Geburtsbegleiter*innen werden wichtiger denn je

Als ich vor sechs Jahren meine letzten Geburtsvorbereitungskurse im Geburtshaus gab, wollten viele Frauen dort gebären. Es war klar, dass sie dort in guter Umgebung, begleitet von ihren jeweiligen Hebammen gebären würden. Auch die anderen Frauen hatten damals Hebammen an ihrer Seite. Dieses Geburtshaus gibt es mittlerweile nicht mehr – wie viele andere auch nicht mehr. Geburten sehen heute anders aus: weniger begleitet, weniger sicher ist der Geburtsort, wenn Kreißsäle überfüllt sind. Oft höre ich von Frauen, dass sie weder für die Geburt eine Beleghebamme finden, noch eine Hebamme für die Vorsorge in der Schwangerschaft oder die Betreuung im Wochenbett. Das Problem der überfüllten Kreißsäle habe ich schon selbst bei der Geburt meines letzten Kindes erlebt, obwohl die Situation damals nur ein Vorbote des Problems war. Geburten haben sich verändert und damit die Anforderungen an die Rahmenbedingungen, die wir ändern müssen.

Die Bedeutung der Hebammenhilfe

Hebammen sind die Fachfrauen zur Begleitung von Geburten. Sie sind in ihrer Arbeit nicht zu ersetzen und es ist äußerst problematisch, dass durch die hohen Versicherungskosten und die schlechte Bezahlung und die Einschränkungen ihrer Tätigkeiten dieser Berufsstand weiter bedroht wird. Es ist wichtig, dass wir uns alle für den Erhalt der Hebammen einsetzen. Gleichzeitig müssen aber auch die Frauen, die aktuell durch die Unterversorgung von Hebammenarbeit betroffen sind, bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sie trotz des Mangels gute Geburten erleben können.

Ausnahmesituation: erste Geburt

Jede Geburt ist besonders, jede Geburt kann unterschiedlich sein, sich unterschiedlich anfühlen, unterschiedlich verlaufen. Jede einzelne Geburt ist individuell. Und doch sind oft die ersten Geburten ganz besondere Situationen, weil Geburt zum allerersten Mal erlebt wird. Geburten finden heute hinter verschlossenen Türen statt, fernab von anderen Frauen. Wer das erste Mal ein Kind gebiert, ist damit oft zum ersten Mal bei einer Geburt anwesend und hat zuvor keine gebärende Frau erlebt, gehört, begleitet. Auch wenn wir Kurse zur Vorbereitung besuchen, wenn wir Videos auf YouTube ansehen, wenn wir Fotos in Büchern sehen: So richtig vorbereitet auf das, was kommt, sind wenige Frauen. Die Wucht der Gefühle, des Geburtsschmerzes, der Anforderungen ist oft neu. Wir wissen dann, wie Geburt ist, wenn wir sie miterleben. Und was auch wichtig ist: Weil wir wissen, wie es sich für uns anfühlt und was für uns gut und richtig war, wissen wir es nicht für alle anderen.

Gerade dann, in dieser besonderen Zeit der ersten Geburt ist es wichtig, von Menschen begleitet zu werden, die diese Gefühle auffangen können. Menschen, die uns versichern: Das ist normal, Du machst das gut! Menschen, auf die wir uns verlassen können, dessen Einschätzung wir vertrauen, weil sie erfahren sind. Das sind Hebammen.

Und auch bei der zweiten, dritten, vierten… Geburt ist es gut, einen solchen Menschen bei sich haben, der die Unterschiedlichkeit auffängt und uns immer wieder verdeutlicht: alles ist gut. Und wenn es doch eine Komplikation gibt, kann dieser Mensch damit umgehen und sie sicher begleiten.

