Monat: August 2019

Kinder lernen sich und die Welt durch das Spielen kennen. Schon die Kleinsten lernen über das Spiel: Eine Hand des Babys berührt den ausgestreckten Fuß, bewegt ihn. Es werden Dinge mit den Händen umfasst und zum Mund geführt. Nachdem das Baby vor allem zuerst mit den Bezugspersonen gespielt hat und sich selbst spielerisch kennengelernt hat, werden die Dinge der Umgebung interessant: All die Alltagsdinge wollen erkundet und ausprobiert werden. Es wird nachgeahmt, was die anderen (erwachsenen) Menschen damit tun, das Spiel wird abgewandelt. Immer mehr treten auch die Handlungen in der Vordergrund, das Soziale wird Teil des Spiels. Das Spiel verändert sich im Laufe der Jahre und dennoch bleibt es immer wichtig, immer wesentlicher Bestandteil des Lernens. Schließlich ist der spielerische Umgang mit Neuem auch in der Schule wichtig für den Wissenserwerb.

Zeug und Raum zum Spielen

Kinder brauchen den Raum zum Spielen: das bedeutet vor allem Zeit für das Spiel, aber auch Möglichkeiten zum Spiel. Gespielt wird mit nahezu allem, was eben verfügbar ist – das bedeutet, dass besonders in den ersten Jahren gar nicht besonders konkretes Spielzeug spannend ist, sondern vielmehr “Zeug zum Spielen”. Spielsachen sollten der Fantasie Raum lassen, sollten das Spiel vielfältig sein lassen. Und als Eltern sollten wir den Kindern auch die Möglichkeit geben, nach ihren Wünschen zu spielen und sie nicht beständig im Spiel einzuschränken oder (moralisch) zu ermahnen. Für die Kleinsten ist es gut, eine Ja-Umgebung für das Spiel zu schaffen. Spiel bedeutet nicht nur, bestimmte Spiele zu spielen, sondern auch, spielerisch am Alltag teilhaben zu dürfen. Gerade dann, wenn Eltern nicht beständig in der Puppenküche sitzen wollen, ist das eine gute Möglichkeit. Größere Kinder brauchen die Möglichkeit, frei zu spielen, auch ohne Aufsicht. Sie brauchen die Möglichkeit, Konflikte zu regeln, Lösungen auszuhandeln und Herausforderungen zu bewältigen.

“Im Spiel – gerade im abstrakten Spiel der größeren Kinder – werden die wichtigen Themen des Lebens behandelt. Im Schonraum des Spiels, in dem es immer ein Zurück gibt, wird mit den Themen Geschwisterwerden, Elternschaft und Tod umgegangen. Hier haben Kinder den Raum, Situationen nachzuspielen, die sie noch einmal bewältigen wollen, oder zu erproben und hineinzuspüren, wie sich Dinge anfühlen könnten.”

S. Mierau “Geborgene Kindheit” S. 84

Bindungsspiele

Wenn wir an “Spiele” denken, denken wir an Kaufmannsläden, Puppenküchen, Autos. Wir denken auch an Spiele mit Gewinnern und Verlierern. Daneben gibt es aber Spiele, die wir gerade für den Alltag mit unseren Kindern nutzen können. “Bindungsspiele” nennt sie die Entwicklungspsychologin Dr. Aletha Solter in ihrem Buch “Spielen schafft Nähe – Nähe löst Konflikte” (Amazon* | Buch 7* | Buchhandel): spielerische Interaktionen zwischen Erwachsenen und Kindern, um die Beziehung aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Mit zwanzig bis dreißig Minuten Spielzeit am Tag können Eltern und Kinder von dieser Art des Spiels profitieren – dabei braucht es keiner besonderen Ausstattung, keiner besonderen Materialien, sondern es geht insbesondere um die Beziehung und das Miteinander im gemeinsamen Spielen: das Kind darf in nicht-direktiven, kindzentrierten Spielen bestimmen und der Erwachsene spielt mit, Im Symbolspiel können besondere Themen des Kindes aufgearbeitet werden, im Kontingenzspiel wird das Kind beispielsweise nachgeahmt, im Nonsensspiel können wir einfach bewusst Unsinn machen. Ternnungsspiele üben den Umgang mit Trennung, in Machtumkehrspielen können die Kinder endlich bewusst mächtiger sein… Kurz: Es gibt eine ganze Menge an Spielen, die wir bewusst im Alltag einsetzen können, um unsere Kinder und unsere Beziehung zu stärken.

Kooperativ spielen

Denken wir an Kinderspiele, denken wir schnell auch an Spiele wie “Mensch ärgere dich nicht” oder “Fang den Hut”: Spiele, in denen es darum geht, die mitspielenden Personen zu besiegen, sich selbst Vorteile zu verschaffen, zu gewinnen. Lange Zeit war dies ein Wert, der Kindern vermittelt wurde: Du musst dich durchsetzen, nur die Besten kommen ans Ziel, jeder gegen jeden,… Wir wissen heute, dass Menschen soziale Wesen sind und auch Kinder kooperieren wollen, Teil unserer Gesellschaft sein wollen. Anstatt im Spiel also das Gegeneinander hervor zu holen, können wir das Miteinander unterstützen. Kooperative Spielen geben Kindern diese Möglichkeit: gemeinsam wird auf ein Ziel hin gearbeitet, gemeinsam wird überlegt und geplant, um etwas zu erreichen. Kooperative Spiele sind nicht nur in Gruppen ein gutes Angebot, sondern gerade auch zu Hause, beispielsweise um die Geschwisterbeziehungen zu unterstützen. Kooperative Spiele gibt es in verschiedenen Arten: als normales Spiel mit Puppen, Autos etc., aber es gibt auch kooperative Brett- und Computerspiele.

