Authentische Elternschaft

In den letzten Tagen stoße ich immer wieder auf das Thema „authentische Elternschaft“: Immer wieder steht die Frage im Raum, was eigentlich authentisch sei und dies gerade bei den Blogs, die gelesen werden: Sind die Geschichten dort wirklich ein Abbild des Lebens der Schreibenden oder sind sie nur Fiktion? 

Jeder auf seine Weise

Authentisch zu sein, bedeutet echt zu sein, unverfälscht, wahr. Wir Menschen bestehen alle aus vielen Facetten, aus vielen Gefühlen und Bedürfnissen. Es macht unser Leben aus, dass wir so bunt leben, dass es Hochs und Tiefs gibt, dass wir lachen und weinen, dass wir glücklich und traurig und wütend sind. Die gesamte Gefühlspalette können wir erleben und genau das ist Leben. Das ist authentisch. Das ist es auch, was wir bei unseren Kindern sehen: Kleine Menschen, die alles ausleben, die manchmal wütend sind und gleich darauf wieder aus vollem Halse lachen können. Freude und Wut liegen manchmal so nah beieinander. Wir als Erwachsene haben gelernt, mit unseren Gefühlen umzugehen. Wir sind oft weniger ungestüm als Kinder und haben vor allem das Verständnis für andere Menschen. Wir können uns in sie hinein versetzen und nachfühlen. Wir können ein Stück weit Situationen aus ihren Augen betrachten. Und ein Stück weit besonnen mit Ereignissen umgehen. Aber eben nur ein Stück weit, denn auch wir sind eben einfach Menschen, die glücklich sind, die traurig sein können, die wütend sind oder fröhlich. Und dass wir all das sind, ist auch gut. Denn Kinder brauchen keine Eltern, die nur lächeln und keine anderen Emotionen zeigen. Kinder lernen das Leben von uns kennen in all seinen Farben. Und sie lernen von uns auch den Umgang mit den verschiedensten Gefühlen: Sie sehen, wie wir uns wieder beruhigen, sie merken, was uns verärgert und wie wir reagieren und was wir tun, wenn wir ausgelassen und fröhlich sind. Wenn wir alle Gefühle zeigen, die wir wahrnehmen, sind wir authentisch. Wir sind echt. Und Kinder brauchen echte Eltern.

Natürlich hat das Echtsein auch Grenzen: Wenn wir nicht gelernt haben, wie wir richtig mit unserer Wut umgehen sollen, können Kinder eben nicht etwas Positives von uns lernen. Authentisch sein bedeutet nicht, sich einfach dem Gefühl hinzugeben und vor Wut dem Kind gegenüber zu toben. Es ist authentisch, das Gefühl zu haben und auszudrücken – aber in einem Rahmen, wie es eben Erwachsene tun, ohne andere Menschen dabei (körperlich oder seelisch) zu verletzen. Wir sind auch dann authentisch, wenn wir unseren Weg so gehen, dass er sanft ist. Und damit ergibt sich ein ganze wichtiger Punkt: Alle Eltern können irgendwie anders authentisch sein. Vielleicht sind die einen lauter, die anderen leiser. Manche sind extrovertiert, andere introvertiert. Nicht nur jedes Kind ist anders und hat seine Zeit, sondern auch wir Eltern. Jeder Elter ist anders und braucht seine Zeit. Nur weil ein Mensch vielleicht anders ist, anders reagiert, ist er nicht weniger authentisch, nicht weniger echt. Er ist eben ein anderer Mensch.

