ohne weitere Unterstützung.

Schade ich meinem Kind?

Die häufigste Angst bei fehlender Liebe ist, dem Kind damit zu schaden, wenn nicht von Anfang an tiefe Emotionen gefühlt werden, sie kann in einen regelrechten Bindungsstress verfallen. Wichtig ist zunächst, dass die grundlegenden Bedürfnisse des Kindes befriedigt werden: es gut versorgt wird in allen Bereichen der Pflege und Ernährung, dass es Körperkontakt hat und angesprochen wird. Durch dieses Gefühl des sicher umsorgt Werdens baut sich beim Kind die Bindung zur Bezugsperson aus, denn von Seiten des Kindes ist Bindung zunächst ein Sicherheitssystem, wie der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotraumatologe Prof. Dr. Karl-Heinz Brisch es formuliert. Das Kind vertraut darauf, dass sein Leben sicher ist und es Erwachsene gibt, die sich darum sorgen. Die Art der Interaktion wirkt sich dann auf die tatsächliche Art der Bindungsbeziehung aus. Aber: Bindung braucht Zeit. Auf Seiten des Kindes wie auch der Erwachsenen.

Erwachsene gehen nach und nach eine Bindung zum Kind ein und diese langsame Bindungsentwicklung ist in Anbetracht der Menschheitsgeschichte und früher hohen Säuglingssterblichkeit durchaus sinnvoll. Bis das Bindungsmuster vollständig aufgebaut ist, dauert es etwa drei Jahre. Zwar werden im ersten Jahr die Grundlagen gebildet und um den ersten Geburtstag herum zeigt das Kind dann jene Verhaltensweisen, die wir als Ausdruck von Bindungsbeziehungen kennen: Es versucht aktiv, Nähe herzustellen und reagiert mit Abwehr auf Trennung, sucht Sicherheit bei der Bindungsperson und erkundet von ihr ausgehend die weitere Umgebung und kehrt wieder zurück, wenn es das braucht.

Wenn es mir schwer fällt

Wenn es also einem Elternteil schwer fällt, eine tiefe emotionale Verbundenheit zum Kind aufzubauen, ist es – wie schon erwähnt – sinnvoll, sich Hilfe zu holen. Darüber hinaus sollte sicher gestellt werden, dass eine andere Bezugsperson jene Verbindung aufbaut, die vielleicht aktuell noch fehlt. Das kann der andere Elternteil sein oder aber auch weitere Familienmitglieder, die sich aktiv und viel um das Kind kümmern können. Im Laufe des Lebens wird das Kind viele Bindungen zu unterschiedlichen Personen aufbauen in unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Qualität. Die eigene tiefe Bindung kann ebenso später aufgenommen werden, wenn eventuelle Hindernisse beseitigt sind. Auch wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt diese tiefe Verbundenheit empfunden und ausgebildet wird, ist sie deswegen nicht einer schlechteren Qualität. Manchmal braucht Liebe Zeit.

Es ist wesentlicher häufiger, dass die anfängliche Verliebtheit fehlt, als wir oft denken, Nur sprechen viele Eltern nicht darüber. Traut Euch, Gefühle und fehlende Gefühle anzusprechen.
Eure

Weiterführende Literatur:
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein – Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs.
Brisch, Karl-Heinz (2010): SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern. Stuttgart: Klett-Cotta.
Meissner, Brigitte (2013): Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen. – Brigitte Meissner Verlag.

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Babys von Anfang an optimal begleiten

Unsere Kinder kommen schon mit vielen Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Welt: Sie verfügen in einem bestimmten Rahmen über Fähigkeiten zur Selbstregulation, können ihre Bedürfnisse über Signale mitteilen und notfalls über das Schreien vermitteln, wenn etwas nicht stimmt. Nach einer Zeit des so genannten “Nachreifens” in den ersten Wochen, nehmen sie aktiv an unserem Alltag teil und lernen über diese Teilnahme etwas von der Welt, in der sie sich bewegen und passen sich nach und nach an die jeweiligen Rahmenbedingungen ihrer Familie und Lebensumwelt an. Neben den für ihre Familie speziellen Werten, Ritualen und Rahmenbedingungen gibt es allgemeine Anregungen für den Alltag, die wir im Alltag beachten können.

Auf die Signale des Babys achten

Babys teilen sich über Signale mit: Sie zeigen einen Suchreflex, wenn sie hungrig sind oder saugen an den Fäustchen. Wenn sie unruhig werden, ziehen die die Beinchen an. Wenn sie ausscheiden müssen, werden sie unruhig und teilen das mit Lauten mit. Wenn sie den Kopf abwenden vom Spiel oder Blickkontakt, brauchen sie eine Pause. Es dauert eine Weile, bis wir die Signale unseres Babys verstanden haben, aber prinzipiell sind sie da und Kinder teilen uns Bedürfnisse schon früh mit. Um die Signale des Babys zu lernen, ist Beobachtung eine gute Idee: Nimm Dir die Zeit, das Baby zu beobachten. Lege Dich zu ihm und beobachte die Gestik, die Mimik und ordne sie bestimmten Ereignissen zu.

Mit dem Baby reden

Auch wenn sie uns noch nicht mit Worten antworten, nehmen Babys aus unserer Sprache viel auf. Der passive Wortschatz erhöht sich und eine gute Kommunikation im ersten Lebensjahr wirkt sich nicht nur auf den späteren Wortschatz, sondern auch die Lese- und Schreibfähigkeit aus. Es bietet sich an, die vielen Alltagshandlungen mit dem Baby sprachlich zu begleiten: Gerade Routinesituationen wie Wickeln, Baden, Ernährung eigenen sich dafür: “Ich ziehe Dir jetzt den Body aus. Zuerst mache ich mal diese Knöpfe hier auf…” Unsere Sprache passt sich dabei den Bedürfnissen des Babys an: Wir sprechen etwas langsamer, aber betonter und mit einer besonderen Melodie, damit das Baby die Besonderheiten der Sprache versteht.

… und dem Baby zuhören

Aber nicht nur wir sollen viel mit dem Baby sprechen, sondern auch das Baby darf sich mitteilen: Die Art, wie es Laute hervorbringt, ändert sich im Laufe des ersten Jahres über Laute zu Silben und schließlich zu Wörtern. Wenn wir dem Baby zugewandt sind und zuhören, hat es Freude an der Produktion der gerade möglichen Laute und probiert aus, wie einzelne Laute und Kombinationen geformt werden. Gerade im Austausch mit einer Bezugsperson erfreut sich das Baby an der Sprachproduktion : Es gurrt und der Erwachsene gurrt zurück, wodurch das Baby wieder gurrt.

Das Baby braucht Nähe

Gerade im ersten Jahr brauchen viele Babys körperliche Nähe: Sie fühlen sich sicher in der Anwesenheit einer Bezugsperson – sowohl beim Schlafen als auch am restlichen Tag. In der Nähe einer Bezugsperson wissen sie: sie sind geschützt, gewärmt und an einer Nahrungsquelle. Hier sind sie sicher und umsorgt und es kann schnell auf Bedürfnisse eingegangen werden. Auch tagsüber verbringen viele Babys, besonders am Anfang, gerne viel Zeit im Körperkontakt, weshalb eine gute Tragehilfe oder ein Tragetuch den Alltag erleichtern kann.