Kooperative Brettspiele für Kinder

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Basteln ist eine besondere Beschäftigung für den Alltag:. Es lässt der Fantasie Raum, kann das Spiel mit Figuren und Kuscheltieren ergänzen oder auch einfach als eigenständige Beschäftigung stehen. Es unterstützt die Feinmotorik, kann eine Brücke bauen zwischen Spiel und Wissenserwerb, wenn geometrische Formen entstehen, kann mathematisches Wissen vermitteln. Es unterstützt die Geschicklichkeit: wenn mit Scheren geschnitten oder mit den Händen das Papier in Streifen gerissen wird. Wenn mit Pinseln Linien gezogen oder Perlen auf die Schnur gefädelt werden.

Nicht das Aussehen des Produktes steht im Vordergrund, sondern das Tun. Das Kind kann sich ausprobieren und dabei verschiedene Fertigkeiten erweitern. Was es mag, welche Materialien dabei besonders gerne bearbeitet werden, ist unterschiedlich: einige Kinder fädeln gerne, andere basteln mit Wolle, Häkelhaken oder Strickliesel, weben oder flechten. Wieder andere schnitzen gern oder lieben es, Knete, Ton oder Salzteig zu formen.

Im Basteln lernen sie das Zusammenspiel von Materialien und Farben kennen, spüren der Wirkung von Farben nach und lernen, sie gezielt einzusetzen.

Hier findest Du einige Bastelideen für euren Familienalltag (klick auf das Bild für mehr Informationen)

Frühling

Sommer

Herbst

Winter

Geht immer

Kinderbücher können eine wunderbare Bereicherung sein. Denn das (Vor)lesen ist eine schöne Beschäftigung für das Kind, ein Moment der Ruhe und dennoch kann es auch aufregend sein. Wenn wir unseren Kindern vorlesen, nehmen wir uns bewusst Zeit, sind oft im Körperkontakt und haben die Möglichkeit, zu einem bestimmten Thema fokussiert in den Austausch zu kommen. Bücher erweitern dabei nicht nur den Wortschatz, sie lassen Kinder auch in Themen eintauchen, die vielleicht in ihrem Alltag gerade nicht vorkommen – das gilt sowohl für die kleineren Kinder, als auch für die größeren, die auch schon selbständig lesen.

Im zweiten Lebensjahr erfährt das Kind, dass es nichts gibt, was nicht benannt werden könnte. Der passive Wortschatz baut sich aus, aber auch der aktive Wortschatz, so dass es um den zweiten Geburtstag oft schon um die 300 Wörter spricht – auch wenn nicht alle davon richtig ausgesprochen werden.

Durch Bücher können Kinder ihren Alltag abgebildet nachempfinden: Erst entdecken sie Bilder und benennen, was sie sehen, setzen dies vielleicht mit den realen Gegenständen in Verbindung: Das Kind sieht einen Ball im Buch und holt den eigenen Lieblingsball dazu. So können Bilderbücher noch einmal ganz anders gemeinsam betrachtet werden. In der Kleinkindzeit wird aus Bildern und Geschichten noch einmal anders gelernt: Etwas, das gar nicht anwesend ist im Alltag oder noch nie beobachtet werden konnte, kann über Bücher gelernt werden. Natürlich ist das reale Lernen weiterhin wichtig, aber Bücher können nun eine gute Erweiterung und Ergänzung sein. Gute Kinderbücher sind deswegen in jedem Alter eine wunderbare Begleitung.

Hier findet Ihr ein paar Anregungen für schöne Kinderbücher

(klick aufs Bild, um mehr zu lesen)

Auswahl: Kinderbücher zum Thema Umweltbewusstsein
Auswahl an Büchern rund um Natur und Pflanzen
Auswahl an Büchern rund ums Gärtnern mit Kindern
Auswahl an Gute-Nacht-Geschichten für mehrere Altersgruppen
Auswahl an Kinderbüchern zum Thema “Gefühle”
Auswahl an Kinderbüchern über Vielfalt in unserer Gesellschaft
Auswahl an Kinderbüchern zum Thema “Monster”
Auswahl an Büchern zum Thema “Entspannung mit Kindern”
Auswahl an Kinderbüchern zum Thema “Wald”
Auswahl: Sommerbücher für Kinder
Auswahl: Kinderbücher zum Thema Weltraum
Gastartikel: Kinderbücher aus Indien
Auswahl: Kinderbücher zum Schulstart

4 Tipps, wie Du bei Kinderfotos den Hintergrund verschwimmen lässt

Leni Moretti ist Familienfotografin aus Berlin und zeigt in ihrer neuen Kolumne hier, wie ihr mit eurer eigenen Kamera im Familienalltag schöne Baby- und Kinderfotos machen könnt – für bleibende Erinnerungen. Zuletzt hat sie über “Drei einfache Regeln für schöne Kinderfotos” geschrieben.

Du würdest gerne ein schönes Kinderportrait mit verschwommenen Hintergrund machen? Du hast eine tolle Kamera zu Hause liegen, weißt aber noch nicht so recht, wie Du sie gut einsetzen  kannst? Das ist gar nicht so schwer! Es gibt nur einige Dinge zu beachten, die ich Dir hier kurz in vier Schritten erkläre. 

Um draußen im Freien so ein schönes, zeitloses Kinderportrait zu machen, wie von dem Kind oben, brauchst du eine Spiegelreflex- oder Systemkamera, mit der Du manuell Blende, Zeit und ISO einstellen kannst. Wichtig ist, dass Du Dein Kind draußen fotografierst, denn für so ein Kinderporträt mit verschwommenem Hintergrund brauchen wir ausreichend Tageslicht. 

