Als wärst Du immer hier gewesen

Eine kleine Hand patscht am Morgen in mein Gesicht. Ich blicke in zwei Augen, die so vertraut sind. Du lächelst mich an, ein kleines Quieken kommt aus Deinem Mund bevor Du Dich auf mich stürzt. Ich weiß, was Du jetzt möchtest. Ich weiß, wann Du Hunger hast, wann Du spielen möchtest, wann Du Nähe suchst. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Dich ganz genau vor mir. Ich kenne die kleinen Besonderheiten an Dir. Ich kenne Dich. Ich kenne Dich wie die riffelige Oberfläche meines Schreibtisches, auf die ich seit Jahren bei meiner Arbeit blicke. Jedes Muster hat sich eingeprägt. Ich kenne Dich wie mein Lieblingsbuch, das ich schon acht Mal gelesen habe. Ich kenne es auswendig. Dich kenne ich mehr inwendig.

Woher kommt diese Vertrautheit? Ein wenig von den Augen, die mir so bekannt vorkommen: Wird es nicht die Augenfarbe Deines Vaters? Und dieser Mund, der mich an meine Großmutter erinnert. Der Schwung der Augenbrauen zieht ich über Dein Gesicht wie bei Deiner Schwester. Wie ein Puzzle setzen sich vertraute Momente zusammen, kleine Anspielungen an andere Vertraute. Und doch ist das Gesamtpaket ganz einzigartig. Ich blicke einen Menschen an, den ich an einigen Stellen zu kennen scheine und dann ist es doch ein ganz anderer. Du trägst Vergangenes in Dir und gestaltest daraus die Zukunft mit.

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An manchen Tagen versuche ich mir vorzustellen, wie das Leben früher war, bevor Du hier warst. Es war auch bunt und schön, glaube ich. Aber so richtig ganz genau erinnere ich mich nicht mehr daran, wie es sich anfühlte ohne Dich. Denn aus meinem Herzen und meinen Gedanken kann ich Dich nicht mehr subtrahieren. Es gibt kein: Wie fühlte es sich eigentlich an ohne Dich? Eine leise Ahnung habe ich noch davon, wie es ausgeschlafener war. Aber was ist Schlaf gegen diese strahlenden Augen und Dein Lachen? Und selbst wenn Du kurze Zeit nicht bei mir bist, sondern ohne mich unterwegs, dann bist Du doch immer da in meinem Herzen und auch in oder am Rande meiner Gedanken.

Nichts in meinem Leben hat mich so nachhaltig beeinflusst wie die Geburten meiner Kinder und ihre Existenz in meinem Leben. Nichts kann ich mir so wenig aus meinem Leben weg denken wie sie. Wie mein Leben ohne sie aussehen würde, kann ich mir nicht vorstellen, so sehr gehören sie dazu. Vielleicht wären viele Dinge ganz anders gekommen und wahrscheinlich wäre ich auch glücklich – nur eben auf eine andere Art. Dieses Ich würde sie vielleicht nicht vermissen, weil es sie nie kannte. Vielleicht würde es eine leichte Sehnsucht spüren nach dem Unbekannten, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht würde es nur ausgeschlafen die Tage genießen.

Ich genieße sie unausgeschlafen. Das Lachen, die kleinen Hände und Füße. Nasse Babyküsse. Wie war das Leben ohne all das? Ich weiß es nicht. Und so sitze ich hier und schaue Dich an. So klein und doch so, als wärest Du schon immer hier gewesen.

Eure

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7 Kommentare

  1. Liebe Susanne, das hast du so treffend und schön geschrieben. Erst gestern fragte ich zu meinem Mann: „Wo war sie (unser Babymädchen) nur die ganze Zeit?“
    Ich glaube wie du, dass ich ein anderes vielleicht auch glückliches Leben führen würde. Aber keine Sekunde möchte ich tauschen. Sie hat zu unserem Glück gerade noch gefehlt 😉
    Liebe Grüße
    Susanne

  2. Es ist so schön zu lesen, wie gut es euch geht! Trotz Schlafmangel. Dass das vorüber geht, weiβt Du ja selbst, aber zehrt es doch an der Substanz. Ich wünsche Dir ein erholsames Wochenende mit hoffentlich mehr Schlaf. Danke, dass Du immer noch genug Zeit für Deinen Blog findest und uns teilhaben läβt.

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