Über das Scheitern

A-Lu vom Blog grosseköpfe fragte kürzlich: „Wann und Wobei habt ihr manchmal das Gefühl, das all die guten Tipps und Ideen trotzdem scheitern bedeuten?“ Ich habe eine Weile darüber nachgedacht und eigentlich ist mir kein Moment eingefallen, den ich als Scheitern bezeichnen würde in meinem Elternleben. Das soll nicht überheblich klingen, denn auch ich stehe oft vor Situationen, die ich mir so nicht gewünscht habe, die ich mir ganz anders vorgestellt habe. Situationen, die mich mürbe machen oder die mir Kraft rauben. Dennoch gibt es für mich persönlich kein Scheitern – es gibt nur „den anderen Weg“.

Situationen, die anders laufen als geplant gibt es viele: Beim Aufstehen, beim Kinder-ins-Bad-schicken, beim Anziehen, beim Frühstück sowieso. „Ich will aber nicht die Socken anziehen, die kratzen!“ „Ich will mein Auto-Tshirt und nicht das mit den Hunden. Das ist blöd!“ „Es gibt Müsli? Ich will aber Brötchen!“ „Ich will nicht nach Hause, ich will noch spielen.“ – Ich weiß nicht, wie oft am Tag unterschiedliche Vorstellungen über den Tagesablauf in dieser Familie aufeinander treffen. Und je mehr Familienmitglieder zusammen kommen, desto stärker zeigen sich Konfliktfelder, denn jeder hat so seine eigenen Vorstellungen und Wünsche.

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Als Eltern sind wir oft in der Situation zu denken, dass wir doch genau wüssten, welcher Weg und welche Entscheidung für welchen Moment richtig wäre. Schließlich sind wir Erwachsen und verfügen über Lebenserfahrung. Unsere Kinder können viele Situationen noch nicht überblicken oder sich noch nicht einmal wirklich in uns hinein versetzen. Es prallen immer wieder verschiedene Welten aufeinander. Aber ist es wirklich so, dass unsere erwachsenen Wege immer die richtigen sind?

„Wenn Du es nicht ausprobierst, wirst Du es nicht erfahren“, hat meine Großmutter oft zu mir gesagt. Dieser Satz begleitet mich in solchen Situationen immer wieder. Meine Kinder dürfen sich gegen meine Wünsche widersetzen, sie sollen sich sogar widersetzen, damit sie lernen und wachsen. Sie haben den Raum zu hinterfragen und ihre Entscheidungen zu treffen. In vielen Situationen ist es so, dass sie lernen, dass wir Erwachsene Recht hatten, dass es zu kalt ist ohne Mütze in den Wind zu gehen, dass es besser ist, Müsli zum Frühstück zu essen als zu hungern. Sie sind anderer Meinung, sie probieren es aus und finden es blöd. Und vielleicht – manchmal – machen sie es dann beim nächsten Mal auf meine Art. Manchmal auch nicht, manchmal erst nach dem fünften Mal.

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Ich scheitere nicht, meine Erziehung scheitert nicht, weil ich „scheitern“ als zu hartes Wort empfinde. Ich mache Fehler, oft sogar. Und ich versuche Dinge vorzuschlagen, die andere nicht wollen. Mein Weg und unser Weg ist nie gerade. Er ist schief und oft auch sehr kurvig und manchmal voller Pirouetten. Lebendig, könnte man ihn auch nennen.

Solange es Kinder gibt, die nicht alles mit sich machen lassen, die nicht tonlos jede Anweisung befolgen – so lange scheitern wir alle nicht, sondern machen unsere Sache sehr gut. Wir Eltern sollten nicht zu hart mit uns sein, sondern Dinge immer auch von der anderen Seite betrachten. Wir alle machen es so gut wie wir eben können. Und heute gehen wir mal wieder mit zwei verschiedenen Socken aus dem Haus. Weil es eben so ist.

Eure

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4 Kommentare

  1. Hallo Susanne, ich lese deinen blog wirklich gerne, aber manchmal kann ein wenig humor nicht schaden! Ich habe den große köpfe eintrag eher mit einem Augenzwinkern verstanden, nicht scheitern im sinne von versagen… 😉 Und nicht alle alltagssituationen mit kindern sind immer pädagogische lernfelder, zumindest nicht bei uns. 🙂

    • Hallo Alice,
      ich finde, scheitern ist schon ein kräftiges Wort. Und A-Lu schreibt natürlich mit Augenzwinkern. Und ich schreibe eben so, wie ich die Welt sehen 🙂

  2. JesSi Ca von feierSun.de

    Ich glaube fast mein „Schlechte Mutter in mir“ – Artikel könnte fast zu dieser Blogparade passen. Niemand scheitert in den Sinne, wir sind nur eben alle einfach real und reale Menschen sind nicht immer perfekt, sind nicht immer endlos geduldig und gütig. Reale menschen haben reale Emotionen – und die Elternschaft beschützt uns nicht vor all diesen realen Dingen…..

  3. Hallo Susanne,
    Vielen Dank für diesen schönen Artikel. Seit kurzem treibe ich mich bei twitter rum und bin darüber auch auf A-Lus Artikel und einige weitere dazu gestossen. Mir ging es dabei wie dir: scheitern ist für mich nicht das richtige Wort. Tatsächlich zu hart. „Scheitern“ hätte für mich die Voraussetzung, dass der von uns als Eltern angestrebte Weg der „richtige“ war, den wir nun nicht durchsetzen können. Aber ist er das? Und in wessen Augen? Vielleicht ist er gerade der naheliegendste, aber irgendwie ist Eltern sein doch auch „learning by doing“ und wenn ich wo nicht weiter komme, probier ich halt was anderes, das gehört dazu, ohne es als scheitern zu empfinden….
    Liebe Grüße
    Julia

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