… und Freiraum

Neben der Nähe ist aber auch Raum für Bewegung sehr wichtig: Wurzeln und Flügel, wie das Sprichwort sagt. Anfangs ist es für Babys sehr ungewohnt, auf dem Rücken zu liegen: Aus ihrer Zeit im Uterus kennen sie nur die gerundete Körperhaltung, wie sie auch in einer Babytrage eingenommen wird. Das Liegen auf der Unterlage ist daher für viele Babys erst einmal auch anstrengend und es kann sein, dass sie allein dadurch unruhig werden. Wenn es ihnen gut geht, sollten wir ihnen aber auch die Möglichkeit geben, sich im Liegen mit dieser neuen Freiheit um sie herum (im Vergleich zur Enge vorher im Uterus) zu beschäftigen und dabei auch den Körper und die Beweglichkeit zu erkunden. Durch die Möglichkeit zur selbständigen Bewegung können sie nach und nach ihre Möglichkeiten ausbauen und von der Rückenlage erst auf die Seite kommen, dann auf den Bauch, das Seitwärtsrollen lernen usw. Für diese Bewegungsentwicklung brauchen sie die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und weder in der Bewegung behindert zu werden, noch Schritte vorweg genommen zu bekommen durch zu frühes Hinsetzen, wenn das Baby dies noch nicht selbst kann.

Auch bei besonders zierlichen Kindern ist es gut, wenn wir ihnen den Freiraum geben, sich eigenständig kennen zu lernen und zu entwickeln und versuchen, unsere Ängste und Sorgen nicht die Bewegungsfreiheit des Kindes zu sehr einschränken zu lassen. Es ist gut, eine Ja-Umgebung für das Kind zu gestalten, damit es explorieren kann.

Miteinander spielen

Im ersten Lebensjahr liegt die Beschäftigung mit sich selbst und den anderen als Spiel weit vorne: Kinder erkunden sich, die Fähigkeiten und Funktionen des Körpers und freuen sich an der Interaktion mit den sie umgebenden Menschen. Daneben ist die Erkundung der restlichen Welt ein Spiel: Sie wollen die Gardine ebenso anfassen wie die Haare der Eltern, die Puppe des Geschwisterkindes und wollen mit dem Mund, der noch viel sensibler ist als die Hände, die Oberfläche und Eigenschaften von Dingen erkunden. Viele Spielsachen brauchen Babys gerade im ersten Jahr nicht und selbst danach ist Spiel noch immer vor allem das Kennenlernen der Welt, das sie von sich aus vornehmen.

…ohne Geschlechterklischees

Wir selber sind mit vielen Klischees aufgewachsen, besonders in Bezug auf Geschlechter. Aus der Forschung wissen wir heute, dass das, was wir oft auf “typisch Junge” oder “typisch Mädchen” zurückführen weniger angeboren, sondern mehr erlernt ist. Es sind eher kleine Unterschiede, die wir durch unser Verhalten vergrößern und damit unsere Kinder einschränken, anstatt ihnen die Möglichkeit geben, sich frei zu entwickeln und die ganz eigenen Merkmale und Fähigkeiten auszubauen. Schon im Babyalter können wir darauf achten, dass wir uns in unserem Verhalten nicht beeinflussen lassen von Stereotypien: Dass wir mit dem Baby – unabhängig vom Geschlecht – Ball spielen, mit Puppen spielen, vorlesen, es beim Weinen trösten. Konzentrieren wir uns mehr auf die Wahrnehmung und Begleitung der individuellen Eigenschaften unseres Kindes als darauf, ob das nun typisch wäre für das ein oder andere Geschlecht: beobachten wir, ob es eher extrovertiert ist oder introvertiert, ob es eher leise oder laut ist, ob es schnell überreizt ist oder weniger. Und haben wir auch einen Blick darauf, andere Menschen dazu anzuregen, unser Kind individuell zu sehen und nicht nach Rollenklischees mit ihm umzugehen, so dass nicht nur wir Eltern, sondern auch die restliche Familie die Möglichkeit hat, dieses Kind individuell kennen zu lernen.

Gemeinsam an einem Strang ziehen und Stress vermeiden

Ein Baby zu begleiten erfordert viel Kraft. Mehr, als uns manchmal im Alltag bewusst ist. Es ist eine Aufgabe, die nicht nur für eine Person allein gedacht ist. Wir brauchen Hilfe, Aufteilung, gegenseitige Wertschätzung. Vor allem aber hilft es uns, wenn wir Stress vermeiden können. Stress lässt uns weniger feinfühlig sein, lässt uns weniger gut die Signale unseres Babys (und anderer Menschen) erkennen und wir nehmen andere durch Stress feindseliger war und werden selbst aggressiver. So kommt es, dass Stress zu negativem Erziehungsverhalten führt. Vermeiden können wir diesen Stress nicht immer in unserer schnelllebigen Zeit, aber wir können einiges tun, um ihn zu mindern: Unseren Alltag gut planen und uns in dieser Planung als Erwachsene mit eigenen Bedürfnissen nicht vergessen, Hilfe erbitten und annehmen. Vor allem aber ist es hilfreich, den anderen Elternteil aktiv zu beteiligen: So kann gleichermaßen eine gute Beziehung aufgebaut werden und eine gleichermaßen einfühlsame Begleitung des Babys vermindert wiederum Stress, weil das Baby beide Elternteile als Partner für die Bedürfniserfüllung akzeptieren lernt. Auch nehmen wir durch eine gleichmäßige Aufteilung einen Einfluss darauf, welche inneren Bilder von Elternschaft und Rollen sich beim Kind ausbilden, was den vorherigen Punkt der Vermeidung von Klischees weiter ausbaut.

Mit diesen wenigen Aspekten können wir unser Baby bereits gut im ersten Jahr begleiten und durch Bewusstmachung und Interaktion einen guten Start mit ermöglichen.
Eure

Mehr Literatur zum Thema:
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. Weinheim: Beltz.
Mierau, Susanne (2016): Geborgen wachsen. Wie Kinder glücklich groß werden. München: Kösel.
Elliot, Lise (2002): Was geht da drinnen vor? Die Gehirnentwicklung in den ersten fünf Lebensjahren. Berlin: Berlin Verlag.
Elliot, Lise (2010): Wie verschieden sind sie? Die Gehirnentwicklung bei Mädchen und Jungen. Berlin: Berlin Verlag.

Wenn Eltern Hilfe brauchen…

Elternschaft ist nicht immer einfach. Im Laufe der vielen Jahren, die wir Kinder begleiten, kommen wir immer wieder auch mal an Stellen, die schwierig sind. Stellen, die uns sehr viel Kraft abverlangen. Stellen, an denen wir abends auf dem Sofa sitzen und uns fragen, ob wir wirklich noch auf dem richtigen Weg sind oder wo und wie dieser Weg überhaupt verläuft. Manchmal kommen wir von ihm ab und sehen ihn nicht mehr. Und dann ist häufig ein Punkt erreicht, an dem wir zweifeln und uns selbst in Frage stellen: Sind wir gute Eltern, wenn wir an Hindernissen scheitern? Wenn wir ab und zu nicht weiter wissen? Ja, wir sind ganz normale Eltern, wenn es uns so geht.