1. Kleine Blendenzahl 

Auch wenn es am Anfang schwer fällt – verabschiede Dich vom Vollautomatik-Modus! Du wirst schnell sehen, dass Du so vielmehr Möglichkeiten hast, schöne Kinderportraits zu machen. Um einen butterweichen, verschwommenen Hintergrund zu bekommen, benutzt Du am besten die Zeit-Automatik. Das bedeutet, dass Du selber manuell die Blende wählen kannst und die Kamera dafür sorgt, dass automatisch die richtige Belichtungszeit eingestellt wird. So bekommst Du ein richtig belichtetes Bild während Du gleichzeitig selber entscheiden kannst, wie viel Tiefenschärfe Du im Hintergrund haben möchtest. 

Um Dein Kind vom Hintergrund abzuheben gehst Du so vor: Bei der Wahl des Kamera-Modus – im Menü oder an einem kleinen Rädchen an der Kamera – stellst Du die Kamera auf den Modus “A” bzw.“AV”. Das ist die sogenannte Zeit-Automatik. Anschließend stellst Du die gewünschte Blende dort ein, wo das Kürzel f/ steht. Wichtig ist hierbei, dass Du eine kleine Zahl wählst. Also eine 3.5 oder 2.8 oder noch besser eine 2.0 oder 1.8. Je kleiner diese Zahl, desto verschwommener der Hintergrund. 

Wie weit Du die Blende öffnen kannst, also wie klein die Blendenzahl werden kann, liegt an Deinem Objektiv. Bei sehr guten Objektiven liegt die kleinste Blendenzahl bei 1.8. Hier spricht man von besonders “lichtstarken” Objektiven. Zoomobjektive sind meist nicht so lichtstark wie Festbrennweiten und fangen oft erst bei einer Blende von f/3.5. Aber auch mit diesen Objektiven kann man den Hintergrund sehr schön verschwimmen lassen. 

2. Weite im Hintergrund 

Grundsätzlich hebt sich der Hintergrund besser ab, umso mehr freie Fläche hinter Deinem Kind ist. Wenn Du Dein Kind wenige Zentimeter vor einer Wand oder Büschen fotografierst, wird der Hintergrund kaum verschwimmen – aber auf einer Grünfläche im Park oder auf dem Feld, so wie auf dem nächsten Foto, schon. Je mehr “Raum” hinter deinem Kind, desto besser. 

3. Raus aus der Sonne! 

Da wir mit der Zeit-Automatik (A-Modus) fotografieren, solltest Du für Dein Kinderporträt die direkte Sonne oder Gegenlicht meiden. Das kann Deine Kamera nämlich aus dem Konzept bringen. Einfacher ist es am Anfang, wenn Du Dein Kind im Schatten fotografierst. Natürlich nicht im abendlichen Dämmerlicht, sondern bei ausreichend Tageslicht. So kann eigentlich gar nichts schief gehen. 

Sobald Du Dich besser mit den Einstellungen Deiner Kamera auskennst, kannst Du Dich auch an schwierigere oder wechselnde Lichtsituationen heranwagen. Aber fange erst einmal im Schatten an oder wenn es bewölkt ist. 

4. Auf die Augen fokussieren 

Bei einer großen, weit geöffneten Blende (also kleinen Blendenzahl), ist der Schärfebereich ganz klein. Das heißt, dass Du mit einer Blende von f/1.8 sogar nur die Nasenspitze in den Fokus  stellen kannst, der Rest des Gesichtes ist in diesem Fall schon unscharf. Das kannst Du mal ausprobieren, um ein besseres Gefühl für die Tiefenschärfe zu bekommen. Für ein Kinderporträt, bei dem Dein Kind direkt in die Kamera schaut, solltest Du aber immer auf die Augen fokussieren. Es wäre doch sehr schade, wenn die Schärfe hier auf dem Ohr oder der Nase liegt. 

Auch noch wichtig zu wissen: Dein Kind sollte sich nicht zu sehr bewegen. Je kleiner die Blendenzahl, desto schwieriger wird es nämlich, ein scharfes Foto zu machen. Wenn es nicht gleich so klappen sollte, wie Du Dir das vorstellst, nicht entmutigen lassen! Die Tiefenschärfe (also wie unscharf der Hintergrund ist), hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel, wie nah Du Dein Kind fotografierst, also mit welchem Abstand Du vor Deinem Kind stehst. Ist nur das Gesicht auf dem Bild, wird der Hintergrund deutlicher verschwimmen, als wenn die Kleinen von Kopf bis Fuß auf dem Foto sind. Auch Kamera und Objektiv spielen dabei eine wichtige Rolle. 

Ich hoffe Du kommst mit diesen 4 Tipps einem schönen Kinderportrait ein gutes Stück näher! Hier findest Du 15 Foto-Spickzettel, die es Dir noch leichter machen, schöne Momente mit Deinen Kindern festzuhalten.


Leni Moretti ist Baby- und Familienfotografin aus Berlin. Seit 2013 begleitet sie mit der Kamera Familien in ihrem eigenen Zuhause. Dabei dokumentiert sie in einer vertrauten Atmosphäre die innige Verbindung zwischen Eltern und ihren Kindern mit Fotos und Filmaufnahmen. Auf ihrem Foto-Blog und auf Instagram gibt sie ihr Foto-Wissen weiter und zeigt Eltern, wie sie im Familienalltag selber schöne Baby- und Kinderfotos machen können. Für Foto-Anfänger, die ihre Kamera besser verstehen möchten, hat Leni einen umfangreichen Online-Fotokurs für Eltern entwickelt.




