Geburt: Begleitet werden statt entbunden

Gestern vor zwei Jahren habe ich mein letztes Kind geboren. Heute vor neun Jahren mein erstes. Drei Geburten habe ich erlebt innerhalb von 9 Jahren: eine im Geburtshaus, eine zu Hause, eine im Krankenhaus. Sie alle waren ganz unterschiedlich: unterschiedlich lang, unterschiedlich schmerzhaft, unterschiedlich laut und auch die Kinder, die geboren wurden, waren bei der Geburt ganz verschieden in ihrem Verhalten. Jede Geburt wurde von einer anderen Hebamme begleitet. Beständig waren nur ich und mein Partner, der immer an meiner Seite war. 

Das Muttersein hat mich in all den Jahren verändert und mich mehr zu mir finden lassen. Auch die Geburten der Kinder hatten ihren Anteil daran, obwohl ich sie nicht als die einschneidendsten Erlebnisse bezeichnen würde. Aber sie waren wichtig, haben einen ganz besonderen Stellenwert in meinem Leben und haben mir ein jedes Mal wieder gezeigt, wie wichtig dieses Ankommen und der Weg des Ankommens ist für mich als Frau, uns als Paar und für das Kind, das gerade geboren wurde. Ich hatte das Glück, jedes Mal gute Geburten zu erleben. Selbst zuletzt, als die Geburt im Krankenhaus endete, war es eine rückblickend gute Geburt.

Menschen, die einen Ort mit Wohlgefühl füllen, nicht Dinge

Auch wenn der Ort und die Rahmenbedingungen jedes Mal eine wichtige Rolle spielten, ist rückblickend eines ganz besonders wichtig gewesen: die Menschen, die mich umgeben haben. Es war schön im ruhigen Geburtshaus mit sanftem Licht, es war zauberhaft zu Hause im Wohnzimmer in den Morgensonnenstrahlen zu gebären und es war ziemlich hässlich im Wehenzimmer im Krankenhaus und doch war es auch dort schön. Mehr als die Inneneinrichtung haben die Menschen, die um mich waren, die Geburt beeinflusst. Sie waren es jedes Mal, die eigentlich den Raum gefüllt haben mit ihrer Sorgsamkeit, Zuwendung und Liebe.

Wenn wir gebären, können andere Menschen um uns dafür sorgen, dass wir diese Geburt als wunderbar, achtsam und respektvoll empfinden. Auf der anderen Seite können ebenso Menschen dafür sorgen, dass wir uns schlecht fühlen, minderwertig, unfähig, dass unsere Wünsche übergangen werden und wir nicht wie ein Mensch, sondern ein Produkt in einem Prozess behandelt werden ohne Rücksicht auf Unversehrtheit. Für beides können Menschen zuständig sein und es ist ihre Entscheidung, ihre Möglichkeit, wie wir uns gesehen und behandelt fühlen. Es hängt von Menschen ab, ob wir uns gut fühlen oder schlecht in einem entscheidenden Moment unseres Lebens.

Respektvolles Verhalten

Wie man sich fühlt, steckt bereits in den kleinen Momenten: Kommen Menschen unachtsam in einen Raum, in dem eine Frau ein Kind gebiert? Wie reden sie mit einem Menschen: In einer Stimmlage, die der Situation angemessen ist, in einem respektvollem Tonfall? Schlagen sie Dinge vor statt zu bestimmen? Sind die Kompromissbereit und rücksichtsvoll? Nehmen sie Ängste wahr in der Mimik, Gestik und Sprache des Gegenüber und reagieren sie passend darauf?

Wenn wir mit anderen Menschen umgehen in besonderen Situationen, ist nicht nur die Handlung wichtig, sondern die Einstellung dahinter: Bringe ich eigene Ängste mit in diese Situation, in diese Geburt? Untersuchungen haben gezeigt, dass Ängste wie ansteckend sind: Wenn jemand Angst hat, kann sich dies übertragen. Ängstliche Menschen, die eine Geburt begleiten, können ihre Angst auf die Gebärende übertragen. Menschen, die mit Gebärenden arbeiten, müssen klar und zuversichtlich sein. Angst ist eine wichtige Eigenschaft und gemahnt zur Vorsicht, aber unter der Geburt muss damit sehr reflektiert umgegangen werden. Die innere Haltung ist es auch, die der gebärenden Frau vermittelt: Ich vertraue generell in Deine Fähigkeiten zu gebären oder die ausdrückt: Geburt muss kontrolliert und überwacht und gesteuert werden, damit sie gesund verläuft. Die Unterschiede in der Haltung wirken sich auf die Handlungen aus.

