DU kennst Dein Kind – andere nicht

Kennenlernen braucht immer Zeit. Selbst an den Menschen, die schon seit Jahrzehnten unser Leben begleiten, entdecken wir hin und wieder neue Dinge – oder sie verändern sich und wir lernen sie wieder neu kennen mit einem neuen Hobby, einer neuen Fähigkeit oder anderem. Menschen sind im Wandel, sie passen sich ihren Umgebungsfaktoren an. Darüber hinaus bringen sie auch ein eigenes Temperament, eigene Vorlieben und Abneigungen bereits mit. <So, wie wir dies bei Erwachsenen wahrnehmen und berücksichtigen, ist es auch bei unseren Kindern: Ganz sicher lerne ich noch immer meine Kinder kennen, entdecke neue Eigenschaften und Interessen an ihnen – auch wenn sie nun schon so lange in unserer Familie sind. Elternschaft bedeutet für mich vor allem auch: verstehen welcher Mensch das Kind ist und wie ich es auf seinem oder ihrem Weg begleiten kann. Und gerade deswegen ist es so verrückt, wenn fremde Menschen einen mit ihren Ansichten belehren wollen.

Menschen, die die Familie nicht kennen, uns aber auf der Straße oder im Supermarkt ihre Ansichten mitgeben darüber, wie Kinder “erzogen” werden müssten. Menschen, die uns vielleicht kennen, aber nicht unsere Werte teilen und Einstellungen, die uns aber erklären möchten, was richtig und was falsch ist. Menschen, die uns am Rande kennen und nichts von unserer Lebensweise halten und sie deswegen als unnütz abtun, um ihr eigenes, anderes Verhalten zu rechtfertigen.

Im Laufe der Jahre bin ich immer wieder solchen Menschen begegnet. Als noch junge Mutter mit dem ersten Kind haben mich ihre Kommentare verunsichert, ließen mich kurz innehalten und mit einer Sorgenfalte auf der Stirn nachdenken. Als Mutter von zwei Kindern, den gleichen Weg weiter gehend, wurden die Kommentare nicht weniger, aber ich wurde entspannter. Sie gingen noch immer nicht in ein Ohr hinein und durch das andere hinaus. Aber sie erreichten nicht mehr das Herz, ließen darin kein Zaudern zurück. Auch beim dritten Kind gab es die Ratschläge und Hinweise, die gut gemeinten Bevormundungen. Erstaunt stellte ich fest, dass ein Zeitpunkt erreicht war, an dem ich sie höre, aber nicht mehr wahrnehme. Lächeln und winken, denke ich mir an manchen Tagen.

Manchmal höre ich auch achtsam vorgetragene Einwände, die neue Perspektiven ermöglichen und bin dankbar für Anregungen. Es kommt auch auf die Form an, wie eine Entscheidung in Frage gestellt wird. Oft aber sind es keine Anregungen, sondern Bevormundungen oder Belehrungen von Menschen, die sich gar kein Bild machen können – oder sollten. Die aufgrund einer kleinen Momentaufnahme aus dem Leben verurteilen.

Was ich anderen deswegen nach all diesen Jahren, nach all diesen Sätzen zum Stillen, Tragen, zum Familienbett, zur Pädagogik, zum Trösten, zum Gebären, zu angeblichen Rollenverteilungen und all den anderen Themen mit auf den Weg geben möchte:

Es sind Eure Kinder. Du hast sie in dir getragen und sie geboren. Oder Du bist der nicht-gebärende Elternteil, der sie mit ins Leben begleitet. Du bist auf der Reise mit Deinem Kind, lernst es jeden Tag ein Stückchen besser kennen – jedes einzelne. Du liebst es und Du kennst es so gut, wie es nur möglich ist für einen anderen Menschen. Du meistert den Alltag mit ihm, die guten und die schlechten Tage. Du entscheidest, wann Du Anregungen brauchst, Hilfe oder Unterstützung – und wie. Es gibt Zeiten voll Sonnenschein und graue Tage, an denen Du vielleicht nicht weiter weißt. Du bist da, mit ganzem Herzen und aller Kraft, die Du hast – und manchmal auch nur einem kleinen Rest Energie, die Du trotzdem für Dein Kind bewahrst. Du wechselst Windeln, hältst fiebernde Hände, hörst Dir Kindergartengeschichten an und bastelst Fensterbilder. Du bist Weihnachtsmann, Osterhase und Zahnfee. Du bist Mama oder Papa. Du bist Fachmann oder -frau für Dein Kind. – Und alle anderen nicht.

Susanne_clear Kopie

Eure

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12 Kommentare

  1. gabriele sofie

    Danke dafür! Ein wunderschöner Absatz, der alles beinhaltet worum es geht und der allen Eltern Kraft gibt!

  2. MamaTralala

    Danke, liebe Susanne!