Kooperationsfähigkeit von Kindern in Pflegesituationen

Pflegesituationen mit Kindern sind nicht immer einfach. Dabei nehmen sie einen wesentlichen Teil der Alltagsroutinen ein: waschen, Zähne putzen, wickeln – all das sind Pflegesituationen, die wir mit unseren Kindern mehrmals am Tag erleben. Manchmal sind sie einfacher zu gestalten, manchmal ist es schwieriger. Schwierig wird es oft dann, wenn wir gegen den Willen des Kindes vorgehen wollen: Wenn wir jetzt sofort die Windel wechseln wollen oder wenn jetzt sofort die Zähne geputzt werden sollen – dabei hat das Kind gerade etwas ganz anderes vor.

In solchen Situationen treffen zwei unterschiedliche Vorstellungen aufeinander: Als Eltern sind wir entweder von Zeitdruck oder von Ängsten geleitet, die uns erklären, dass wir ausgerechnet jetzt sofort dieses oder jenes mit dem Kind machen müssten. Das Kind hingegen hat nicht selten gerade jetzt einen anderen Handlungsplan. Manchmal ist es kooperationsbereit und weicht von dem eigenen Handlungsplan ab, manchmal fällt die Kooperation aber auch schwerer.

3 wesentliche Aspekte zur Gestaltung von Pflegesituationen

Es ist gut, von Anfang an Pflegesituationen kooperativ zu gestalten – damit bilden wir eine Basis, auf der auch in späteren Jahren aufgebaut werden kann, denn im Kleinkindalter wird es oft noch schwerer, Kinder von Pflegesituationen zu überzeugen, die sie aktuell nicht durchführen wollen. Um einen gemeinschaftlichen Weg zu gehen, können wir dabei drei Aspekte in den Blick nehmen:

  • Aktuelle Bereitschaft des Kindes
  • Zeitpunkt der Pflegesituation
  • Mitwirkung des Kindes

Signale des Kindes: Wann ist das Kind bereit?

Eigentlich kennen wir es von uns selbst: Wenn wir müde sind, wollen wir gerne schlafen gehen und uns nicht noch einmal ins Bad schleppen, um unser Abendpflegeritual abzuspulen. Wir machen es letztlich (meistens) doch, weil wir ganz rational die Folgen absehen können. Unsere Kleinkinder können das noch nicht. Es fällt ihnen schwer, gegen ihre aktuellen Impulse vorzugehen.

Bei unseren Kindern können wir auf ihre Signale achten, ob sie gerade bereit sind für Pflegesituationen. Bei Babys können wir recht gut sehen, ob sie in einem aktiven Wachzustand sind, so dass sie offen sind für das Pflegeritual. Schauen sie neugierig, plappern vielleicht, bewegen sie Arme und Beine entspannt – dann könnte nun ein guter Zeitpunkt sein, um mit einem Zahnbürsten-Fingeraufsatz die ersten Zähen zu putzen, gemeinsam zu baden, die Windeln entspannt zu wechseln oder eine Bauchmassage zu machen. Ist das Baby hingegen müde, wendet sich ab, blickt in eine andere Richtung, ist nun gerad kein guter Zeitpunkt, denn es braucht Ruhe und ein weiterer Reiz führt sehr wahrscheinlich zu einer Überreizung und damit zum Weinen.

Beim größeren Kind können wir auch die Signale im Blick behalten: Ist es gerade ins Spiel vertieft und spielt hingebungsvoll, wird es für unser Argument, dass dringend die Windel gewechselt werden muss, schwer zugänglich sein. Hilfreich kann es dann sein, entweder selbst eine Pause im Spiel abzuwarten, oder dem Kind schon vorab zu sagen, dass die Windel gewechselt wird, wenn es die Tätigkeit beendet hat.

Der richtige Zeitpunkt im Tageslauf

Neben dem individuell passenden Zeitpunkt ist es auch wichtig, darauf zu achten, ob das Kind generell noch kooperationsfähig ist oder die Kooperationsfähigkeit bereits erschwert oder gar aufgebraucht ist. Hat das Kind einen anstrengenden Tag hinter sich und hat bereits an vielen Stellen kooperiert, sollten unsere Erwartungen nicht mehr zu hoch sein. Schließlich sind Kinder keine Erwachsenen und können nicht mal eben “die Zähne zusammenbeißen”. Auch gegen Abend ist die Kooperationsbereitschaft oft weniger ausgeprägt, wenn das Kind müde wird. Einem übermüdeten Kind die Zähne putzen zu wollen, ist anstrengend: Es möchte nicht mehr mitmachen. Hier lohnt es sich, die zeitliche Planung der Abläufe noch einmal in den Blick zu nehmen: Vielleicht kann das Kind schon im Schlafanzug am Abendessentisch sitzen, damit dieser weitere Ablaufschritt wegfällt und die Situation entzerrt werden kann.

Die Mitwirkung des Kindes

Wenn das Kind von sich aus nicht motiviert ist, eine Pflegesituation mitzumachen, kann die Mitwirkung dies noch einmal ändern: Unsere Kinder lernen beständig und wollen ihre Kompetenzen fortwährend ausbauen. Häufig ist dieses “selber machen” ein Konfliktfeld in der Autonomiephase, denn unsere Kinder wollen die Handlungen des Alltags selber erledigen, wollen dadurch ihre Fertigkeiten verbessern, treffen aber auf uns Erwachsene, die dafür gerade keine Zeit oder Geduld haben und es als Erwachsene oft schneller und gründlicher erledigen können. Mitwirkung ist daher oft ein guter Baustein für Pflegesituationen: beim Wickeln kann das Kind mit einem Lappen sich selber abwischen, beim Zähneputzen selber nachputzen, beim Haarewaschen kann es das Shampoo in die Hand des waschenden Erwachsenen geben. In jeder Pflegesituation können Kinder eingebunden werden und selber aktiv werden, statt die Pflege passiv über sich ergehen lassen zu müssen. Schauen wir also genau hin, an welcher Stelle das wo möglich ist.

