Kindliches Verhalten ergibt immer Sinn

Warum tut er/sie das? An manchen Tagen hallt diese Frage immer wieder durch meinen Kopf. Bei jedem meiner Kinder: dem Schulkind, dem mittleren Kind und dem Baby. Warum nur ist es nicht zufrieden? Warum lässt sich das Baby nicht mal kurz für eine halbe Stunde ablegen, damit ich die Wäsche machen kann? Warum ist das Kind so garstig zu seinem Geschwisterkind? Und wie von selbst kommen natürlich auch Antworten, die eigentlich keine sind: Das Kind will mich ärgern. Ich habe etwas falsch gemacht in der Erziehung. Das ist irgendeine Verhaltensauffälligkeit. Die meisten dieser falschen Antworten laufen darauf hinaus, dass das kindliche Verhalten falsch ist und wir Eltern oder das Kind irgendwie Schuld daran wären. Doch die einfache Erklärung auf die meisten Fragen des Alltags ist: Das Kind verfolgt ein Ziel, sein Verhalten ergibt Sinn und kommt nie von irgendwo, sondern ist immer irgendwie begründet. Manchmal verstehen wir den Sinn nur einfach nicht oder nicht sofort, aber es gibt ihn – ganz bestimmt.

Kindliches Verhalten ergibt Sinn. Denn die Natur hat es genau so eingerichtet, dass Kinder anfangs schutzlos und hilfebedürftig sind und nach und nach selbständiger werden. Und gerade weil sie auf uns Erwachsene zum Überleben angewiesen sind, würden sie vorsätzlich nicht etwas tun, das ihren Schutz durch uns gefährdet. Kinder brauchen uns sehr lange. Sie lieben uns auf ihre kindliche, absolute Art. Selbst dann, wenn wir schlecht gelaunt sind, wenn wir schlechte Tage haben. Auch die Kinder, die von ihren Eltern generell schlecht behandelt werden, bauen eine Bindung zu ihnen auf. Unsere Kinder binden sich an uns und versuchen alles, damit diese Bindung bestehen bleiben kann.

Vorsätzlich möchten sie uns nicht ärgern, nicht den Schlaf in der Nacht rauben und sie streiten sich auch nicht mit anderen oder Geschwistern, weil sie gerade nunmal Lust darauf haben. Sie tun Dinge, weil sie für ihre Entwicklung wichtig sind und sie irgendwie voran bringen, weil es notwendig ist, sich so zu verhalten oder es eine Antwort auf unser Verhalten ist. Kein Kind ist einfach nur böse, unwillig oder gemein. Das Baby möchte sich nicht ablegen lassen oder nur in unserer Nähe schlafen, weil es genau dort – in enger Nähe zu uns – am sichersten für das Baby ist, weil es nur dort optimal, zuverlässig und sicher versorgt werden kann. Der Dreijährige widersetzt sich nicht, um uns zu ärgern, sondern weil er in einem Entwicklungsprozess ist, der ihn auf die Selbständigkeit vorbereitet. Er lernt, eigene Entscheidungen zu treffen – eigentlich genau das, was wir Eltern immer wollen. Die Geschwister streiten sich nicht, weil sie nichts anderes zu tun haben, sondern weil es beispielsweise um die Ressource der elterlichen Zuwendung geht. Und selbst wenn Kinder sich langweilen, ergibt dies einen Sinn für ihre Entwicklung und bestärkt sie darin, sich neuen Aufgaben zuzuwenden und Kreativität zu entwickeln. Natürlich ist das von Kind zu Kind verschieden und die Ausprägung des Verhaltens wird auch vom Temperament und der Art beeinflusst, wie Eltern darauf eingehen: Es gibt Kinder, die von Anfang an sehr stark in ihrem Ausdruck und solche, die eher leise sind.

Doch allen Kindern gleich bleibt, dass sie ihre eigene Entwicklung verfolgen, dass sie voran kommen möchten. Ihr Verhalten ergibt einen Sinn – auch wenn wir ihn vielleicht gerade nicht sehen. Deswegen lassen wir die Gedanken, dass Babys oder Kleinkinder uns ärgern wollen oder ihr Verhalten sinnlos sei, doch einfach beiseite. Wenn wir wollen, können wir uns auf die Suche begeben nach dem Sinn. Oder wir nehmen es einfach hin wie es ist – es wird schon seinen Sinn haben.

Eure
Susanne_clear Kopie

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4 Kommentare

  1. Man könnte diesen Gedanken ausweiten und sagen, dass das Verhalten jedes Menschen irgendwie Sinn macht – das hört ja nicht schlagartig auf, wenn das Kind 18 wird.
    Wichtig ist aber eben auch bei allem Sinn, dass man lernt seine eigenen Grenzen zu setzen, wenn man mit dem Verhalten eines anderen nicht zurecht kommt. Das betrifft aber eben alle Menschen untereinander, nicht nur Eltern und Kinder.

    • Das Unterschreibe ich so. Viele Eltern denken sie müssen vieles aushalten, und Fühlen sich schlecht wenn sie nicht mehr können. Dabei sind sie auch nur Menschen. Wir müssen mal rauskommen aus dem ganzen Druck, der von allen Seiten ausgeübt wird… Eltern werden so unsicher gemacht. Es ist in Ordnung wenn man merkt man hat keine Kraft mehr…man darf das auch kommunizieren, und Kinder müssen verstehen das Eltern auch einfach mal Ruhe brauchen wenn es nicht mehr geht.

  2. Johanna Havran

    Sehr schön geschrieben! Ich nehme mir immer vor zu überlegen: warum tut er/sie so etwas? Wenn man es tatsächlich schafft, die Bedürfnisse des anderen zu verstehen (ob Baby oder schon größer), gibt es auch keinen Grund mehr sich über irgendwas zu ärgern. (theoretisch 😉 leider gelingt es natürlich nicht immer, aber wir entwickeln uns ja alle weiter… ;-))

  3. Anne Sophie Hengge

    Unglaublich schön geschrieben und JA! – natürlich macht es immer Sinn. Wir zeigen dem Kind eine Weise, wie es sich verhalten kann, aber wahrscheinlich viel weniger durch Regeln und Erziehungsmaßnahmen, als durch unser eigenes Vorleben und Miteinander.

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