Wenn es an Hebammenbegleitung mangelt: Unterstützung durch andere

Durch die veränderten Rahmenbedingungen fehlen vielen Frauen nun aber genau diese Begleiterinnen durch die Geburt. Sie erleben sich als allein, als hilflos, als verlassen in einer ganz besonderen Situation in ihrem Leben. Die Rahmenbedingungen in vielen Kliniken sind so schlecht, dass die dort arbeitenden Hebammen nicht alle Frauen gleichzeitig so begleiten können, wie sie es individuell benötigen. Schuld daran trägt aber nicht das Personal. So kommt es, dass gerade am Anfang der Geburt Frauen und Paare über viele Stunden allein gelassen oder gleich wieder allein nach Hause geschickt werden, um zu einem späteren Zeitpunkt zurück zu kehren. Manche bekommen ihre Kinde rin Autos, auf dem Parkplatz, ungeplant zu Hause.

Unser Aprilscherz “Die Autogeburt” wurde viel geteilt und kommentiert, aber eigentlich ist er kein wirklicher Scherz, sondern nur die Zuspitzung der aktuellen Situation: Die ungeplante Alleingeburt bzw. Geburt an einem nicht ausgewählten Geburtsort ohne Fachperson an der Seite ist keine bloße Dystopie mehr, sie ist für einige Frauen bereits Realität geworden. Während an einigen Stellen die geschlossenen Kreißsäle zu mehr Hausgeburten führen, sind an anderen Stellen Frauen ängstlich und bieten Geld, um doch noch eine Hebamme zu finden. Tatsache aber ist: An zahlreichen Orten gibt es eine Unterversorgung und viele Frauen finden keine Hebammen.

Unter der Geburt brauchen wir jedoch andere, die uns stützen, die uns helfen, die uns begleiten. Zwar kann ein Partner/eine Partnerin, eine Freundin, eine Mutter keine Hebamme ersetzen in ihren Tätigkeiten, aber liebevolle Menschen an unserer Seite können uns ein gutes Gefühl geben, Sicherheit und Geborgenheit. Sie können da sein, umsorgen, streicheln, Tee bringen, Essen anbieten. Sie können den Rücken massieren oder unsere Lieblingsmusik auflegen. Sie können an einem Ort, an dem wir gebären, an dem durch Personalmangel nicht genug Menschen zur Versorgung bereit stehen, –unterstützen.

Geburtsbegleitung durch andere: So können Freundinnen und Familie helfen

Viele Mütter beschreiben, wie die Elternschaft sie einsam gemacht hat. Doch gerade als Familie brauchen wir ein Netzwerk, wir brauchen andere. Nicht nur für praktische Arbeiten, sondern auch als emotionale Stütze. Und dies beginnt nicht erst in der Babyzeit, nicht im Wochenbett, sondern schon vorher.

Neben Hebammen gibt es Doulas, die Geburten begleiten und Frauen und Paare unterstützen. Sie sind nicht für die medizinische Versorgung zuständig, sondern geburtserfahrene Frauen, die sich um die emotionale Unterstützung kümmern und um das, was sonst noch wichtig und hilfreich ist. Eine Studie aus dem Jahr 1995 (Klaus/Kennel/Klaus) gibt an, dass durch eine solche Begleitung die Geburtsdauer verkürzt werden kann und weniger medizinische Interventionen notwendig sind. Doch auch das kostenpflichtige Doula Angebot ist nicht überall verfügbar oder bezahlbar.

Wer dennoch nicht auf Unterstützung verzichten möchte, kann auch andere Bezugspersonen um Teilnahme bitten. Noch ist uns der Gedanke vielleicht fremd, weil wir eine andere Gebärkultur entwickelt haben in den vergangenen Jahren. Aber auch geburtserfahrene Freundinnen, Schwester, Mutter, Partner können begleiten, wenn die Gebärende diesen Gedanken als angenehm empfindet. Für die Geburt im Krankenhaus ist eine solche Begleitung sinnvoll, besonders bei manchmal langen Eröffnungsphasen. So lastet auch nicht die ganze Begleitung auf den Schultern des heute oft begleitenden Partners und es ist möglich, sich in der Begleitung abzuwechseln und zwischendurch Kraft zu tanken. Zu Hause kann eine Freundin sich um die Kinder kümmern, kann Tee kochen, Essen vorbereiten, Musik anmachen, kann mit Wehen ertönen und lachen und einfach da sein. Geburt kann auch wie ein Fest sein. Wichtig dabei ist: Menschen, die uns zu Geburten begleiten, sollten selbst eine positive Einstellung zur Geburt haben und nicht unter Ängsten leiden. Michel Oden (2011) berichtet, dass die Angst unter der Geburt ansteckend ist: Haben Menschen in der Umgebung einer Gebärenden einen hohen Adrenalinspiegel, reagiert sie ebenfalls mit einem Anstieg des Adrenalins. 