Bindung ist dynamisch

Auch wenn wir heute manchmal das Gefühl vermittelt bekommen, alle anderen um uns herum würden immer genau wissen, was sie tun sollen und gerade in den Sozialen Medien schnell der Eindruck entsteht, dass alle Eltern mit ihren Kindern ganz selbstsicher wären und ganz genau wissen “wie der Hase läuft” stimmt das in den meisten Fällen nicht. Beziehungen ändern sich, sie sind beeinflussbar von inneren und äußeren Faktoren. Schon der Begründer der Bindungstheorie, John Bowlby*, hat das festgehalten und erklärt, dass die Bindung auf einem dynamischen Entwicklungskonzept beruht mit Entwicklungspfaden: Es gibt Kräfte, die uns auf einen Weg bringen, uns darauf festhalten und solche, die uns davon abkommen lassen.

Wenn ihr hier etwas vom “geborgenen Weg” lest oder davon, dass wir alle unsere unterschiedlichen Wege gehen, meint es: Wir haben bestimmte Grundwerte, Leitsterne, denen wir folgen, aber letztlich haben wir auch unterschiedliche Einflussfaktoren, die unsere Wege mitbestimmen und sie auch ändern.

In Bezug auf Kinder bedeutet dies: Manchmal ändern sich die Einflüsse kurzfristig und Kinder machen andere Erfahrungen. Es zeigte sich jedoch in Studien, dass Kinder, die über sichere Bindungserfahrungen verfügen, auch bei negativen Einflüssen später wieder zu dem sicheren Pfad zurück kommen können, also durch kurzfristige negative Erfahrungen nicht zwangsweise alle guten Erfahrungen ausgelöscht werden, sondern Bindung eben ein dynamisches Modell ist.

Wichtig: Sich selbst reflektieren

Wenn wir merken, dass wir von unserem Weg abkommen, ist das schon einmal gut: Wir merken es und haben deswegen die Möglichkeit, etwas zu ändern. Manchmal ist das möglich über Reflexion und Austausch mit anderen: Erfahren, wie es andere machen, drüber nachdenken, warum es jetzt gerade so schwer ist und was an der Situation geändert werden kann, damit es besser läuft. Gerade Stress lässt uns oft unserem gut geplanten Weg abkommen, denn unter Stress neigen wir zu negativem Erziehungsverhalten und alte, tief verborgene Erfahrungen werden nahezu reflexartig hervorgeholt.

Reflexion reicht nicht immer

Allerdings reicht Reflexion nicht immer aus. Manchmal kommen wir an Punkte, an denen wir mit uns selbst nicht weiter kommen. Oder an denen alles gute Wissen und alle Tipps von anderen “einfach” nicht umsetzbar sind: So sehr wir es uns auch anders vornehmen, es klappt nicht. Und auch unser Umfeld, das so genannte “Dorf”, ist nicht dafür zuständig, dies aufzufangen und kann es oft auch gar nicht. “Das Dorf” ist eine Alltagsbegleitung, ein Austausch. Helfende Hände, Schulterklopfen, liebe Worte. Es ist nah dran an uns und unseren Erlebnissen und kann daher auch nur schwer die Sicht von Außen einbringen, die es manchmal braucht für diese tiefere Reflexion. Es ist in Ordnung, sich andere Hilfe zu holen, wenn wir nicht weiter kommen mit uns: Psycholog*innen, Therapeut*innen, Pädagog*innen, Familienberater*innen. Es ist gut, Hilfe anzunehmen und zuzulassen. Denn diese Hilfe kann uns zurück führen auf den Weg, den wir eigentlich gehen wollten – trotz aller Probleme und Hindernisse, die es manchmal eben gibt.

“Wenn wir uns als minderwertig erlebt haben beziehungsweise durch andere minderwertig behandelt wurden, fällt es schwer, uns als Mütter kompetent und richtig zu fühlen. Wir sind unsicherer, stellen uns und unsere Entscheidungen häufiger infrage als Mütter, die ihrer selbst sehr sicher sind.”

S. Mierau “Mutter.Sein” (2019) S.92

Hilfe anzunehmen ist nicht immer einfach. Dies besonders nicht, wenn wir gelernt haben, hilflos zu sein und nicht unterstützt zu werden oder wenn das Fragen um Hilfe schamhaft besetzt wurde: Nicht schwach sein! Das schaffst Du schon alleine! Es hilft Dir sowieso niemand! Wir müssen uns überwinden, um diese inneren Stimmen zum Schweigen zu bringen, damit wir schließlich die Hilfe bekommen, die wir nicht nur brauchen, sondern die uns auch zusteht. Es ist okay, Hilfe zu brauchen. Denn eigentlich brauchen wir sie alle ab und zu. Denn wir alle leben dynamisch, sind unterschiedlichen Einflüssen unterworfen.

Wer Hilfe braucht, sollte sich nicht scheuen, sie zu suchen. Es ist nicht schlimm, es macht Eltern nicht zu schlechteren Eltern und zeugt absolut nicht von Versagen. Es zeugt davon, bemüht zu sein, sich einzusetzen. Es ist also eigentlich genau das Gegenteil von dem, was wir manchmal denken. Und auch wenn wir manchmal kurzfristig vom Weg abkommen, bedeutet das nicht, dass wir damit den Weg für uns oder unsere Kinder für immer verloren haben. Wir können beruhigter sein, als wir es an vielen Stellen sind. Es ist – wie so oft – völlig normal und okay, nicht perfekt und gradlinig zu sein. Unsere Wege haben Kurven, Steine und manchmal müssen wir ganzen Findlingen ausweichen – und kommen dann wieder zurück.

Eure

*Bowlby, John (1975): Bindung. Eine Analyse der Mutter-Kind-Bindung. – München: Kindler.

Emotionsarbeit

Wir wissen alle: Das Leben mit Kindern bringt neue Aufgaben mit sich. Da gibt es auf einmal eine ganze Reihe mehr Dinge zu erledigen, mehr Handgriffe zu tun, mehr Wäsche zu waschen, mehr Müll weg zu tragen, mehr sauber zu machen und mehr Dinge zu suchen. Es gilt, gemeinsam zu verhandeln, welcher Elternteil was tut, damit Aufgaben gut verteilt werden und es auf keiner Seite zu einer Überlastung kommt. Was wir aber oft übersehen, ist der große Berg an Emotionsarbeit, der mit einem Kind auf uns zukommt: in Form von Emotionsregulation und -begleitung und auch in Form von Selbstreflexion. Emotionsarbeit ist es, die uns manchmal am Ende des Tages denken lässt: Was habe ich heute eigentlich getan und warum bin ich so erschöpft, obwohl ich doch scheinbar kaum etwas getan habe? Sie ist unsichtbar, diese Emotionsarbeit. Noch weniger sichtbar als der erledigte Haushalt oder dass wir daran gedacht haben, neue Schuhe zu kaufen. Aber sie ist bedeutsam – und kräftezehrend.