Wenn nichts davon hilft

Manchmal klappt auch einfach nichts davon: Das Kind ist einfach zu müde, der passende Zeitpunkt verpasst und es lässt sich einfach nicht mehr durch Teilhabe und selbst durch lustige Apps, ein ablenkendes Video oder anderes nicht mehr überreden, noch zu kooperieren oder zumindest der Pflege einfach zuzustimmen. An dieser Stelle können wir kurz innehalten und überlegen: Ist das jetzt wirklich wichtig? Müssen heute noch die Füße gewaschen werden, auch wenn das Kind dabei weinen würde? Müssen heute noch die Zähne geputzt werden oder können wir heute eine Ausnahme machen und es morgen früher und anders machen? Kinder mit Gewalt zu Pflegesituationen zu zwingen, ist nicht gut für sie, ihr Selbstbild und unsere Beziehung. Sie sollten nicht festgehalten werden, damit die Zähne geputzt werden und auch nicht unter Tränen gewaschen oder mit einem Unterarm auf dem Wickeltisch fixiert werden, damit ihre Windel gewechselt werden kann. Wenn wir in solche Situationen kommen, in denen wir ernsthaft über diese Grenzüberschreitungen nachdenken, ist der Zeitpunkt gekommen, kurz zurückzutreten und die Situation in Ruhe noch einmal von Außen anzusehen und Alternativen zu suchen. Setzen wir auf Kooperation und Kreativität.

Eure

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Susanne Mierau ist u.a. Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik)Familienbegleiterin und Mutter von 3 Kindern. 2012 hat sie “Geborgen Wachsen” ins Leben gerufen, das seither zu einem der größten deutschsprachigen Magazine über bindungsorientierte Elternschaft gewachsen ist. Sie ist Autorin diverser Elternratgeber, spricht auf Konferenzen und Tagungen, arbeitet in der Elternberatung und bildet Fachpersonal in Hinblick auf bindungsorientierte Elternberatung mit verschiedenen Schwerpunkten weiter.  

Libellen aus Ahornsamen basteln

Ahornsamen sind Kindheitserinnerungen. Meine Kinder kleben sich die geöffneten, klebrigen Samen heute genauso auf die Nase wie ich damals als Kind. Aber sie sind nicht nur zum Aufkleben ein schönes Naturspielzeug, sondern können auch zu kleinen Ahornfeen verbastelt werden wie hier oder zu Libellen, wie sie in diesem Jahr unseren Jahreszeitentisch schmücken.

Für die Libellen braucht Ihr:

  • Ahornsamen
  • Wasserfarbe und Pinsel
  • etwas Draht
  • einen dünnen Stock
  • nach Möglichkeit: zwei kleine Holzperlen für die Augen

Die Ahornsamen können auch schon von kleinen Kindern mit Farbe und Pinsel angemalt werden, für die Befestigung am Stock braucht es allerdings etwas Fingerspitzengefühl: Der Draht verläuft über Kreuz über die Flügel, so dass diese sicher am Stock befestigt werden können. Zwei kleine Holzperlen können ebenfalls auf dem Draht aufgefedelt und dann als Augen festgebunden werden. Aufgehangen können die Libellen im Wind am Fenster fliegen oder auf dem Jahreszeitentisch sitzen.

Viel Spaß beim Basteln!
Eure

Elementare Erfahrungen der Kindheit

Tief wühlen sich die kleinen Hände in den Schlamm, holen ihn hervor und lassen ihn langsam durch die Finger herunter tropfen. Hose, Arme und Gesicht sind mit kleinen braunen Spritzern übersäht. Aber all das ist gerade jetzt nicht wichtig, das Kind erkundet die Beschaffenheit der Erde, gräbt immer wieder die Hände in den Matsch und holt sie hervor. An einem anderen Tag wollen die Schuhe nicht getragen werden, denn die Füße wollen das Gras spüren, den Sand und das Kind selbst etwas schimpfend über die spitzen Steine hüpfen. Lange kann Wasser von einem Gefäß ins nächste gefüllt werden – hin und her und wieder zurück. All das sind elementare Erlebnisse.

Aber mehr noch: Zu den elementaren Erlebnissen zählt nicht nur all das fühlen, riechen und/oder sehen, es zählt auch die Anteilnahme am Alltag, an den wirklichen Tätigkeiten des Alltags: am schneiden, kochen, sauber machen. Unsere Kinder wollen dieses Leben, ihre Umwelt, uns Menschen kennen und verstehen lernen. Und für dieses Verständnis und den daraus resultierenden Respekt und sorgsamen Umgang brauchen sie die Möglichkeit, elementare Erfahrungen zu machen.

Kinder wollen dabei sein!

Viele Eltern haben am Anfang des Elternseins die Vorstellung, sie würden den Kindern ein schönes Kinderzimmer gestalten, in dem die Kinder fortan gemütlich spielen würden mit all den wunderbaren Spielzeugen. Irgendwann stellen sie dann umso entzauberter fest: Das ist ja gar nicht so! Das Kind bleibt gar nicht im Kinderzimmer! Es kommt ja ständig zu mir und möchte mitmachen bei allem und dabei sein!

Kinder sind soziale Lebewesen, sie wollen mit anderen Menschen zusammen sein und dabei lernen. Sie wollen sich austauschen und vor allem wollen sie eins: Teil der Gesellschaft sein und einen Platz darin einnehmen. Sie freuen sich darüber, wenn sie beteiligt sind, wenn sie vielleicht sogar etwas tun können, dessen Wert sie erkennen: Die Gurke für den Salat schneiden, das Waschbecken sauber putzen,… Über all diese für uns so banalen Tätigkeiten freuen sich Kinder.