    Als Mama eines nun fast einjährigen Sohnes hat es einige Monate gedauert, um zu lernen, sich von der ein oder anderen Äußerung, oder wie Du so treffend formulierst “gutgemeinten” Bevormundung zu distanzieren. Es ist, vor allem als Neu-Mama, gar nicht so einfach, die unsichtbaren Finger auf die Ohren zu legen und so manche Grenzüberschreitung abtropfen zu lassen. Gerade weil alles neu ist, schleicht sich auch schneller eine Unsicherheit ein. Seit ich Mutter geworden bin, fühle ich mich zwar stärker denn je, aber auch sensibler und weicher als je zuvor. Und genau da ist dann auch die Mama-Achillesferse, in die so mancher Kommentar oder Hinweis zielt. Ich sehe zwar, dass ich mit der Zeit cooler werde, aber es gibt immer noch Momente, in denen eine Äußerung trifft. Darum ist Dein wunderschöner Kommentar wie eine Rüstung, die man mit sich tragen und bei Bedarf immer wieder einsetzen kann.

    Für das mütterliche Selbstbewusstsein, die Kraft und auch die gute Laune!

  3. Tamara Kapunkt

    Eines Tages….ja, eines Tages lasse ich mich vielleicht auch nicht mehr so sehr verunsichern. Denn ich mag unsren Weg und möchte ihn genau so weiter gehen. Aber die Stimmen drumherum sind manchmal lauter oder gehen tiefer, als mir lieb ist.
    Danke, dass du deine Sicherheit teilst un damit sicher nicht nur mich bestärkst ?

  4. Leider empfinden manche Menschen all das, was sie nicht kennen und was ihnen fremd ist, als falsch. Wir machen oft diese Erfahrung und können bestätigen, dass es leichter wird, je mehr Kinder man hat.
    Trotzdem bleibt es respektlos und noch immer macht es mich wütend. Und ich glaube, dass Bevormundung von außen noch stärker stattfindet, wenn man selbst als Eltern noch jünger ist als die deutschen Durchschnittseltern. Dann “kann man es ja gar nicht richtig machen”…

  5. Du hast ja so recht! Und Lächeln und Winken ist vielleicht genau das richtige… Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht, dass ich beim zweiten Kind entspannter damit umgehen kann, wenn andere zu wissen meinen, was für meine Küstenkinder gut und richtig ist – und ich würde so gern erleben, wie es mit Nr. 3 wäre!
    Alles Liebe, Küstenmami

  6. Liebe Susanne,
    nun ist es soweit dass ich auch mal Danke sagen möchte! Danke für deine Sicht der Dinge und Danke fürs Bauchgefühl-bestärken!
    Ich werde oft “gutgemeint bevormundet”, gerade von den beiden Familien. “Wie, du stillst ihn noch? Dann hängt er dir wahrscheinlich noch wenn er in der Schule ist dran..”; “er schläft noch bei euch im Bett? Na super, dann kriegt ihr ihn ja nie mehr raus”; “lass ihn doch mal schreien…” Usw usw. Diese Kommentare verunsichern mich heute noch (Spatzi ist 19 Monate) und schaffen es leider noch viel zu oft, dass ich mein Bauchgefühl anzweifle. Doch mein Spatzi ist ein glückliches, aufgewecktes und für sein Alter weit entwickeltes Kind. “Also muss ich ja etwas richtig machen” Versuch ich mir jedes Mal zu sagen.
    Also mach bitte weiter so! Deine Worte stärken sehr!

  7. Man darf nicht vergessen: Es gibt genügend Eltern, die die Erziehung gewaltig vergeigen. Ich spreche hier auch, aber nicht ausschließlich, von körperlicher Gewalt. Auch das Abladen der eigenen (Ehe-)Probleme bei den Kindern kann diese in ihrer Entwicklung nachhaltig schädigen. Hier ist es wichtig, dass andere Menschen – auch Fremde – wachsam sind, ggf. die Eltern oder die Kinder ansprechen und einschreiten. Nicht zu vergessen auch jene Eltern, die mit Erziehung, Unterstützung bei Schule/Bildung und dem weiteren Lebensweg ihrer Kinder überfordert sind; aber im Gegenzug zu stolz, dumm oder feige, um Hilfe zu bitten.

    Ich denke nicht, dass es der richtige Weg ist, überall die Klappe zu halten und wegzusehen – und nein, das war sicher nicht die Intention des Blogposts, trotzdem liest er sich sehr einseitig.
    Wie so oft ist hier auch Fingerspitzengefühl gefragt – und eine gesunde Einstellung zum Leben.

  8. Danke für diese stärkenden Worte. Gerade gestern hat mich die Aussage von meinem Vater aus der Bahn geworfen, aus meiner “kleinen Zicke würde einmal eine große Zicke” werden, weil wir sie prompt hochnehmen, wenn sie das einfordert. Es ist mir ein Rätsel, wie man mein Zauberkind als Zicke bezeichnen kann, sie ist so lieb und umgänglich. Es hat mich aber doch erstmal verunsichert und viel grübeln gebraucht, bis ich wieder in meinem Weg in mir ruhen konnte. Für das nächste Mal habe ich mir jetzt eine passende Antwort zurecht gelegt. Wir Eltern sollten viel öfter in unserer Kompetenz bestärkt werden. Vielen Dank für deinen Beitrag hierzu!

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