Die Emotionen von Kindern begleiten und regulieren

Auf einmal ist das Kind geboren, hinein in eine ganz neue Welt, in der alles so anders ist als zuvor: Hunger wird gespürt, unterschiedliche Temperaturen, unterschiedliche Materialien auf der Haut. Im Bauch rumpelt es und vielleicht liegt es mal unbequem auf einer Decke oder einem Knopf. Das Kind spürt neue Dinge und kann dies zunächst nicht einordnen: Es braucht Bezugspersonen, die es nicht nur umsorgen und die Bedürfnisse nach Nähe, Nahrung und Pflege allgemein erfüllen, sondern die auch Sicherheit geben und das Gefühl vermitteln: Wir sind für dich da, wir helfen dir. Es bildet sich ein Vertrauen aus durch diese Regulation, durch die Begleitung des Kennenlernens der Welt. Einfach ist das nicht immer für das Kind, denn es gibt viele Dinge, die unangenehm sind, erschrecken oder überreizen. Werden die ersten Anzeichen des Kindes nicht bemerkt oder ist das Kind besonders empfindsam und geht schneller in ein weinen über als andere Kinder, wird das Unbehagen laut kundgetan, damit die nahen Bezugspersonen wirklich verstehen, dass es dem Kind gerade nicht gut geht. Im Laufe der Zeit gewöhnt sich das Kind in das Leben ein, aber die Begleitung und Regulation von bestimmten Zuständen ist weiterhin wichtig: Das Kind in den Schlaf begleiten, wenn es noch nicht allein einschlafen kann, das Kind durch Wutanfälle begleiten, weil es diese noch nicht selbst verarbeiten kann und es ihm schwer fällt, sich allein zu beruhigen. Es gibt viele Jahre lang verschiedene Bereiche, in denen Kinder auf Co-Regulation angewiesen sind, bevor ihnen in allen Bereichen Selbstregulation möglich ist, die sie u.a. über die Co-Regulation von Verhaltenszuständen erlernt haben.

Emotionen begleiten ist oft anstrengend für die Bezugspersonen

Das Begleiten von Weinen, Schreien, Wut, aber auch unbändiger Freude, Neugierde etc. ist nicht immer einfach. Ein weinendes Baby aktiviert in uns Zuwendung – wir versuchen, die Ursache zu ergründen, das Unbehagen des Babys anzunehmen und nach Möglichkeit zu beenden. Häufiges, intensives und/oder langes Weinen erleben wir als anstrengend bis hin zu einem Gefühl der Gefahr: Es verängstigt Eltern, wenn sie über einen längeren Zeitraum ihr Baby nicht beruhigen können.* Langfristig kann durch besonders häufiges Weinen und Schreien nicht nur die Beziehung zwischen Eltern und Kind beeinflusst werden, sondern es zeigen sich auch körperliche Beschwerden in Form von Verspannungen, Veränderungen der Atmung (Abflachung) und anderem. Ohnmacht, Verzweiflung und Wut können sich ausbreiten bis hin zum Burnout.**

Auch die Co-Regulation des Schlafes ist nicht immer einfach. Auch wenn Kinder von Anfang an schlafen können, müssen sich unsere Schlafrhythmen erst einander angleichen. Je nach Rahmenbedingungen, Temperament des Kindes und Unterstützung kann das Eltern vor große Herausforderungen stellen. Auch wenn wir an vielen Stellen lesen und hören, Schlafmangel sei nahezu natürlich für Eltern und ganz normal in den ersten Jahren, ist er nicht gut und auch nicht richtig für Familien: Schlafmangel führt dazu, dass wir gereizter sind, uns eher bedroht fühlen, unsere Amygdala überreagiert. Feinfühligkeit und Beziehungsarbeit sind unter Schlafmangel erschwert. Wenn wir also zu wenig schlafen, weil der Schlafrhythmus unserer Kinder es nicht anders ermöglicht und wir den fehlenden Schlaf nicht nachholen können, führt das zu Stress.***

Aber nicht nur in der Babyzeit ist die Regulation von Gefühlen und Begleitung anstrengend für uns: Auch im Kleinkindalter ist das Begleiten von Gefühlen nicht einfach. Auch hier haben wir wieder viel zu tun und können leicht in stressige Situationen geraten, wenn das Kind wütend ist, nicht kooperiert oder eigene Ideen umsetzen möchte, von denen wir gerade nicht überzeugt sind. Stress führt zu negativem Erziehungsverhalten, das wir eigentlich vermeiden wollen. In den stressigen Situationen können wir jedoch, da wir gerade im Stressmodus sind, nicht überlegt und wie eigentlich gewünscht handeln. Gerade dann, wenn der Alltag mit Aufgaben angefüllt ist und wir ohnehin unter Zeitdruck stehen, kann uns dann das eigentlich normale Verhalten des Kindes weiter stressen. Im nächsten Moment tut es uns wieder leid, wie wir unter Stress gehandelt haben, was uns dann häufig weiter grübeln lässt.

Auch wenn wir auf einmal getriggert werden in eigenen Erfahrungen durch das Verhalten unseres Kindes und wir uns mit der eigenen Kindheit, unseren gemachten Erfahrungen oder auch den Mängeln unserer Kindheit auseinander setzen müssen, erfordert das besondere mentale Kraft und innere Arbeit – dies insbesondere dann, wenn wir merken, dass es bestimmte erlernte Handlungsmuster gibt, die wir in stressigen Situationen zeigen, aber nicht zeigen wollen.

Emotionale Arbeit ist Arbeit

All diese Begleitung von Kindern ist nicht immer einfach. Im Laufe der Kindheit gibt es immer wieder Phasen, in denen eine stärkere emotionale Begleitung notwendig ist: Eintritt in den Kindergarten, in die Schule, Erklimmen bestimmter Meilensteine der Entwicklung, Begleitung von Streitigkeiten unter Freund*innen. Je nach eigenen Kraftressourcen und persönlicher Belastbarkeit kann diese emotionale Begleitung von Kindern viel Kraft erfordern. Und manchmal bleibt dann weniger Kraft für andere Dinge übrig. Manchmal fragen sich Eltern vielleicht “Was hab ich heute eigentlich geschafft?” aber diese Frage ist nicht richtig: Jeder Tag, an dem ein Kind begleitet wird, erfordert von uns Zuwendung, Aufmerksamkeit, Kraft. Und es ist vollkommen normal, davon auch erschöpft zu sein. Manchmal mehr, manchmal weniger. Aussagen wie “Du bist doch nur zu Hause mit dem Kind!” verkennen, welch große Arbeit – neben den vielen Handgriffen – wirklich vollbracht wird einfach damit, ein Kind emotional zu begleiten. Emotionsarbeit ist Arbeit. Es ist oft auch schöne Arbeit, manchmal sehr anstrengende Arbeit, oft unterschätzte und vor allem zu wenig honorierte Arbeit. Jeder Mensch, der Kinder begleitet, leistet jeden Tag sehr viel.