Nehmen wir ihnen nicht Teilhabe und Möglichkeiten

Ja, wir Erwachsene können Dinge schneller, geschickter, ordentlicher regeln als Kinder. Wir machen es in unseren Augen “besser”. Aber Kinder werden nicht gut in etwas, wenn sie dazu keine Chance haben. Sie müssen viele Male das Wasser daneben schütten bis sie gelernt haben, sich ein Glas ohne kleckern selbst einzugießen. Und so ist es bei vielen verschiedenen Dingen unseres Alltags. Kinder wollen mitmachen und sie haben daran sogar oft eine viel größere Freude als an den Spielsachen, die in ihrem Kinderzimmer liegen und direkt zum Spielen gedacht sind.

Wir sollten unseren Kindern nicht die Freude nehmen am Helfen, am Unterstützen, an der Teilhabe an unserem Alltag. Sie zu beteiligen bedeutet, sie hinein wachsen zu lassen und ihnen auch Aufgaben zu übertragen, die auch uns unterstützen. In späteren Jahren wünschen wir, dass Kinder einkaufen und den Müll runter bringen ohne Murren. Die Grundlagen dafür bilden wir schon im Kleinkindalter aus, wenn sie lernen, dass diese Aufgaben natürlicherweise in das Familiensystem gehören und alle Familienmitglieder nach ihren Möglichkeiten dabei mitwirken.

Wenn wir Kinder in ihren Unterstützungsangeboten ablehnen, bieten sie Kooperation zunehmend weniger an aufgrund dieser Zurückweisung. Dabei ist es eigentlich ein wunderbar soziales und unterstützendes Verhalten, das wir nicht mindern sollten. Sehen wir hin und überlegen wir, was unser Kind da wirklich gerade tut, wenn es mitmachen will. Gehen wir von dem positivsten Gedanken aus, der uns einfällt, anstatt negativ zu denken, dass das Kind nun wieder gleich Unsinn/Unordnung/Müll macht.

Kleine Kinder einbinden – So kann es beispielsweise gehen:

  • Geschirrspüler aus- und einräumen
  • Socken zusammensuchen aus der Wäsche
  • Obst und Gemüse mit Kindermesser schneiden
  • Wasser in einem kleinen Krug anbieten, damit das Kind selber eingießen kann
  • Brote selber schmieren lassen mit kleinem Buttermesser
  • Putzen, Staubsaugen, Wischen
  • Aufkehren mit Handfeger und Kehrblech

Auch Medien gehören heute zu elementaren Erfahrungsbereichen

Es gibt viele Möglichkeiten, damit Kinder beteiligt sein können. Auf diese Weise können sie die elementaren Erfahrungen unseres Leben machen, die grundlegenden Fertigkeiten erlernen. Sie brauchen sowohl die Möglichkeit, mit Materialien und allen Sinnen umzugehen, als auch die Möglichkeit, kooperieren zu dürfen und sich aktiv in unseren Alltag einzubringen. Dies betrifft nicht nur all die Dinge, die wir aus unserer eigenen Kindheit vielleicht noch kennen, sondern auch den Umgang mit Medien, denn auch diese gehören heute zum Alltag und der Umgang damit wird auch in der Zukunft eine Rolle spielen. Neben all dem Matschen, Basteln, Klettern und der Kooperation in unseren Alltagsaufgaben können wir unseren Kindern deswegen auch dort einen Erfahrungsraum geben, der genauso spielerisch, lustvoll und kreativ genutzt werden kann wie all die anderen Erfahrungsbereiche.

Eure

Unser Schlüssel zur Geborgenheit beim Auswandern

Von unseren ersten Jahren als Familie in Indien habe ich hier schon öfter erzählt. Seit ein paar Wochen sind wir dabei, uns wieder in Deutschland einzuleben. Nach so langer Zeit in einer so anderen Kultur ist uns auch Deutschland ein Stück fremd geworden. Für unsere Tochter ist Deutschland wirklich neu. Sie empfindet Indien als ihr Zuhause, mit ihren Freunden, der vertrauten Umgebung, dem Essen und allem anderen, was eine Kultur ausmacht. Für mich hingegen war Indien wirklich vollkommen fremd. Ich stand vor der Herausforderung: Wie kann man inmitten von all dem Neuen und Anderen Geborgenheit finden mit einem Baby oder Kleinkind? Geborgenheit, schreibt Susanne immer wieder, sieht für jede Familie anders aus. In diesem Artikel möchte ich ein paar unserer Schlüssel für Geborgenheit teilen.

Körperkontakt

Berührung und Kontakt helfen uns, uns als Familie zu spüren, auch wenn die äußeren Umstände sich verändern. In Zeiten von Übergang und Veränderung hilft uns Tragen, Umarmen, Kuscheln. Gerade auch, wenn wir auf Reisen waren, haben wir unsere Tochter oft getragen und waren wir so sicher, das Wichtigste nahe bei uns zu haben. So war unsere Tochter auch jederzeit geschützt. Auch wenn ich gerade überfordert, getriggert oder gestresst war von all dem Fremden, half es mir, in einer Umarmung zu sein, so dass sich mein Nervensystem wieder beruhigen und entspannen konnte. Und jetzt in diesen Wochen wird wieder viel getragen, denn wir Eltern sind im Moment das Einzige, was von der vorherigen vertrauten Welt für unsere Tochter noch geblieben ist. 

