Das Baby gibt den Rhythmus vor

Es gibt viele Dinge, die sich durch das Leben mit einem Baby ändern. Die wohl größten Änderungen betreffen nicht den eigenen Körper, das Stillen, die geringe Schlafmenge oder die Umgestaltung der Wohnung. Die größte Änderung im Leben ist die Zeit, das Zeitgefühl und der Rhythmus. Und dieses wirkt sich auf so viele andere Bereiche aus. Denn das Zeitgefühl ist es, das wir nun auf den Kopf stellen, bei dem wir am meisten abrücken müssen von unserem bisherigen Leben. Ein Baby anzunehmen bedeutet, sich ihm anzupassen, sich seinen Bedürfnissen anzupassen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass wir unsere eigenen Pläne zu gewissen Teilen hinten an stellen. Einen Rhythmus im Leben mit einem Baby kann man sich schaffen, indem man den eigenen Rhythmus ablegt.

Endlich einmal im Leben haben wir Zeit. Wir gehen nicht zur Schule, wir müssen nicht zur Arbeit. Vielleicht müssen wir größere Kinder in den Kindergarten oder die Schule bringen und davon abholen. Aber eigentlich haben wir Zeit. Zwischendurch müssen wir essen, Windeln wechseln, einkaufen, duschen, stillen/füttern. Es gibt Dinge, die wir zu tun haben, aber eigentlich haben wir keine festen Vorgaben. Wenn nicht die Vorgaben in unserem Kopf wären. Die Gedanken, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge geschafft haben müssten. Oder wir uns vorgenommen haben, dass wir unbedingt heute unbedingt etwas Bestimmtes erledigen müssen. Oder der Gedanke, dass die Wohnung auf eine ganz bestimmte Weise aussehen soll. Eigentlich hätten wir Zeit, wenn wir uns nicht selber so viele Pläne machen würden, uns selber unter Druck setzen würden.

 

Und dann will das Baby gar nicht so wie wir es wollen. Denn während wir gerne die Wäsche machen würden, möchte das Baby lieber gestillt werden. Oder es braucht eine frische Windel während wir doch eigentlich schon los wollten zu einer Verabredung. Das Baby aber kennt unsere Pläne nicht. Es kennt nur seine eigenen Bedürfnisse, seine Wünsche, die es erfüllt haben braucht, um glücklich zu sein.

Wir haben zwei Möglichkeiten als Eltern: Unseren eigenen Vorstellungen treu bleiben und gegen die Bedürfnisse des Babys arbeiten oder sie einfach anzunehmen und unsere Vorstellungen zu verschieben. Dann ist die Wohnung nicht aufgeräumt, aber das Baby ist zufrieden. Dann kommen wir vielleicht zu spät zu einer Verabredung, aber haben in Ruhe das Baby vorher versorgt. Denn wenn wir den ersten Weg wählen, können wir zwar scheinbar unseren Vorstellungen und Zeitplänen nachgehen, doch in Wirklichkeit wird es meistens viel schwerer. Wer in Hektik ein Baby wickelt weiß, dass es viel länger dauert als in Ruhe. Wer ein Baby zum Schlafen bringen möchte, weil eigene Termine drängeln weiß, dass das Baby die Unruhe spürt und sich unsicher fühlt und weniger gut einschläft. Auf Dauer bringt es keinem von beiden etwas, so zu handeln. Und das Baby lernt nur, dass seine eigenen Bedürfnisse, die für es selbst lebenswichtig sind, immer warten müssen. Wahrscheinlich geht es nicht immer, dass wir uns nach dem Rhythmus des Babys richten können. Aber es geht oft, wenn wir uns von unseren Vorstellungen lösen.

Mit einem Baby kommen wir zum ersten Mal so richtig an die Grenzen unserer Planungen. Wir müssen aufhören immerzu auf die Uhr zu sehen und anfangen, nach dem Zeitplan des Babys zu leben: Wenn es Hunger hat, stillen wir es. Wenn es schlafen möchte, lassen wir es schlafen und legen uns vielleicht noch dazu. Das Baby gibt nun den Rhythmus unseres Tages vor und wir folgen ihm. Wir bauen unser Leben um die Bedürfnisse des Babys herum so weit es geht. Auf diese Weise ist es auch ansatzweise möglich, die Dinge zu erledigen, die man sich dringend vorgenommen hat. Denn ein zufriedenes Baby, dessen Bedürfnisse befriedigt sind, lässt und mehr Zeit und Raum als ein unzufriedenes, schreiendes Baby, dessen Bedürfnisse wir immer wieder versuchen zu unterwandern. Für die Kleinsten gibt es noch kein „Ja, ja, sofort!“ es gibt nur das Jetzt.