Eure

Literatur
*Harms, Thomas (2016):Emotionelle Erste Hilfe. Bindungsförderung – Krisenintervention – Eltern-Baby-Therapie. – Gießen: Psychosozial-Verlag.
**Gaca, Anja Constance/Mierau, Susanne (2018): Mein Schreibaby verstehen und begleiten. Der geborgene Weg für High-Need-Babys. – München: GU.
***Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. – Weinheim: Beltz.

“Ich kann damit nicht umgehen!” – Wenn unsere Kinder uns scheinbar herausfordern

“Ich kann damit einfach nicht umgehen!” Das ist ein häufiger Satz, den Eltern sagen. Manche Eltern sagen ihn in Bezug auf die Wut des Kindes, andere in Bezug auf das Weinen, die Trauer oder Schimpfworte. Manchen Eltern fällt es besonders schwer, dass die Kinder selbständig werden, anderen fällt es schwer, wenn sie besonders an ihnen “kleben”. Wenn wir merken, dass bestimmte Situationen uns schwer fallen, wenden wir den Blick oft zunächst auf das Kind: “Dieses Kind ist besonders anhänglich/selbständig/wütend/laut/…”. Und auch wenn natürlich jedes Kind ein eigenes Temperament mitbringt in das Leben und dieses Temperament durch Erziehung vielleicht in bestimmte Bahnen gelenkt wird, aber sich dennoch durch das Leben zieht, lohnt sich auch ein Blick auf das Gegenüber – uns Eltern – und die Frage, warum wir mit bestimmten Verhaltensweisen nicht umgehen können.

Was uns leicht oder schwer fällt, ist eine Frage der eigenen Erfahrung

Uns allen fallen unterschiedliche Dinge im Zusammensein mit unseren Kindern leicht oder schwer: Während es einigen leicht fällt, die Wutanfälle des Kleinkindes gelassen zu begleiten und ruhig daneben zu sitzen, hat es eben dieses Elternteil vielleicht schwer, wenn das Kind besonders anhänglich ist. Andere Eltern können geduldig lange Zeit Kinder in den Schlaf begleiten, während dies für andere zu einer Geduldsprobe wird. Wie wir mit den unterschiedlichen Gefühlen und Äußerungen unserer Kinder umgehen, ist eine Frage der eigenen Erfahrungen und Erlebnisse: Wir haben selbst bestimmte Handlungsmuster erlernt oder reagieren auf bestimmte Situationen besonders empfindsam: Unsere Kinder wecken mit ihrem Verhalten Erinnerungen, die tief in unserem Gehirn verwurzelt sind. Wir werden “getriggert” in diesen Erinnerungen durch das Verhalten unserer Kinder: Weint es, beißt es, wütet es, ist es abweisend, kann das Handlungsmuster auslösen, die wir selbst erfahren haben – oder eben auch zu Hilflosigkeit führen. Vielen Eltern fällt es schwer, mit der eigenen Wut vor den Kindern umzugehen. Ebenso gibt es aber auch Eltern, die sich hilflos fühlen, wenn das Kind weint und sie wissen nicht, wie sie es “richtig” trösten können. Auch hier kann eine mögliche Ursache darin liegen, dass das Trösten nicht erlernt wurde und dies nun im Zusammensein mit dem Kind zu Tage tritt.

Fehlinterpretationen

Wenn es bestimmte Situationen immer wieder gibt, in denen uns der Umgang mit dem Kind schwer fällt, können wir dazu neigen, die Ursache kurzerhand im Kind zu suchen: Das Kind ist besonders schwierig. Liegt aber die eigentliche Ursache in uns, können wir die Bedürfnisse des Kindes nicht nur in dieser Situation, sondern auch langfristig nicht befriedigen: Das Kind kann nicht angemessen begleitet werden, Probleme in der Interaktion manifestieren sich.

Das Kind, das uns als besonders anhänglich erscheint, wird in dem Bedürfnis nach Nähe nicht gesehen und nicht ausreichend begleitet – es erfährt Zurückweisung und Ablehnung, fehlenden Schutz. Das Kind, das uns als zu waghalsig erscheint, um das wir beständig Angst haben, wird in der Erkundung eingeschränkt und eventuell in der Entwicklung gehemmt. Das Kind, dessen Weinen uns herausfordert und bei dem wir das Gefühl haben, daran arbeiten zu müssen, dass es weniger weint, wird nicht ausreichend und zuverlässig getröstet, um auf dieser Basis später Selbstregulation zu erlernen.

Schau hin!

Wenn wir also merken, dass es Situationen mit unseren Kindern gibt, die uns immer wieder schwer fallen, können wir genauer hinsehen: Ist es wirklich das Temperament des Kindes, das eine besondere Herausforderung für uns darstellt, oder ist es vielleicht in unserem Verhalten begründet, dass wir hier immer wieder eine Herausforderung spüren? Spüren wir hinein in diese Situation und unser persönliches Empfinden: Was genau ist es, was uns hier behindert, was es uns schwer macht? Warum fühlen wir uns hilflos in Anbetracht der Tränen des Kindes? Warum denken wir, mit den Bauchschmerzen des Kindes nicht umgehen zu können? Warum fällt es uns schwer, das Kind auf Erkundungstour zu lassen?

Mit diesen Fragen an uns selbst können wir unser Verhalten reflektieren und die Bedürfnisse unserer Kinder im Blick behalten, so dass sich einige Probleme im Familienalltag nicht manifestieren oder zu immer größeren Herausforderungen werden.
Eure

Warum es gut ist, dass unsere Kinder so langsam sind

Montagmorgen, der kleine Rucksack ist gepackt, alles ist Startbereit, die Eltern stehen wartend in der Tür, bereit zum Aufbruch in den Tag und in die neue Woche. – Nur das Kind sitzt noch da, mühsam den Schuh über den kleinen Fuß ziehend. “Komm, ich helf Dir schnell, wir müssen los!” “Nein, alleine!” – Aber wir müssen doch schnell…

Die Hektik unseres Alltags

Wenn wir unseren Kindern bei ihren Tätigkeiten zusehen, stellen wir fest, wie langsam sie oft sind: beim Anziehen, beim Waschen, beim Schreiben,… bei all den Tätigkeiten, die sie sorgsam neu in ihrem Alltag verrichten. Sie probieren aus, ihre kleinen Finger üben neue Griffe, ganz langsam wird ein Reißverschluss zugemacht, mit Sorgfalt werden die Knöpfe geschlossen oder die Müslischale in das Regal gestellt. Manchmal haben wir aus der Hektik unseres Alltags den Impuls, sie in ihrem Handeln zu ermahnen: “Nun mach doch mal schneller, wir müssen doch…” Treten wir einen Schritt zurück und betrachten unsere Kinder in ihrem Tun, können wir feststellen, welch großer Schatz eigentlich in ihrem Handeln liegt: Sie tun die Dinge langsam, behutsam. Sie gehen achtsam mit den Dingen um – eine Achtsamkeit, die wir in unseren Jahren erst wieder versuchen, in unseren Alltag zurück zu holen durch Übungen, Kurse und Trainings. Natürlich sind auch sie manchmal schnell, hektisch oder ungeduldig – und je nach Temperament sind einige Kinder das mehr und andere weniger – aber in vielen Tätigkeiten sind sie zunächst in einer Weise bedacht, sie wir Erwachsenen in unseren Jahren erst wieder erlernen müssen, weil der Stress unseres Alltags uns die Langsamkeit im Handeln genommen hat.