Verlangsamung

Ich habe in der Zeit in Indien unglaublich viel „verpasst“. Ich habe nicht einmal das Taj Mahal gesehen. Weil ich andere Prioritäten gesetzt habe. Es war mir sehr wichtig, einen stressarmen Familienalltag zu gestalten und Zeit zu haben. Dazu gehört für mich die Möglichkeit verlangsamen zu können, für einzelne Momente, aber auch für Stunden oder Tage oder Wochen. Die Verlangsamung ermöglicht mir, im Kontakt mit mir zu bleiben, mit meiner Tochter, mit meinem Mann. Oder diesen Kontakt wieder herzustellen. Manche Erfahrungen in Indien lösten eine solche Dichte an Empfindungen in mir aus, die ich sonst gar nicht hätte aufnehmen können. Die Verlangsamung ermöglicht mir, Gefühle und Empfindungen zu durchleben und dann auch wieder gehen zu lassen. So konnten wir diese ersten Jahre als Familie in ziemlich großer Langsamkeit gestalten. Das finde ich auch jetzt sehr wertvoll, wo in Deutschland wieder ein anderer Beat vorherrscht. Langsamkeit bedeutete, mehr vor Ort zu sein, weniger zu unternehmen. Dafür aber Zeit zu haben für Beziehung. 

Das Hüten der eigenen Kultur

Neben all dem Abenteuer eines Lebens in Indien war es wichtig, auch die Rituale und Gewohnheiten der eigenen Kultur für uns zu bewahren und Räume zu schaffen, wo sie weiter gelebt werden können. Neben dem Zuhause gehörten für uns dazu vertrautes Essen wie Brot oder auch das Feiern von Festen wie Weihnachten oder Ostern. Wunderschön ist, dass man dieses Würdigen des Eigenen mit den Menschen vor Ort teilen kann: Wir haben oft unsere Nachbarsfamilie eingeladen und konnten sehen, wie bereichernd es für die Kinder ist, zu erleben, dass es bei uns ganz anders zugeht. Dass man bei uns mit Besteck isst und alle gemeinsame am Tisch sitzen zum Beispiel, oder dass man an Ostern Eier anmalt und sucht. Ich brachte den Nachbarn selbstgebackenes Brot und Apfelkuchen und dafür bekamen wir Chapati und Parata. Das Bewahren und Teilen des Eigenen baut Brücken und verbindet. Diese Verbundenheit in aller Verschiedenheit ist etwas sehr Kostbares. Jede und jeder darf anders sein. Trotzdem sind wir zusammen und verbunden. 

All dies hilft uns jetzt übrigens auch beim Einleben in Deutschland. Nur dass es nun darum geht, auch etwas von dem Leben in Indien in unserem Herzen und Alltag zu bewahren. Gerade auch für unsere Tochter, für die Indien das erste Zuhause war.  

Anka Falk hat einen Magister in Rhetorik und Pädagogik und ist Körperpsychotherapeutin, Coach und Dozentin. Von 2007-2017 arbeitete sie in Lehre und Forschung an einem experimentellen Design Institut in der Schweiz. Sie ist im Alter von 37 Jahren mit ihrem Mann nach Indien gegangen. Ihr Kind hat sie in Deutschland geboren, ist dann aber zurück gegangen nach Indien und berichtet von ihrem Alltag dort. Zudem bloggt sie auf ljuno.de und gibt einen Einblick in ihr Alltagsleben in Indien hier auf Instagram 

Wir sind für dich da

Als Baby lagst du in unseren Armen, wurdest getragen. Wir sind zu dir gekommen bei jedem Schrei, bei jedem Weinen – und es waren viele. Kein Weinen musste allein durchlebt werden. Es wurde begleitet, manchmal über Stunden. In der Kleinkindzeit haben wir die Höhen und Tiefen gemeinsam gemeistert: Zusammen gelacht, zusammen die Wut durchgestanden. Wunden angepustet, Hände gehalten, Tränen getrocknet. Wir haben gemeinsam die Stunden durchgestanden, in denen der beste Freund “Du bist nicht mehr mein Freund” war – und mitgefiebert bei aufregenden Geschichten. Wir haben zusammen Abschiede gemeistert und neue Wege beschritten. Nicht immer einfach, nicht immer ohne Anstrengungen und auch nicht immer ohne Elterntränen. Aber immer wieder mit Liebe.

So bist du größer geworden, jeden Tag. Du bist aus dem Familienbett ausgezogen, hast an anderen Orten übernachtet. An vielen Stellen bist du über dich selbst hinaus gewachsen, immer wieder. Und wir waren da. Manchmal an deiner Hand, manchmal an deiner Seite. Manchmal irgendwo im Hintergrund. Immer ein Ort, an den du zurück kommen kannst. Immer der Ort, an dem sicher alle Gefühle ihren Raum bekommen. An dem du sein kannst, wer du bist. Nicht, wer du sein solltest oder könntest. Manchmal ein lachendes Kind, manchmal weinend, manchmal zornig, manchmal still und dann wieder laut.

Du hast erfahren: Es gibt diesen einen Ort, an dem du angenommen wirst wie du bist. Dieser Ort ist kein Haus, kein Raum, es sind wir, deine Eltern. Mit jeder Geschichte, hast du gelernt, kannst du zu uns kommen. Mit jedem Kummer, mit jedem Unsinn. Wir haben gemeinsam Lösungen für Probleme gesucht, haben – nicht selten – die Augenbrauen hochgezogen und tief durchgeatmet, bevor wie geantwortet haben. Wir haben als Eltern manchmal zusammen gesessen und uns aneinander gelehnt, um uns gegenseitig aufrecht zu halten. Und wir haben heimlich gelacht über die Streiche, bei denen wir eigentlich ernst sein sollten.