Versuchen wir also, unser Zeitempfinden neu zu sortieren. Eigentlich haben wir gerade jetzt Zeit dafür. Und diese Zeit sollten wir uns nehmen für ein entspannteres Leben.

Eure
Susanne_clear Kopie

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7 Kommentare

  1. Mit der Geburt eines Kindes – nicht nur des ersten, auch jeden weiteren Kindes – ändert sich nicht nur der Lebensrhythmus, auch die Prioritäten verändern sich. Und wir verändern uns und unsere Kinder verändern sich. Weil wir uns alle weiter entwickeln.
    Sich dem Rhythmus und den Bedürfnissen eines Kindes anzupassen ist gar nicht so anstrengend, wie man sich das oft vorstellt. Es ist sogar relativ leicht (außer vielleicht wenn das Kind mit besonderen Bedürfnissen geboren wurde).
    Und es gibt uns die Chance zu wachsen – und das ist doch eigentlich eines der wichtigsten Ziele von Elternschaft, oder?

  2. Katharina Wenske

    Liebe Susanne,
    du schreibst mir mal wieder aus der Seele! Ein ganz wunderbarer Artikel!
    Ich hatte anfangs leider große Schwierigkeiten mit dem neuen Rhytmus, dem veränderten Tagesablauf und den völlig anderen Prioritäten zurechtzukommen! Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich in meine Mutterrolle Einfinden konnte. Ich konnte lange Zeit nicht begreifen, dass ich nicht Babys und meine Bedürfnisse voll erfüllen kann. Mittlerweile ist es mir gelungen zu akzeptieren, dass die Wäsche halt mal ins unendliche wächst oder die Küche einem Schlachtfeld gleicht. Aber es hat gedauert und es hat mich viel Kraft und Tränen gekostet. Denn eins war von Anfang an klar, Schmatzipuffer seine Bedürfnisse, stehen an erster Stelle.
    Ich wünschte ich hätte deinen Artikel vor 10 Monaten gelesen!?

    Liebe Grüße,
    Kathi

  3. Mein Rhythmus hat sich auch total verändert, ich hatte aber nicht das Gefühl meinen aufgeben zu müssen, jedenfalls nicht mehr nachdem mein kleiner Großer 4,5 Monate alt ist- ich habe eher das Gefühl, dass er mir innere Ruhe geschenkt hat und wir nun einen gemeinsamen Rhythmus gefunden haben, der sich an seinen Bedürnissen orientiert! Ich haber nur ein Kind u kann es mir aber schwer mit zwei oder drei vorstellen, wie ich es jetzt beschrieben habe… da muss doch jeden Tag jemand zurückstecken, ein Mal das Baby, ein anderes Mal das Geschwisterchen u der Papa sowieso ?
    Ich genieße also unseren gemeinsamen Rhythmus, den ich sehr wohl selber mitlenke… Mir sind bestimmte Abläufe, auch zeitliche für meinen Zwergriesen als Orientierung für ihn sehr wichtig!
    Liebe Grüße von der stolzesten Mama der Welt u des ganzen Universums! ?

  4. Deine Texte tun mir gerade so gut!!!

    Ich rotiere hier gerade noch täglich im Chaos mit Dreijähriger, zehn Wochen altem Baby und meinem selbst auferlegten Perfektionsirrsinn, der dazu führt, dass hier alle gerade eher unentspannt sind 🙁 Vor allem, wenn mein Mann abends (so wie meistens) erst gegen 20.30 Uhr Feierabend machen kann.
    Ab morgen will ich das mit dem
    Rhythmus versuchen…ich merke immer sehr, wie sich meine Unruhe auf die Kinder überträgt und trotzdem mache ich ständig den Fehler, alles perfekt organisiert haben zu wollen. Bei der Großen war das mit dem Rhythmus damals irgendwie kein Thema, aber zwei Kinder sind schon eine andere Hausnummer.
    Liebe, dankbare Grüße, N

  5. Das alles kann ich ganz genau nachvollziehen. Hätte doch jemand mir einen Wink in diese Richtung geben können, als ich vor vielen Jahren mein erstes und unruhiges Schreikind hatte. Wir hätten so viel entspannter werden können. Um so mehr freue ich mich, dass es jetzt jemanden wie dich gibt, der diese Hinweise den jungen Müttern zur Verfügung stellt. Einfach großartig.

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