Alleine machen

Natürlich geht es in diesem langsamen Handeln des Kindes um mehr als Achtsamkeit: Es liegt ein Lernwille dahinter: Das Kind übt sich in neuen Tätigkeiten, in neuen Handlungsabläufen und Gedanken. Anfangs ist das noch schwer und das Kind muss erst lernen, wie die richtige Bewegungsabfolge ist, um zum Ziel zu kommen. Nicht anders ist es bei vielen anderen Dingen, die es gerade jetzt lernt: soziale Regeln, Verhaltensweisen. All das will gelernt werden und braucht auch einfach Zeit. Unsere Kinder lernen, aber in vielen Dingen nicht von heute auf morgen, sondern über einen langen Zeitraum hinweg. Sie wollen nicht “die Abkürzung” nehmen in de Form, dass ihnen dieses Lernen abgenommen wird: Sie wollen die Erfahrungen selbst machen, um sich Stück für Stück weiter auf das eigenständige Leben vorzubereiten.

“Alleine machen!” ist kein Aufbäumen gegen unsere Wünsche, kein Machtspiel. Es bedeutet oft: “Ich muss mir diese Zeit jetzt nehmen, um zu lernen, wie es wirklich geht, damit ich es wirklich lernen kann!” Berauben wir unsere Kinder durch Hektik dieser Möglichkeiten, berauben wir sie um Lernerfahrungen, die sie dringend brauchen. – Und die wir ja schließlich auch irgendwann einfordern: Kein Kind wird sich selbst die Schuhe anziehen und binden können, wenn wir es nicht geduldig haben lernen lassen.

Lernen in einer Umgebung, in der es erlaubt ist

Was Kinder also brauchen, ist eine Umgebung, die das Lernen zulässt und auch das Lerntempo des Kindes berücksichtigt. Eine Umgebung, in der diese vermeintliche Langsamkeit erlaubt ist. Das Lernen geht dann umso leichter, wenn wir eine Umgebung schaffen, in der es natürlicherweise erlaubt ist. Eine Umgebung, in der sich das Kind nicht erst durchsetzen muss, in der es nicht erst rebellieren muss, um das Recht auf Selbständigkeit zu erlangen, sondern in der es selbstverständlich davon ausgehen kann, dass es erlaubt ist. Muss es sich erst wehren, durchsetzen und Widerstand leisten gegen unsere Anordnungen, ist das Lernen wesentlich schwerer.

Nehmen wir also die Langsamkeit und den Wunsch, selber zu lernen, an und versuchen wir, unsere erwachsene Hektik ein wenig aus dem Kinderalltag zu verbannen, damit sie auf ihre Weise entspannt einen Zugang zu unserer Welt finden.
Eure

Müssen Kinder spielen lernen?

“Eltern bringen ihren Kindern nicht mehr bei zu spielen oder sich sinnvoll zu beschäftigen” zitierte gerade die Tagesschau in Bezug auf Mediennutzung von Kindern. Aber ist es wirklich Aufgabe von Eltern, Kindern das Spielen beizubringen? Können Kinder von sich aus nicht spielen? Liegt es im Verantwortungsbereich der Eltern, Kinder dazu anzuleiten?

Wie Kinder spielen

Betrachten wir also im ersten Schritt das Spiel der Kinder: Bei spielenden Kindern denken wir zumeist an Puppenhäuser, Lego, an Kaufmannsladen und Puppenküche. Wir denken an das Rollenspiel, an nachahmendes Spiel und Bauklötze, die aufeinander gestapelt werden. Damit denken wir an ein bestimmtes Zeitfenster, mit dem wir Spiel verbinden: Kleinkinder spielen. Das Spiel beginnt aber eigentlich schon wesentlich früher, nämlich schon während der Babyzeit. Ist das Baby nach der Geburt in der Familie angekommen, beginnt es mit seinen Sinnen die Umwelt zu erfahren: Es beobachtet die Schatten und Licht an den Wänden, erfreut sich an Berührungen und Geräuschen. Mit sechs bis acht Wochen nach der Geburt beginnt das Baby mit dem sozialen Lächeln. Es tritt mit den Bezugspersonen in Interaktion und es ergeben sich im Alltag Spielsituationen: Das Elternteil lächelt das Baby an, das Baby lächelt zurück – ein einfaches Spiel, das dennoch Spiel ist. Beginnt das Baby zu greifen und Dinge zum Mund zu führen, spielt es mit ihnen und erkundet neugierig, was das ist. Die erste Beikost ist Spiel anstatt Nahrung: Das Baby weiß noch nicht, dass diese Nahrung sättigt und erkundet spielerisch mit Händen und Mund. Die gesamte Welt lernt das Kind durch das Spiel kennen: Es setzt sich mit ihr auseinander, berührt, erkundet. Das Kind spielt und lernt gleichermaßen. Spielen ist lernen und lernen ist spielen. Die Erfahrungswelt besteht aus der spielerischen Auseinandersetzung mit all dem, was das Kind umgibt: die Dinge, die Lebewesen. Auch die Interaktion, die sozialen Regeln, das Miteinander wird über das Spiel erfahren.

Wo Kinder spielen

Das Spiel findet immer in einem bestimmten Setting statt, in einer Umgebung, in der Auseinandersetzung mit bestimmten Themen. Es ist bestimmt durch die Fähigkeiten des Kindes und baut sie weiter aus: Hat das Kind zu laufen begonnen, wird es spielerisch mit den Feinheiten der Fortbewegung experimentieren und irgendwann beginnen, zu balancieren, zu schleichen, zu hüpfen. Das, was Kinder spielen wollen, ist ihrem aktuellen Entwicklungsstand angepasst: Im Spiel bauen sie ihre Fertigkeiten aus und sind deswegen daran orientiert, das umzusetzen, was ihnen neue Erfahrungen bringt.

Nicht immer stimmt das mit den Vorstellungen der Erwachsenen überein. Nicht selten bringt das Spiel, die Neugierde, der Entwicklungsimpuls sie in Konflikt mit den Normen und Vorstellungen der Gesellschaft oder den familiären Regeln. Es ist so spannend, Neues zu erfahren, Dinge auszuprobieren: Materialien wollen erkundet, Zusammenhänge verstanden werden. Manchmal gehen dabei Dinge zu Bruch oder die Vorstellungen des Kindes weichen einfach von denen der Eltern ab. Auch das ist etwas, was Kinder lernen durch aktive Auseinandersetzung

Bildungsauftrag: Spiel mit Deinem Kind!