Dieser Ort des Vertrauens geht nicht verloren. Die Themen ändern sich, die Probleme bekommen so manches Mal eine gewisse Schwere. Die Sachen, die “angestellt werden” sind bedeutender als der fehlende Keks aus dem Weihnachtsvorrat. Aber was auch immer es ist, sind wir erst einmal da. Hören zu, atmen, nicken. Wir sind der Ort, an dem die Geschichten des Lebens erzählt werden können. Der Ort des Vertrauens, an dem dies möglich ist.

Wenn ich Familien eines wünsche, dann ist es dies: Dass das Gefühl dafür, da zu sein, bestehen bleibt. Auch nach der Babyzeit, auch nach der Kleinkindzeit. Seid die sicheren Orte, zu denen getragen werden kann, was belastet – ohne Furcht vor Strafen. Seid die Menschen, mit denen Lösungen gesucht werden anstatt die zu sein, vor denen Probleme versteckt werden. Seid der Ort, der signalisiert: Ich bin für Dich da, egal was ist.

Eure

Zur Autorin:
Susanne Mierau ist Diplom-Pädagogin (Schwerpunkt Kleinkindpädagogik) und Familienbegleiterin. Sie arbeitete an der FU Berlin in Forschung und Lehre, bevor sie sich 2011 im Bereich bedürfnisorientierte Elternberatung selbständig machte. Ihr 2012 gegründetes Blog geborgen-wachsen.de und ihre Social Media Kanäle sind wichtige und viel genutzte freie Informationsportale für bedürfnisorientierte Elternschaft und kindliche Entwicklung. Susanne Mierau gibt Workshops für Eltern und Fachpersonal und spricht auf Konferenzen und Tagungen über kindliche Entwicklung, Elternschaft und Familienrollen.

Foto: Ronja Jung für geborgen-wachsen.de

Erst drei Jahre alt – erwarten wir nicht zu viel von ihnen

An manchen Tagen fällt es mir schwer, mich in mein Kind hinein zu versetzen: Warum kann er denn jetzt nicht…? Warum macht er denn jetzt nicht…? Oder warum macht er denn ausgerechnet…? Schließlich erscheint mein Kind nun, mit mehr als 3 Jahren, schon so groß: Es kann sich sprachlich schon so gewandt ausdrücken, es kann laufen, klettern, balancieren. Es kann Knoten machen und Knöpfe schließen. Mit einem Messer schneidet es Gurke und schiebt sich einen kleinen Stuhl an den Schrank, um sich selbst eine Maisscheibe aus dem Regal zu holen. Aber wenn ein Geschwisterkind ein Spielzeug nicht hergeben mag, das Essen auf dem Teller scheinbar falsch ist oder der Pullover sich einfach nicht allein anziehen lässt, wird es so wütend, dass es laut schreit und für Worte nicht erreichbar ist.

Lass Dich von Fähigkeiten nicht verunsichern

Mit drei Jahren können unsere Kinder schon sehr viel. Sie haben viele Fertigkeiten gelernt, die sie im Alltag mit uns benötigen. Ihre Grobmotorik hat sich nach und nach ausgebaut und ebenso die Feinmotorik. Sie können schon ziemlich gut sprechen und manchmal sogar diskutieren. Aber all diese Fähigkeiten dürfen uns nicht darüber hinweg täuschen, dass sie eigentlich noch ziemlich klein sind: Nicht schon drei Jahre, sondern erst drei Jahre. Und mit drei Jahren sind zwar viele Fähigkeiten schon ausgebildet, aber unsere Kinder denken dennoch anders.

Auch wenn Kinder von Anfang an Teil der Gesellschaft sein wollen und kooperieren, sind ihre Fähigkeiten zur Kooperation noch begrenzt: Manchmal sind sie einfach ausgeschöpft nach einem langen Tag und das Kind kann einfach nicht noch mehr Kompromisse eingehen, sich noch ein weiteres Mal “zusammenreißen” oder Bedürfnisse aufschieben. All das ist normal in diesem Alter.

Auch wenn unsere Kinder schon so tolle Dinge machen und sagen, denken sie dennoch im Alter von drei Jahren anders als wir und die Verarbeitung von Gefühlen im Gehirn verläuft noch ganz anders: Wir Erwachsenen ordnen unsere Gefühle ein, können abwägen und rational überlegen. Im Kleinkindalter ist dies noch nicht möglich, weil die zuständige Verarbeitsungsstelle, der Neocortex, noch nicht dazu in der Lage ist: Das Kind regaiert impulsiv, instinktiv, reflexhaft. Und dies ist aus Sicht des Kindes durchaus sinnvoll, weil es auch nicht besonders viele Situationen im Laufe des Lebens kennen gelernt hat und keinen Vorrat an vergleichbaren Situationen hat. Es reagiert so, wie es aus dieser Entwicklung heraus sinnvoll ist. Und durch unsere Begleitung lernt es nach und nach, anders zu handeln. – Das dauert allerdings einige Jahre .

Denk daran, was Dein Kind sonst so denkt und sagt

Mit drei Jahren sagen und tun sie so viel. Aber auf der anderen Seite ist die Welt auch noch voller Wunder und Möglichkeiten: Hasen, die sprechen können. Die Existenz von Feen, Kobolden, Weihnachtsmann und Osterhase wird noch nicht per se in Zweifel gezogen. Die Welt ist noch magisch, noch voller möglicher Wunder und nicht rein rational erklärbar. Die Dinge haben noch ihren unerklärlichen Zauber. Auch so sieht die Welt eines dreijährigen Kindes aus: Voller Geschichten, die möglich sein könnten. Unsichtbare Freunde und Spielgefährten. Denken wir auch an diese Gedanken und Erlebnisse mit einem dreijährigen Kind, bevor wir denken, es müsste doch endlich schon verstehen, dass…

Eure