Achtsamkeit und Authentizität

Ich werde oft danach gefragt, ob mein Leben wirklich so ist, wie ich es hier schreibe. Mein Leben besteht aus vielen Facetten: Ich bin Mutter – und das ist der Teil, über den ich hier besonders viel berichte. Ich bin auch Pädagogin und auch das fließt hier zu einem großen Teil ein. Ich bin Partnerin meines Mannes, was auch an der ein oder anderen Stelle eine Rolle spielt. Ich bin Freundin und Nachbarin und und und. Und in all diesen Bereichen fühle ich auch. Mein Leben ist sehr bunt. An vielen Teilen und ganz besonders an meinen Gedanken über Elternschaft lasse ich all die vielen tausend LeserInnen teilhaben. Ich habe vor vier Jahren diesen Blog gestartet, weil ich die Geschichten, die ich bei meiner Arbeit erzählt habe, verschriftlichen und weiter tragen wollte. Mit diesen Geschichten habe ich schon früher Eltern beraten und tue es noch heute. Sie haben sich nicht geändert, wie sich auch meine Sicht auf das Leben mit Kindern nicht geändert hat. Mein Leitstern für mein eigenes Leben mit meiner Familie und das, was ich anderen Eltern ans Herz legen möchte, ist, Kinder geborgen aufwachsen zu lassen und achtsam mit dem Familienleben umzugehen. Das bedeutet, die Welt auch mal durch Kinderaugen zu sehen, sich auf die Gefühle des Kindes einzulassen und auch sich selbst nicht zu vernachlässigen. Achtsamkeit bedeutet für mich, dass ich danach schaue, was in unserem Familiensystem gut und richtig ist und womit sich alle wohl fühlen. Sie entwickelt sich aus der eigenen Geschichte, aus den Erfahrungen, auch aus den Temperamenten und Bedürfnissen der Familienmitglieder. Ich selber hatte keine Kindheit, wie sie hier zu lesen ist. Sie war sogar an sehr vielen Stellen ganz anders. Dennoch (und sicherlich auch deswegen), gehe ich ganz andere Wege. Ich habe beschlossen, anders Familie zu leben und teile es hier. Für uns und mich habe ich herausgefunden, dass dies genau der richtige Weg ist. Ich liebe es, an einem schönen Essenstisch zu sitzen und mache es mir gerne schön. Auch dann, wenn es nur ein kleiner Obstteller ist. Ich bastel gerne mit meinen Kindern und bin gerne in der freien Natur. Ich achte auf ein ökologisch verträgliches Leben, weil mir das persönlich wichtig ist. Ich versuche immer, das Glas halb voll zu sehen und nicht halb leer. Denn selbst dann, wenn es nicht voll ist, ist es wunderbar. Natürlich gibt es Phasen, in denen ich weniger Nerven habe, schlecht gelaunt bin oder zu wenig Schlaf bekomme. Über all das schreibe ich auch hier. Aber selbst dann, wenn es so ist, versuche ich diesen Zeiten etwas Gutes abzugewinnen. Ich sehe auf all das Gute und Schöne, das ich habe und lasse die Dinge, die ich nicht ändern kann (wie zu wenig Schlaf oder Kinder, die nun einmal autonom werden möchten) eben sein, wie sie sind. Egal wie sehr ich mich darüber ärgern würde, kann ich nichts daran ändern. Aber ich kann die Situation so annehmen, wie sie ist und für mich einen guten Weg hindurch suchen. Das bedeutet für mich persönlich Achtsamkeit mit mir.

Wenn ich mich am Abend hinsetze, um über meine Gedanken zu schreiben, dann reflektiere ich genau so mein Leben. Für die persönlichen texte, die ich teile, gibt es keinen Redaktionsplan. Sie kommen aus mir heraus, aus meinen Gedanken über das aktuelle Leben mit meinen Kindern. Ich denke am Abend darüber nach, wie der Tag war, was wir erfahren haben, wie ich mich gefühlt habe und wie es den Kindern ging. Ich schreibe hier nicht darüber, was ich blöd finde, was meine Kinder schlimmes angestellt hätten oder sonstwas. Nicht, weil es nichts Blödes in meinem Leben geben würde. Sondern weil ich mich nicht darauf fokussiere. „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“, könnte auch eines meiner Lebensmottos sein. Und genau das ist es, was ich am Elternsein so sehr mag: ich kann es einfach so machen, wie ich es will. Und das ist meine Art, Elternschaft zu leben.

Seit mein Mann ebenfalls über Elternschaft bloggt, sitzen wir manches Mal zusammen da und vergleichen unsere verschriftlichten Sichtweisen. Wir haben dasselbe erlebt, aber es unterschiedlich wahrgenommen. Jeder hat seinen Blick auf das Leben, jeder hat andere Schwerpunkte. An manchen Stellen treffen wir uns, an manchen ergänzen wir uns, an anderen sind wir ganz verschiedenen. Er nimmt vieles mit Humor, ich bin sehr emotional. Jeder von uns ist deswegen auf seine Weise authentisch.

Jeder geht seinen Weg, der gerade richtig ist für einen selbst und die Familie. Wir können uns selber Ziele setzen, eine Route planen für unsere Elternreise oder einen Leitstern haben, an dem wir uns orientieren. Der Leitstern hier ist das geborgene Wachsen als Familie.

Eure
Susanne_clear Kopie

 

5 Kommentare

  1. Liebe Susanne,
    ein sehr persönlicher und schöner Text. Ich umgebe mich gern mit positiv denkenden Menschen. Das heißt nicht, dass ich mir nicht auch ihr Leid anhöre und mich auch mal über die Dinge auslasse, die nicht so laufen, wie ich das mag. Aber ich habe auch gemerkt, dass die Sichtweise viel ausmacht. Und dass es sich besser anfühlt, am Ende des Tages auf die guten Erlebnisse und Momente zu schauen. Das ist nicht immer einfach, aber wie ich finde, ein schönes Ziel für jeden Tag.
    Liebe Grüße
    Susanne

  2. Sich auf das Schöne und Gute im Leben zu konzentrieren ist sehr wichtig! Denn gute Gedanken zieht mehr Gutes an! Achtsamkeit heißt auch, seine gedanken und Worte bewusst zu wählen – auch und gerade auf dem Blog! Wie schön! Liebe Grüße, Verena

  3. Mir gefällt dein positiver Blick sehr. Und ich hoffe, dass er ansteckend ist. Denn um positiv und optimistisch zu sein, muss ja nicht immer alles toll laufen. Manchmal läuft es eben auch doof. Und manchmal ist es anstrengend und wir sind erschöpft.
    Und trotzdem kann man optimistisch bleiben. Dass es eben das nächste Mal besser läuft. Oder auch nicht, sondern dass das jetzt eben so ist wie es ist und dass dann ein neuer Tag kommt und ein kleiner Neubeginn.

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