Wir sehen also: Kinder spielen von alleine die ganze Zeit. Neugierde ist der Motor ihrer Entwicklung und über diesen lernen sie, setzen sich aktiv auseinander. Das Spiel ist dabei auf der einen Seite ein Spiel, um Fertigkeiten auszubauen, je größer die Kinder werden, desto bedeutsamer wird dabei aber auch das soziale Spiel, der Austausch mit anderen. In diesem Spiel lernen sie die Regeln des Miteinander. Sie brauchen für viele Spiele ein Gegenüber. Gut ist es, wenn sie die Möglichkeit haben, mit verschiedenen Menschen zu interagieren in unterschiedlichem Alter, unterschiedlichen Temperamenten, unterschiedlichen Situationen – so bauen sie ein Bild über Vielfalt aus. Je größer sie werden, desto wichtiger wird die Gruppe der Gleichaltrigen, in der sie sich bewegen. Sie wachsen hinein in ihre neue soziale Gruppe, in das Leben, die Zukunft und nehmen dabei die Erfahrungen mit, die sie im Laufe der vergangenen Zeit sammeln konnten, die Werte und Regeln, die sie mitbekommen haben auf dem Weg.

In diesem Sinne hat das Spiel mit den Erwachsenen immer auch einen bestimmten Bildungsauftrag, trägt sie hinein in die Gesellschaft und vermittelt wichtige Impulse für Gegenwart und Zukunft. Dass aber Eltern ihren Kindern das Spiel beibringen müssten, stimmt nicht. Sie vermitteln Kindern über die Interaktion wesentliche Inhalte, aber das Spiel bringen die Kinder in das Leben ein. Sie setzen die Impulse, mit denen wir umgehen, die wir beantworten – oder eben auch manchmal nicht. Eltern müssen sich nicht in kleine Puppenküchen setzen und Kindern beibringen, wie Puppen versorgt werden, wie gespielt wird. Eltern können manchmal Spielpartner sein im Spiel der Kinder und Kinder fordern dies ganz besonders dann ein, wenn sie sonst keine Partner wie andere Kinder haben, um soziale Interaktionen im Spiel zu verarbeiten und in der Auseinandersetzung zu lernen. Aber das Spiel geht grundsätzlich von ihnen und ihren Entwicklungsimpulsen aus.

Was wir tun können, anstatt Spiel zu trainieren

Anstatt das Spiel zu trainieren, müssen wir Eltern Kindern den Raum geben, spielen zu können und sich mit der Umwelt aktiv auseinander zu setzen: Kinder brauchen Räume, in denen sie sich bewegen können. Sie brauchen drinnen und draußen die Chance, gemäß ihren körperlichen Entwicklungsmöglichkeiten sich selbst zu erproben, sich und die eigenen Fähigkeiten zu spüren. Sie brauchen die Möglichkeit, Sprache auszuprobieren, Feinmotorik, Grobmotorik und soziale Interaktion. Sie brauchen den Raum, dass wie Erwachsene geduldig sind mit ihren Versuchen und sie ausprobieren lassen. Sie brauchen keine Anleitung, sondern die Möglichkeit, selbst auszuprobieren, selbst wirksam zu sein. Manchmal scheitern sie dabei. Und brauchen die Sicherheit, dass wir sie aus diesem Scheitern auch lernen lassen und dort auffangen, wo sie es (emotional) dann brauchen. Sie brauchen die Chance, zu verstehen, dass auch Fehler dazu gehören und gemacht werden dürfen.

In unserer Gesellschaft ist es an vielen Stellen nicht so leicht, dass Kinder die Spielimpulse umsetzen können, die sie wollen und für ihre Entwicklung brauchen. An vielen Stellen werden sie eingeschränkt: Von Schildern, die verbieten, auf dem Rasen zu spielen und auf Bäume zu klettern. Von Verboten, an bestimmten Orten zu rennen. Von unseren Ängsten, die sie ermahnen, die sie einschränken in ihrem Aktionsradius, in ihrer Fantasie. Von unseren Regeln zu Hause und Sorgen um unsere sorgsam eingerichtete, saubere Wohnung. Aber Kinder brauchen die Möglichkeiten, Erfahrungen zu machen. Ungefiltert von unseren erwachsenen Gedanken und Vorstellungen. Sie brauchen im wahrsten Sinne des Wortes einen Entwicklungs-Spielraum, der nicht zu eng sein darf, damit sie sich darin nach ihrem Tempo und Bedürfnis entwickeln können.

All das ist sinnvolles Spiel. Geben wir unseren Kindern doch die Möglichkeit, durch das Spiel aktiv die Welt selbst zu erfahren, anstatt sie ihnen durch unsere Augen mit erwachsenem Spiel vor die Nase zu setzen.
Eure

Wie Babys schlafen

Der Schlaf von Babys und Kindern ist eines der großen Themen in den ersten Jahren. Wir lesen davon, dass “Kinder schlafen lernen” müssen, dass Schlaf wichtig sei für die Entwicklung und zu wenig Schlaf ungesund, wir stellen uns Fragen darüber, ob nun Mittagsschlaf wirklich wichtig ist, wenn wir abends doch gerne ein wenig Zeit für uns hätten ohne Kind. Wie also ist es nun mit dem Schlaf? Können oder müssen Kinder das lernen oder machen sie das von ganz allein? Und wie verändert sich das Schlafen im Laufe der Zeit?

Die gute Nachricht ist: Babys müssen nicht schlafen lernen, sie schlafen schon ganz selbständig von Anfang an. Die von vielen Erwachsenen allerdings als schlecht wahrgenommene Nachricht ist: Sie schlafen anders als wir. Und genau das bringt uns manchmal in eine Zwickmühle. Nach der Geburt hat das Baby erst einmal keinen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus: Schlafen und Wachen wechseln sich ab. Wie bei uns Erwachsenen ist auch schon für die Kleinsten der Schlaf wichtig, u.a. für das Gehirn und die Lernprozesse. Daher haben sie auch einen anderen Schlafrhythmus und eine andere Verteilung der Schlafphasen. Noch im Uterus besteht der Schlaf des ungeborenen Babys zu nahezu 100% aus REM-Schlafphasen, bei neugeborenen Kindern aus etwa 70%. Diese Schlafphase, in der die Augen sich unter den Lidern schnell bewegen (REM = Rapid Eye Movement) dient dem Gehirn zum Sortieren und Verarbeiten von Eindrücken – wir lernen, insbesondere auch emotionale Erlebnisse verfestigen sich hier.

Das Baby lässt sich nicht ablegen!

Vom Wachzustand geht das Baby zunächst in den REM-Schlaf über und dann in den Tiefschlaf: Viele Eltern wissen, dass sich das Baby, obwohl es doch gerade eingeschlafen scheint, nicht gleich ablegen lässt. Es erwacht sofort, wenn wir es ablegen, wenn es eine Diele knarzen hört oder sich die Situation in einer anderen Art für das Baby spürbar ändert. Und auch wenn uns Erwachsenen das oft als unpraktisch für uns selbst erscheint, ist es dieses Schlafverhalten für das Baby durchaus sinnvoll: Während dieser ersten Schlafphase ist es noch aktiv genug, um zu überprüfen, ob die Rahmenbedingungen für einen Schlaf wirklich gut sind, oder ob es nicht doch vorher noch einmal versorgt werden muss oder andere Rahmenbedingungen braucht, beispielsweise weil es zu kühl oder zu warm bekleidet ist, weil es spürt, dass es allein ist und dieses Gefühl seinem Bedürfnis nach Sicherheit widerspricht.

Das Baby wacht nachts auf!