Geburtsvorbereitung heute

Wenn ich heute einen Geburtsvorbereitungskurs geben würde, wäre er anders als vor 6 Jahren. Die neuen Rahmenbedingungen müssen auch in die Vorbereitung von Frauen einfließen und wir brauchen neue Konzepte, um Frauen unter den schlechten Bedingungen gute Geburten zu ermöglichen. Das bedeutet nicht, den Kampf um eine politische und rechtliche Verbesserung der Lage aufzugeben. Es bedeutet aber, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur für unsere Rechte und Bedürfnisse demonstrieren müssen, sondern auch Möglichkeiten schaffen müssen, um den Frauen, die jetzt schwanger sind und gebären, Hilfe und Unterstützung anzubieten. Ein Ansatzpunkt dafür wäre, Familie und/oder geburtserfahrene Freundinnen wieder mehr in Geburten einzubeziehen, einen “Geburten-Clan” zu schaffen, der zumindest die emotionale Versorgung übernimmt unter der Geburt und gerade nicht das Gefühl aufkommen lässt, allein und ausgeliefert zu sein. Darauf sollten wir heute Gebärende vorbereiten: Schafft Euch Eure geburtsfreundliche Situation.

Eure

 

7 Kommentare

  1. Hallo Susanne,
    ich bin immer wieder darüber verwundert, wie wenig Frauen es sich zutrauen eine natürliche Geburt zu erleben, geschweige denn die Schmerzmittel auszuschließen sowie den Wunsch einfach nur zu gebären anstelle entbunden zu werden.
    Ich hatte im Januar 2017 meine erste Geburt erlebt – eine geplante Hausgeburt, die eine unkomplizierte Blitzgeburt gewesen ist, gerade noch so, dass es meine Hebamme 30 min. vor der Geburt eingetroffen ist.
    Mich macht es sehr traurig, das viele Frauen um so ein eindrucksvolles und schönes Erlebnis gebracht werden. Weshalb werden Geburten so dramatisch, blutig, traumatisch dargestellt? Sei es als Film, in der Politik, von den Ärzten den Medien und anderen Kanälen. Das wirtschaftliche Interesse an Geburten ist erschaudernd. Kaum eine Frau aus meiner Umgebung hatte eine natürliche Geburt, obwohl dies der Plan war. Die wenigsten wissen, dass man einen Geburtsplan haben sollte um selbstbestimmt
    zu bleiben bei der Geburt und noch wenigere Frauen setzten sich wirklich damit auseinander wie Sie gebären wollen bzw. was Sie sich von einer Geburt wünschen.
    Es fehlt absolute Aufklärung und Ermutigung.
    Ich hatte das Glück, das ich weder Krankenhäuser mag noch ein großer Fan bin von Ärzten bzw. mir das Verzrsuen fehlt. Ich fand das Wort entbunden zu werden schon schlimm oder wie ein Käfer auf dem Rücken eine Geburt zu erleben. All das kam für mich nich in Frage. Ich hatte das Vertrauen, das man als Frau sehr wohl eine Geburt alleine gut hinkriegt. Selbsbestimmt mit einer positiven Einstellung, ohne Angst mit Yoga einer gesunden Ernährung und einer netten Hebamme wie einem tollen Partner der einen unterstützt. Wie schön wäre es, wenn alle Frauen dieses Erlebnis haben könnten.
    Wir waren als Familie sofort vereint in einem intimen Umfeld ohne Störung von Ärzten, Personal, anderen Gästen und Patienten etc.
    Unserem Baby hat es auch gut getan, es war sofort bei uns auf dem Arm und ist dort geblieben, die Nabelschnur konnte auspulsieren und danach sind wir eingekuschelt eingeschlafen. Unser Louis ruht in sich und hat zu 1000% davon profitiert. Wir Alle! Auch der Geburtschmerz hielt sich in Grenzen.