Begleitet werden statt entbunden

Wenn ich zurück blicke auf die Geburten, die ich bei mir und anderen erleben durfte, dann machten gute Geburten vor allem eines aus: Begleitet zu werden statt entbunden. Menschlichkeit war es, die wichtig war neben der Fachkenntnis. Respektvoller, liebevoller Umgang und Erklärungen können eine Geburt auch dann zu einer guten Geburt werden lassen, wenn unerwartete Momente oder Eingriffe notwendig sind. Es ist immer wieder die Menschlichkeit, die zählt in den Momenten, in denen ein neuer Mensch geboren wird. Wir empfangen ihn mit Menschlichkeit, die auch er zukünftig weitergeben kann.

Es tut gut, liebevoll vertraute Menschen an der Seite zu haben. Ich habe Geburten mit Partner, Hebammen und Freundinnen erlebt und um all diese liebevoll umsorgenden Menschen war ich so dankbar. Mein Partner, der mir den Rücken stärkte und mich liebe- und humorvoll umsorgte, meine Hebammen, durch die ich mir sicher war, fachlich gut begleitet zu werden in den Situationen, in denen es wirklich notwendig war und die sich aber besonders auch dadurch ausgezeichnet haben, sich viel zurück zu halten trotz ihrer beständigen und wohltuenden Anwesenheit. Und meine Freundinnen, die bei zwei Geburten dabei waren und meine Kinder umsorgt haben, mich zum Lachen brachten und bei denen ich auch weinen konnte.

Gute Begleitung zur Geburt: Wen brauche ich?

Begleitung unter der Geburt kann so wohltuend und entspannend sein, wenn es eine Begleitung ist, die uns gut tut. Partner/in, Hebamme, Doula, Freundin – sie können uns umsorgen und auffangen und helfen. Wir sollten uns nicht davor scheuen, uns liebevoll umsorgende Hilfe zur Geburt zu wünschen und zu organisieren.

Hebammen in einer 1 zu 1 Betreuung sind eine wichtige und unersetzbare Begleitung bei Geburten: Sie können nicht nur fachlich begleiten, sondern fangen seelisch auf, holen ab, unterstützen und bestärken. Doch durch den Hebammenmangel ist es schwer, eine Hebamme zur 1 zu 1 Betreuung zu finden. Nicht nur die Landkarte der Unterversorgung zeigt, wie schwierig es ist, eine Hebamme zu finden. Im Zeug-o-mat kann nun errechnet werden, wann eine Frau fruchtbar ist und ob es dann in ihrer Region eine Unterversorgung mit Hebammen gibt. Durch die sich zuspitzende Situation wird um Hebammen teilweise mit Geld geworben. Obwohl es bereits zahlreiche Petitionen in den vergangenen Jahren gab, hat sich die Situation weiter verschlechtert. Aktuell läuft eine Petition zur Reform der Geburtshilfe, die noch Unterstützung sucht und auch alternative Protestwege werden gegangen wie hier mit dem Aufruf zum längsten Brief der Welt als Weltrekord für Hebammen.

Der Hebammenmangel ist eine Situation, an der wir nicht vorbei blicken sollten, denn die menschliche Fachbegleitung ist so wichtig. Daneben können wir uns auch – und gerade dann, wenn wir gerade nicht eine gute Begleitung finden durch eine Hebamme aktuell – von Partner/in und Freundinnen begleiten lassen, die uns gut tun. Menschen, denen wir vertrauen, die uns umsorgen, die angstfrei begleiten und selber Erfahrungen haben mit dem, was auf uns zu kommt. Menschen, die das wohlige Gefühl vermitteln, dass wir sicher und geborgen sind in dieser besonderen Zeit an dem Ort, der dafür individuell richtig ist.

Eure

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