Nach etwa 20 Minuten REM-Schlaf geht das Baby dann in den Tiefschlaf über: Nun lässt es sich ablegen. Nach einem Schlafzyklus von etwa 50 Minuten erwacht das Baby mehr oder weniger kurz, häufig zur Nahrungsaufnahme. Zudem überprüft es nun wieder, ob die Rahmenbedingungen weiterhin gut sind. Fühlt es sich beispielsweise schutzlos, wird es erwachen und weinen, um die Bezugspersonen zu sich zu holen. Auch bei einem Ausscheidungsbedürfnis erwachen die Babys oder werden unruhig. Wer das Baby abhält, merkt, dass es nach dem Ausscheiden wieder gut einschlafen kann.

Auch ältere Kinder und sogar wir Erwachsene wachen nachts auf – allerdings können wir selbständig wieder einschlafen und müssen (meistens) nicht durch eine andere Person wieder in den Schlaf begleitet werden, weil wir genug Erfahrungen im Laufe der Zeit gesammelt haben und wissen, dass wir an unserem Schlafort sicher sind. Auch verlängern sich im Laufe des Lebens die Schlafzyklen: Bei einem Erwachsenen dauern sie 90 bis 120 Minuten an – wir wachen also in späteren Jahren seltener auf pro Nacht.

Babys schlafen nicht durch – oder doch?

Dass Babys nicht in dem Sinne durchschlafen, wie wir von durchschlafen denken, ist also ganz normal. Die Gesamtschlafdauer bei Babys variiert stark: Neugeborene schlafen zwischen 11 und 20 Stunden am Tag, 6 Monate alte Babys zwischen 9 und 17 Stunden. Und auch nach der Babyzeit ist der Schlafbedarf noch unterschiedlich und einige Kinder brauchen noch länger einen Mittagsschlaf und andere hören früher damit auf. Mit “durchschlafen” wird in der Regel ein Zeitfenster von 5 Stunden bezeichnet. Im ersten Jahr wachen viele Babys noch drei Mal und mehr nachts auf. Und selbst nach dem ersten Geburtstag schlafen Kinder noch nicht in dem Sinne durch, wie wir es uns oft wünschen würden.

Mit dem Babyschlaf umgehen

Dass Babys also so schlafen, wie sie schlafen, ist richtig und normal. Leider kollidiert es dennoch mit unseren erwachsenen Schlafgewohnheiten – und unseren Erwartungen hierzulande. Während in Costa Rica davon ausgegangen wird, dass Kinder etwa mit 3,5 Jahren durchschlafen, erwarten dies in Indien Eltern erst von 5jährigen. Zudem gibt es selbst in der voranschreitenden Entwicklung immer wieder mal Rückschritte in Phasen, in denen das Baby besondere neue Entwicklungen durchläuft und daher unruhiger schläft oder wenn es beispielsweise einen Infekt hat oder Zähne bekommt.

Wichtig ist daher: Den Schlaf des Babys so annehmen, wie er ist. Babys brauchen einfühlsame Begleitung und keine Schlaftrainings. Wichtig ist es dennoch, dass auch wir Erwachsene auf unsere Schlafbedürfnisse achten. Daher ist es gut, wenn sich Eltern abwechseln können, damit beide ausreichend Schlaf bekommen. Praktisch für ein gutes Schlafgefühl ist auch der so genannte “Ammenschlaf”: Schlafen Mutter und Baby in körperlicher Nähe (das Baby beispielsweise im Familienbett oder Beistellbett), nähern sich die Schlafphasen von Mutter und Kind an, wodurch die erwachsene Bezugsperson nicht aus dem Tiefschlaf gerissen wird durch das erwachte Baby, sondern oft kurz vor dem Baby erwacht, schnell auf die Bedürfnisse eingehen kann und dann selbst wieder schnell in den Schlaf findet. der Schlaf kann so erholsamer sein beim Co-Sleeping als bei räumlicher Trennung.

Wie geht es Euch mit dem Schlaf Eures Babys?
Eure

Passende Bücher zum Thema:
Mierau, Susanne (2016): Geborgen wachsen. Wie Kinder glücklich groß werden. – München: Kösel.
Mierau, Susanne (2019): Mutter.Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. – Weinheim: Beltz.
Mierau, Susanne (2024): Das Schlafbuch für die ganze Familie. – Weinheim: Beltz.
Lüpold, Sibylle (2014): Ich will bei Euch schlafen! (Ein-)Schlafen lernen mit Co-Sleeping. – Freiburg: Urania Verlag.

Kürbiszimtschnecken und andere Kürbisleckereien

Der Herbst ist da und damit Zeit für leckere Backwerke neben einem warmen Getränk. In diesen Tagen kommt Kürbis hier häufig auf den Tisch – in ganz verschiedenen Varianten von salzig bis süß. Vom Hokkaido-Kürbis kann die gesamte Frucht verwendet werden von der Schale bis zu den Kernen und wird zu: Kürbissuppe, Kürbisbrötchen, Ofengemüse-Kürbis, Kürbisgnocci, Kürbiswaffeln, Kürbis-Flammkuchen, Kürbiskern-Snack, Kürbiskuchen, Kürbisdonuts – und diese leckeren Kürbis-Zimtschnecken.

Für etwa 10 Zimtschnecken benötigst Du:

250g Mehl
50g Rohrzucker
1/2 Päckchen frische Hefe
1/2 TL Salz
50g geschmolzene Butter
125 ml Milch
100g Hokkaido-Kürbispüree

50g weiche Butter
50g Zucker
2 TL Zimt
1/2 TL Kardamompulver

Und so werden Zimtschnecken daraus:

Für das Kürbispüree wird der Hokkaido-Kürbis gewaschen, der Stiel entfernt, Kerne ausgeschabt (diese können gekocht, im Ofen mit Gewürzen bestreut geröstet und dann als Snack gegessen werden). Der restliche Kürbis wird in Stücke geschnitten und bei 180°C im Backofen weich gegart. Der abgekühlte Kürbis wird dann püriert und die entsprechende Menge für die Zimtschnecken abgenommen. Reste können zu Suppe, für Pizzateig etc. weiter verarbeitet werden.

Mehl in eine Rührschüssel geben, Zucker zugeben, die geschmolzene Butter mit der Milch auffüllen und beides gemeinsam zum Mehl-Zucker-Gemisch geben, Hefe unterkneten und das Kürbispüree unterkneten. Der Teig sollte nicht zu klebrig sein, ggf. Mehl zugeben. Den Teig abgedeckt an einem warmen Ort etwa 60 Minuten gehen lassen bis er sich verdoppelt hat.
Dann rechteckig ausrollen. Butter Zucker, Zimt und Kardamom verrühren und diese Mischung auf dem ausgerollten Teig verstreichen. Den Teig von der Unterkante zu einer Schnecke recht fest aufrollen. Von der Rolle ca. 2cm breite Scheiben abschneiden, auf das mit Backpapier belegte Blech geben und noch, als 30 Minuten gehen lassen und dann im vorgeheizten Ofen bei 180°C 10 Minuten backen.

Abschließend können die Zimtschnecken noch mit Zuckerguss oder Hagelzucker versüßt werden.