    • Katarina

      Das ist ja sehr schön und ganz toll für dich, aber du vergisst, dass es oft wichtige Indikationen für einen Kaiserschnitt gibt. Unser Sohn hat 5 kg gewogen und einen KU von 38,5 cm gehabt. Es wäre viel zu riskant gewesen, eine natürliche Geburt anzustreben. Er musste auch auf die Kinderstation, weil er seinen Blutzucker nicht halten konnte (was aber bei sehr großen Kindern zu erwarten ist).Und sorry, aber ich bin nicht so naiv und sage: ach, das wird schon irgendwie, ich setzt mich jetzt ins Wohnzimmer und presse ihn raus, Hauptsache, es ist so schön gemütlich. Was wäre ich für eine Mutter, hätte ich ihn spontan entbunden und ihm wäre etwas passiert? Ich bin dankbar für unsere medizinische Versorgung heutzutage. Mein Eindruck ist, dass spontane Geburten sehr gehypt werden , heutzutage. Es nervt!

    • Katrin Lampe

      Das ist schön, dass es für DICH so geklappt hat – ich persönlich habe mich vor nunmehr 16 und 11 Jahren auch im KH gut und vor allem sicher aufgehoben gefühlt. Ich wäre Zuhause nur ängstlich und unsicher gewesen und das hätte meinen Kindern auch keinen „besseren“ Start ins Leben ermöglicht.
      Es gibt da einfach keine Universallösung, die für alle passt, deshalb ist es wichtig, die Vielfalt mithilfe der Hebammen und anderer Geburtshelfer zu erhalten.
      P.S. Für die Statisik?: beide SS wären als Hausgeburt schwierig bis unmöglich gewesen: meine Große war 14 Tage über Termin und ließ sich selbst nach mehrfacher Einleitung noch 36h Zeit und die zweite SS waren Zwillinge: Nr.1 man den „natürlichen Ausgang“, Nr.2 musste dann wegen Lageänderung und Geburtsstillstand per Kaiserschnitt geholt werden – all das lässt sich nie genau vorhersagen .
      Lg Katrin

  2. Vielen Dank für den wichtigen Artikel (und auch für die coole Buchaktion – meine Hebamme hat’s kurz geglaubt :))

  3. Cerstin Schmidt-Kersten

    Hallo liebe Susanne! Ein ganz toller Artikel,vielen dank dafür.Ein Netzwerk ist bereits im vollen Gange: http://www.muetter-brauchen-muetter.org
    Hier kann nach PLZ eine erfahrene Mutter gesucht werden,oder frau kann sich selbst eintragen.
    Eine Vernetzung ist immer dringender unter den Bedingungen im Außen.
    Ganz liebe Grüße,Cerstin

  4. Liebe Susanne,

    passend zu dem Thema: Erste
    Kreißsäle fangen an, wegen Corona den Partner von der Geburt auszuschließen. Es erschließt sich mir nicht, welchen Wert das haben soll. Bei Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz des Krankenhauspersonals, sollte der Wunsch der Mutter nach Unterstützung durch den Partner im Kreißsaal stattgegeben werden. Wir brauchen die Unterstützung aller in der Petition:
    https://www.openpetition.de/petition/online/besuchsrecht-fuer-werdene-vaeter-elternteile

    Vielleicht kannst diese an prominenter Stelle Posten.

    Vielen Dank und gesunde Grüße,
    Hannes

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